Mutter im Pflegeheim verstirbt; Sozialamt; Erbe

| 16. Dezember 2022 17:32 |
Preis: 72,00 € |

Erbrecht


Beantwortet von

Folgender Sachverhalt:
Mutter verstirbt im Pflegeheim und hatte dort seit 2018 Zuschuss vom Sozialamt für die Pflegekosten erhalten!
Auf dem Taschengeldkonto der Mutter im Pflegeheim befindet sich ca. 700,- Euro, auf den noch vorhandenem Konto ca. 4.500,- Euro.
Weiteres Vermögen ist nicht vorhanden und auch keine weiteren Schulden.
Schwester ist Sozialhilfeempfängerin, ich bin seit vielen Jahren in einem festen Beruf tätig und somit als direkter Angehöriger lt. Bestattungspflicht für die Übernahme der Kosten der Beerdigung zuständig.

Beerdigungskosten werden insgesamt ca. 6.000,- Euro betragen.

Meine Fragen:

1. Laut § 102 SGB (XXII) kann das Sozialamt vom Erben 10 Jahre rückwirkend (hier betrifft es 4 Jahre) Geld vom Erbe zurückfordern => wenn in meinem Fall (5.200,- Euro Erbe minus 3facher Grundbetrag (2.694,-) => 2.506,- Euro) gefordert werden könnten vom Sozialamt, wie sieht es mit den Beerdigungskosten aus?

2. Wenn das tatsächliche Erbe mit den Beerdigungskosten abgezogen wird, verbleibt ein Schuldenbetrag von ca. 800,- Euro, den ich tragen muss.
Wenn zusätzlich 2.506,- Euro ans Sozialamt gezahlt werden soll, müsste ich 3.306,- Euro aufgrund des Erbfalles und der Beerdigung bezahlen => welches wäre die rechtlich beste Möglichkeit eine Rückforderung vom Sozialamt zu vermeiden?

3. Wenn vom eigentlichen Erbe die Beerdigungskosten abgezogen werden (dann würden Schulden verbleiben), muss dann als Grundlage für eine Rückforderung vom Sozialamt dieser Betrag beachtet werden?

4. Da meine Mutter kein Testament gemacht hat, erben meine Schwester und ich nach der gesetzlichen Erbfolge (Vater seit Jahren bereits verstorben, keine weiteren Kinder der Mutter vorhanden) => wie sieht das in diesem Falle mit dem Erbe aus und einer eventuellen Rückforderung vom Sozialamt bzw. Einbehaltung vom Sozialamt bei meiner Schwester (Hartz IV-Empfängerin), wenn sie 2.600 Euro erbt?

Welches wäre die günstigste Variante für mich und meiner Schwester, um Rückforderung und Einbehaltung vom Sozialamt zu verhindern, damit die gesamte Erbmasse (5.200,- Euro) für die Beerdigung verwendet werden können?
16. Dezember 2022 | 20:38

Antwort

von


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Sehr geehrte/r Fragesteller/in,

entscheidend ist hier, dass die Pflicht zum Kostenersatz nach § 102 Absatz 2 SGB XII als Nachlassverbindlichkeit gilt.

[quote]§ 102 SGB XII Kostenersatz durch Erben
(1) Der Erbe der leistungsberechtigten Person oder ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners, falls diese vor der leistungsberechtigten Person sterben, ist vorbehaltlich des Absatzes 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 übersteigen. Die Ersatzpflicht des Erben des Ehegatten oder Lebenspartners besteht nicht für die Kosten der Sozialhilfe, die während des Getrenntlebens der Ehegatten oder Lebenspartner geleistet worden sind. Ist die leistungsberechtigte Person der Erbe ihres Ehegatten oder Lebenspartners, ist sie zum Ersatz der Kosten nach Satz 1 nicht verpflichtet.
[b](2) Die Ersatzpflicht des Erben gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses.[/b]
(3) Der Anspruch auf Kostenersatz ist nicht geltend zu machen,
1. soweit der Wert des Nachlasses unter dem Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 liegt,
2. soweit der Wert des Nachlasses unter dem Betrag von 15.340 Euro liegt, wenn der Erbe der Ehegatte oder Lebenspartner der leistungsberechtigten Person oder mit dieser verwandt ist und nicht nur vorübergehend bis zum Tod der leistungsberechtigten Person mit dieser in häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie gepflegt hat,
3. soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde.
(4) Der Anspruch auf Kostenersatz erlischt in drei Jahren nach dem Tod der leistungsberechtigten Person, ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners. § 103 Abs. 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(5) Der Ersatz der Kosten durch die Erben gilt nicht für Leistungen nach dem Vierten Kapitel und für die vor dem 1. Januar 1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe.[/quote]

Weiterhin gilt nach § 1968 BGB, dass der Erbe die Beerdigungskosten übernehmen muss.

[quote]§ 1968 Beerdigungskosten
Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers.[/quote]

Damit sind die Beerdigungskosten ebenso wie der Kostenersatz Nachlassverbindlichkeiten, allerdings haben die Beerdigungskosten aufgrund der Vorschrift des § 1968 Vorrang, da der Erbe berechtigt wäre das Erbe von Dritten einzuziehen und zu verwerten. Soweit es hier Handlungsanweisungen der jeweiligen Gemeinden gibt sind die Beerdigungskosten hier auch immer an erster Stelle genannt, siehe z.B. "Hinweise zur Durchführung der Sozialhilfe Nr. 03/2018 Kostenersatz durch Erben des Kresies Segeberg":

[quote]5.2 Abzüge vom Nachlass:
Vom Gesamtnachlass abzuziehen sind:
- die vom Erbe zu tragenden Bestattungskosten (§ 1968 BGB )
- Kosten der Nachlassverwaltung ( § 1960 BGB )
- Schulden des Erblassers zu Lebzeiten (§ 1967 BGB )
- der Freibetrag gem. § 102 Abs. 3 Ziffer 1 (das Dreifache des Grundbetrages
gem. § 85 Abs. 1 = 3 x doppelter Regelsatz RBS 1, in 2018 also 2.496,- €)
[/quote]

Sie können also das vorhandene Geld für die Beerdigung verwenden und müssen keine Rückforderung fürchten. Nochmals zusammenfassend zu Ihren Fragen:

[u]1. Laut § 102 SGB (XXII) kann das Sozialamt vom Erben 10 Jahre rückwirkend (hier betrifft es 4 Jahre) Geld vom Erbe zurückfordern => wenn in meinem Fall (5.200,- Euro Erbe minus 3facher Grundbetrag (2.694,-) => 2.506,- Euro) gefordert werden könnten vom Sozialamt, wie sieht es mit den Beerdigungskosten aus?[/u]
Die Beerdigungskosten haben hier Vorrang, siehe oben.

[u]2. Wenn das tatsächliche Erbe mit den Beerdigungskosten abgezogen wird, verbleibt ein Schuldenbetrag von ca. 800,- Euro, den ich tragen muss.
Wenn zusätzlich 2.506,- Euro ans Sozialamt gezahlt werden soll, müsste ich 3.306,- Euro aufgrund des Erbfalles und der Beerdigung bezahlen => welches wäre die rechtlich beste Möglichkeit eine Rückforderung vom Sozialamt zu vermeiden?[/u]
Das Sozialamt muss den Vorrang beachten, es gilt zudem, dass keinen Vorrang einzelner Nachlassverbindlichkeiten gibt.

[u]3. Wenn vom eigentlichen Erbe die Beerdigungskosten abgezogen werden (dann würden Schulden verbleiben), muss dann als Grundlage für eine Rückforderung vom Sozialamt dieser Betrag beachtet werden?[/u]
s.o.

[u]4. Da meine Mutter kein Testament gemacht hat, erben meine Schwester und ich nach der gesetzlichen Erbfolge (Vater seit Jahren bereits verstorben, keine weiteren Kinder der Mutter vorhanden) => wie sieht das in diesem Falle mit dem Erbe aus und einer eventuellen Rückforderung vom Sozialamt bzw. Einbehaltung vom Sozialamt bei meiner Schwester (Hartz IV-Empfängerin), wenn sie 2.600 Euro erbt?
[/u]
Eine Verrechnung mit den Leistungen die Ihre Schwester erhält ist nicht möglich. Da es sich sowohl bei den Beerdigungskosten als auch bei dem Kostenersatz um Nachlassverbindlichkeiten handelt und diese zunächst abgezogen werden, verbleibt hier auch kein fiktiver Betrag der mit den Bezügen Ihrer Schwester verrechnet werden. Korrekterweise erben Sie beide im Grunde nichts, da die Nachlassverbindlichkeiten (Beerdigungskosten) den Wert der Erbschaft übersteigen.


Ich hoffe damit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und schönes Wochenende.

Mit freundlichen Grüßen,
RA Fabian Fricke




Bewertung des Fragestellers 17. Dezember 2022 | 11:04

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"Sehr ausführliche Antwort mit entsprechenden rechtlichen Verweisen, die ich dann nutzen kann, wenn das Sozialamt doch irgendwelche Rückforderungen stellen sollte!
Damit kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren - die Beerdigung und nicht auf "Behörden-Ärger"!"
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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 17. Dezember 2022
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Sehr ausführliche Antwort mit entsprechenden rechtlichen Verweisen, die ich dann nutzen kann, wenn das Sozialamt doch irgendwelche Rückforderungen stellen sollte!
Damit kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren - die Beerdigung und nicht auf "Behörden-Ärger"!


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