Kündigungsschutzklage? Sinnvoll?

3. April 2020 18:52 |
Preis: 51,00 € |

Arbeitsrecht


Hallo und Guten Abend
Ich würde mich über eine ehrliche und fachliche Einschätzung sehr freuen. Bin hin und her gerissen, ob ich klagen sollte oder, ob es wenig erfolgreich erscheint...
Mein Arbeitgeber hat mir vor etwas mehr einer Woche (wir arbeiten seit 3 Wochen im Homeoffice) telefonisch mitgeteilt, dass ich auf Grund der Corona-Krise meinen Arbeitsplatz los bin. Die schriftliche Kündigung folgte 2 Tage später. Die Kündigungsfrist ist bei uns vertraglich auf einen Monat festgelegt. So muss ich den Arbeitsplatz zum 1.5.20 räumen. Neben mir wurde noch 8 anderen Kollegen gekündigt. (Eine der Kündigungen wurde mittlerweile auch wieder zurück genommen.) Mein AG erklärte mir am Telefon, dass er zusätzlich zur Kündigung von 9 Mitarbeitern auch noch Kurzarbeit beantragt hat. Dies hat er heute per WhatsApp Mitteilung revidiert. Kurzarbeit kann dem Büro nun erspart bleiben. Das Büro, in dem ich momentan noch arbeite beschäftigt über 10 Mitarbeiter (Vollzeit) und ich arbeite seit 4,5 Jahren im Betrieb. Kinder habe ich nicht. Schwanger, krank oder behindert bin ich auch nicht. Viele der nicht gekündigten Mitarbeiter sind nicht so lange da wie ich. Macht es Sinn hiergegen mittels einer Klage vorzugehen? Vielen Dank im Voraus an jeden, der sich die Mühe macht die Situation durchzulesen und einzuschätzen.
Viele Grüße Klein
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Wenn in dem Unternehmen, in dem Sie arbeiten, mehr als 10 Personen vollzeit beschäftigt sind, findet das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung. In Ihrem Fall ist die Rechtmäßigkeit der Kündigung an § 1 KSchG zu messen.
"§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann

und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.

Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2."

Wie Sie Absatz 3) entnehmen können, muss bei der Sozialauswahl auch die Dauer der Beschäftigung berücksichtigt werden. Auch muss der Arbeitgeber zunächst die dringenden Betrieblichen Erfordernisse einer Kündigung darlegen. Da das KSchG anwendbar ist, braucht der Arbeitgeber nämlich erst einmal einen vernüfntigen Grund um zu kündigen. Die Corona-Pandemie ist isoliert bertrachtet selbstverständlich kein Grund für eine Kündigung. Aus Ihrer Darstellung kann ich entnehmen, dass Gründe, die in Ihrer Person liegen, wohl nicht ausschlaggebend waren. Er müsste nun darlegen, warum er ausgerechnet Sie nicht weiter beschäftigen kann und ob er, soweit überhaupt ein Erfordernis für die Kündigung besteht, nicht ein anderer hätte zunächst gekündigt werden müssen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anmeldung von Kurzarbeit oder eine Änderungskündigung hier unter Umständen möglich und damit ein milderes Mittel als die Kündigung wäre. Dies alles kann man im Vorfeld leider eher schlecht beurteilen.

Aus diesem Grund könnte es durchaus Sinn machen, die Frage vor dem Arbeitsgericht klären zu lassen.

Bitte beachten Sie, dass die Klagefrist hier lediglich 3 Wochen seit Zugang der schritlichen Kündigung beträgt, § 4 KSchG. Die Rechtsanwaltskosten für den Rechtsstreit trägt jeder Partei selbst in erster Instanz.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Diana Laib
Rechtsanwältin
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