Insolvenz - Unterhaltsberechtigt?

| 21. Januar 2025 11:46 |
Preis: 50,00 € |

Insolvenzrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin in der Wohlverhaltensphase und selbstständig.
Das Gericht hat als Berechnungsgrundlage ein Einkommen von 4508,07 Euro brutto/Monat festgesetzt.
Unser Sohn (3J) ist unterhaltsberechtigt, aber zu meinem Ehemann schrieb die Insolvenzverwalterin
in ihrem Gutachten zur Verfahrenseröffnung:
"Der Ehegatte der Schuldnerin verfügt über ausreichend eigene Einkünfte im Sinne des § 850c Abs. 6 ZPO, so dass er im Rahmen einer bei der Schuldnerin durchzuführenden Pfändung als unterhaltsberechtigte Person - zumindest teilweise - nicht zu berücksichtigen wäre."

Mein Mann (74J) hat aktuell nur seine Rente in Höhe von 652€ monatlich; als Freiberufler mit Kleingewerbe hat er kaum noch Einnahmen; zuletzt 800€/Jahr.

Die Frage ist, ob mein Mann eine 2. Unterhaltsberechtigte Person ist.
Je nachdem ändert sich der abzutretende Anteil laut Pfändungstabelle 24/25 von 588,41€ auf 345,62€ monatlich.
Das ist ein bedeutsamer Unterschied.

Würden Sie mir bitte schreiben, wieviel ich monatlich abtreten muss.

Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Fragestellerin,

gerne beantworte ich Ihnen Ihre Frage wie folgt:

"Würden Sie mir bitte schreiben, wieviel ich monatlich abtreten muss."

Anhand der von Ihnen vorgegebenen Informationen kann ich hierzu leider keine abschließende Antwort geben.

[u]Berechnungsgrundlage[/u]
Grundsätzlich sind im laufenden Insolvenzverfahren sowie auch innerhalb der Restschuldbefreiungsphase die sich ergebenden pfändbaren Beträge an den Insolvenzverwalter bzw. den Treuhänder abzuführen. Bei angestellt Tätigen richtet sich dies nach dem monatlichen Nettoeinkommen. Hiernach berechnet und führt der Arbeitgeber die pfändbaren Beträge ab. Bei selbständig tätigen Insovenzschuldnern ist es etwas komplizierter. Hier erfolgt eine 2-stufige Prüfung. Zunächst (1. Stufe) wird das fiktive Nettoeinkommen ermittelt, das der Insolvenzschuldner aufgrund seiner beruflichen Qualifitaktion erhalten könnte, wenn er sich in einem Anstellungsverhältnis befände. Hier geht es also nicht um das tatsächliche Einkommen, sondern man schaut sich die Berufsausbildung sowie die Berufserfahrung an und ermittelt hiernach ein rein fiktives Nettoeinkommen. Nur wenn sich nach diesem, unter Berücksichtigung der aktuellen Pfändungstabelle sowie der Unterhaltspflichten, ein pfändbarer Betrag ergibt, gelangt man zur 2. Stufe. Das bedeutet, ergibt sich bereits auf der 1. Stufe kein pfändbarer Betrag, müssen solche auch nicht abgeführt werden, unabhängig davon wieviel innerhalb der selbständigen Tätigkeit erwirtschaftet wird. Das fiktive Einkommen kann auch vom Gericht festgelegt werden. Sie führen hierzu nichts weiter aus, ich gehe aber davon aus, dass es sich bei dem Betrag von 4.508,07 EUR um eben dieses fiktive Einkommen handelt. Richtigerweise hat das Gericht nur einen Bruttobetrag festgesetzt, weil es den Nettobetrag aufgrund immer wieder eintretender Veränderungen gar nicht bindend festlegen kann.

[u]Unterhaltspflichten[/u]
Nach Ermittlung des fiktiven Nettoeinkommens werden die Unterhaltspflichten relevant. Ihr minderjähriges Kind ist ganz klar als Unterhaltspflicht zu berücksichtigen. Anders könnte dies bei Ihrem Ehemann sein. Hierzu führt die Kollegin richtig aus, dass dieser aufgrund eigenen Einkommens ggf. nicht zu berücksichtigen ist, wobei hier auch eine teilweise Nichtberücksichtigung in Betracht kommt. Notwendig hierfür ist jedoch zunächst ein Nichtberücksichtungsantrag. Ob dieser gestellt wurde, ist mir nicht bekannt. Sollte ein entsprechender Beschluss noch nicht vorliegen, ist Ihr Ehemann ohnehin weiterhin als volle Unterhaltspflicht zu berücksichtigen. Die Wirkung tritt nämlich erst ab Antragstellung ein, Ihre Insolvenzverwalterin müsste zunächst tätig werden. Kleiner Hinweis: Eine während des laufenden Insolvenzverfahrens beantragte Nichtberücksichtigung gilt im Restschuldbefreiungsverfahren nur weiter, wenn dies vom Beschluss mit umfasst ist.

Inwieweit Ihr Ehemann unberücksichtigt bleiben kann, richtet sich nach dessen Bedarf und Einkommen. Wie der Bedarf berechnet wird, richtet sich letztlich wohl auch nach den Kenntnissen des zuständigen Rechtspflegers beim Insolvenzgericht sowie des Insolvenzverwalters. Nachdem weder diese, noch Insolvenzverwalter in der Regel über vertieftes unterhaltsrechtliches Wissen verfügen, dann wären wir nämlich Familienrechtler ;-), behilft man (so auch ich) sich mit vereinfachten Berechnungen. Ich mache es so, dass ich die Nettoeinkommen beider Ehegatten zusammenrechne und die Hälfte davon als Bedarf zugrundelege. Hierzu ins Verhältnis gesetzt wird dann das tatsächliche Einkommen. In Höhe des prozentual gedeckten Bedarfs kann dann Nichtberücksichtigung beantragt werden. So gelangt man oft zur teilweisen Nichtberücksichtigung.

[u]Fazit[/u]
Nachdem Sie keinen Nettobetrag angegeben haben, kann ich keine Berechnung durchführen. Daneben ist unklar, wie Ihr Insolvenzgericht die Berechnung tatsächlich vornimmt. Dies kann auch anders als ich beschrieben habe vorgehen. Wenn Sie mir Ihr Nettoeinkommen benennen, könnte ich Ihnen zumindest meine Berechnung an die Hand geben. Letztlich müssen Sie dies dann aber mit Ihrer Treuhänderin abstimmen.


Mit freundlichem Gruß
A. Krüger-Fehlau
Rechtsanwältin


Rückfrage vom Fragesteller 21. Januar 2025 | 21:42

Sehr geehrte Frau Krüger-Fehlau,
ja genau, bei dem Betrag von 4.508,07 EUR handelt es um eben dieses fiktive Einkommen, das per richterlichem Beschluss festgesetzt wurde.
Daraus ergibt sich laut einem Gehaltsrechner ein Netto von 3.231,56 EUR.
Ein Nichtberücksichtungsantrag wurde nicht gestellt. Das Insolvenzverfahren selbst ist auch schon beendet; ich bin noch bis Okt. 2025 in der Wohlverhaltensphase.
Wenn ich es richtig verstanden habe, gilt folglich mein Ehemann auch als unterhaltsberechtigt mir gegenüber.
Für eine Berechnung, wie Sie angeboten haben, wäre ich noch sehr dankbar!
Herzliche Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. Januar 2025 | 09:07

Ich würde wie folgt rechnen:
3.231,56 EUR + 652,00 EUR = 3.883,56 EUR = Gesamtbedarf beider Ehegatten
3.883,56 EUR : 2 = 1.941,78 EUR = jeweiliger Bedarf der Ehegatten

Ihr Ehemann hat also (vereinfacht gerechnet) einen Bedarf von 1.941,78 EUR monatlich. Hiervon kann er 652,00 EUR selbst decken. Dies entspricht 33,58 %. Bei einem Nichtberücksichtungsantrag würde ich also beantragen, dass Ihr Ehemann zu 33 % unberücksichtigt bleibt. Es ergäbe sich ein pfändbarer Betrag von 425,75 EUR.

Wenn bisher keine Nichtberücksichtigung beantragt wurde, wird Ihr Ehemann weiterhin als volle Unterhaltspflicht berücksichtigt. Damit ergäbe sich ein pfändbarer Betrag von 345,62 EUR.


Mit freundlichem Gruß
A. Krüger-Fehlau
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 27. Januar 2025 | 10:12

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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 27. Januar 2025
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