Haftungsfreistellung durch GmbH // Schadensersatz bei Insolvenz

11. Mai 2024 08:19 |
Preis: 130,00 € |

Schadensersatz


Beantwortet von

Sehr geehrte:r Anwält:in,

ich bitte um Antwort zu folgenden Fall.

Hintergrund: Es geht um eine GmbH mit dem Unternehmensgegenstand der Erbringung von Bauingenieurdienstleistungen (Statik etc.). Geschäftsführer A (Dipl.-Ingenieur), Geschäftsführer B (Dipl.-Informatiker) und der Prokurist C (Betriebswirt) halten je 33,33 % Gesellschaftsanteile. Geschäftsführer A hat die Erbringung der Ingenieurdienstleistungen zu verantworten, Geschäftsführer B und Prokurist C den (Online)-Vertrieb und die FiBu etc.

Die GmbH hat dem Geschäftsführer A zum 31.03.2024 abberufen (er ist weiterhin Gesellschafter) und hat ihm - neben einer Generalbereinigung - eine Haftungsfreistellung vertraglich zugesichert.

Wenn ein Schadensfall in der Zukunft ersichtlich wird (Statik wurde durch Geschäftsführer A fehlerhaft berechnet) und der ehemalige Geschäftsführer A wegen Pflichtverletzungen persönlich - bspw. von einem Bauherrn - in Haftung genommen wird (Schadensersatz infolge von Sach- oder Personenschäden), muss die GmbH gemäß Haftungsfreistellungsvertrag für ihn eintreten.

Was passiert, wenn der Schaden die Zahlungsfähigkeit der GmbH übersteigt (und die Versicherung aus welchen Gründen auch immer nicht zahlt) und die GmbH insolvent geht.

Fiktives Bsp.: Bei einem Schadensersatz von 500.000 € kann die GmbH nur 300.000 € zahlen.

Wer muss die restlichen 200.000 € zahlen? Der Geschäftsführer A? Die Gesellschafter? Oder bleibt der Gläubiger „darauf sitzen"?

Es geht mir nicht um eine strafrechtliche Einschätzung.

Vielen Dank.

Anhang: Passus des Vertrages
Die Gesellschaft stellt den Geschäftsführer von Haftungsansprüchen Dritter aus seiner Tätigkeit für die Gesellschaft vom 01.01.2022 bis zum 31.03.2024 gegen ihn frei, soweit dies gesetzlich möglich und zulässig ist, d. h. die Freistellung gilt nicht für den Fall des Vorsatzes und unter Umständen nicht für den Fall der groben Fahrlässigkeit bzw. soweit diese nicht mit dem Gläubigerschutz bzw. Kapitalerhaltungsvorschriften vereinbar etc. ist. Letztere Einschränkung gilt jedoch nicht, wenn und insoweit zum Zeitpunkt der Geltendmachung (= Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) der Anspruch zur Befriedigung der Gläubiger nicht mehr erforderlich ist. Die Gesellschaft übernimmt insbesondere die Haftung für einen persönlichen Haftungsbescheid bzw. Ansprüche Dritter gegen den Geschäftsführer.
11. Mai 2024 | 12:00

Antwort

von


(1110)
Throner Str. 3
60385 Frankfurt am Main
Tel: 069-4691701
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Thomas-Mack-__l105497.html
E-Mail: tsmack@t-online.de
Sehr geehrter Ratsuchender,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsangaben wie folgt beantworte:


Der Geschäftsführer haftet der Gesellschaft – also der GmbH – nach den Maßstäben des § 43 GmbHG:

„§ 43 Haftung der Geschäftsführer

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.
(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.
(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.
(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren."


Diese Haftung wurde nach der o.g. Klausel im Falle der leichten Fahrlässigkeit beschränkt. Für grob fahrlässige Handlungen oder Vorsatz haftet der Geschäftsführer jedoch selbstverständlich weiterhin, eine solche Haftung kann auch nicht von vorherein beschränkt bzw. ausgeschlossen werden.


Wenn Sie sich nun auf die direkte Haftung gegenüber Dritten beziehen, so muß man sagen, daß der Geschäftsführer normalerweise für Geschäfte der GmbH nicht haftet.


Der Grund ist wie folgt: Bei einem Vertragsverhältnis wird ein Vertrag mit der GmbH geschlossen, und nicht mit dem Geschäftsführer.


Daher haftet im Falle eines Vertragsverstoßes - in ihrem Fall die fehlerhafte Berechnung der Statik – auch nur die GmbH und nicht etwa der Geschäftsführer.

Die Vertragspflichten treffen grundsätzlich die GmbH und nicht den Geschäftsführer.


Wenn die GmbH den Schaden nicht bezahlen kann und keine Versicherung o.ä. eintritt würde daher der Verlust generell beim Gläubiger verbleiben.



Eine sogenannte Durchgriffshaftung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, z.B. wenn der Geschäftsführer den Anschein erweckt persönlich Vertragspartner zu sein und nicht die GmbH.


Weiterhin kommt eine direkte Haftung bei Verstoß wegen unerlaubten Handlungen in Betracht, also nach § 823 BGB, wie von Ihnen erwähnt.

In diesen Fällen könnte der Geschäftsführer aufgrund eigenen deliktischen Handelns persönlich haften.

Wie zuvor erwähnt würde der Geschäftsführer in diesen Fällen – ungeachtet der Haftungsfreistellung – ohnehin haften, wenn grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln vorliegt, da die Haftungsfreistellung nicht greift.

Wenn dagegen nur leicht fahrlässiges Handeln vorliegt kann sich der Geschäftsführer grundsätzlich auf die o.g. Haftungsfreistellung berufen.

Ergänzend ist zu erwähnen, daß bei Geschäftsführern auch stets eine D&O (Directors & Officers) Versicherung für die GmbH- Geschäftsführerhaftung empfohlen wird.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Mit freundlichen Grüßen


Thomas Mack
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 13. Mai 2024 | 08:14

Sehr geehrter Herr Mack,

viele Dank für Ihre Antwort.

Inhaltlich sind mir die von Ihnen erläuterten Punkte jedoch schon weitgehend klar gewesen. Ich versuche deshalb mein Anliegen zu konkretisieren:

Unser Geschäftsführer A war gleichzeitig auch derjenige, der die Statiken unterzeichnet und gestempelt hat (Eintrag Ingenieurkammer). Er hat also neben der GmbH-Geschäftsführerhaftung auch die Ingenieurhaftung der „verkauften" Statiken.

Ingenieure als Angehörigen der freien Berufe (auch wenn als GmbH firmiert) können nach meiner Einschätzung (und laut Auskunft der Ingenieurkammer) von Dritten durchaus direkt – ggf. gesamtschuldnerisch – in Haftung genommen werden (durch den Stempel stehen sie zusätzlich PERSÖNLICH in der Verantwortung gegenüber dem Dritten). Ingenieure haben eine besondere Sorgfaltspflicht (Ingenieur- und Baurecht).

Frage 1: Ist die Klausel so formuliert, dass nur die GmbH-Geschäftsführer-Haftung gemeint und übernommen wird? Oder ist tatsächlich auch die Ingenieurstätigkeit mit in der Haftungsfreistellung inkludiert?

Frage 2: Per Gesellschafterbeschluss haben die Gesellschafter beschlossen, dass der Geschäftsführer A einen Haftungsfreistellungsvertrag mit der GmbH „bekommt". Dieser wurde dann anschließend von der Gesellschaft (gezeichnet vom Geschäftsführer B) mit dem ehemaligen Geschäftsführer A geschlossen. Wenn der Geschäftsführer A persönlich in Haftung genommen wird und die GmbH den Schaden gemäß Haftungsfreistellungsvertrag übernehmen muss, jedoch nicht decken kann, wer zahlt den Rest? Der Kunde (weil er auf Kosten „sitzen" bleibt), der Geschäftsführer A (privat als Ingenieur, weil er seine Pflichten verletzt hat) oder die Gesellschafter, da diese die Haftungsfreistellung beschlossen haben?

Vielen Dank für eine Aufklärung.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 13. Mai 2024 | 11:52

Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne möchte ich Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:


Zur Frage 1:

Die Haftungsfreistellung bezieht sich auf den Geschäftsführer A. Daher geht es bei der Haftungsfreistellung und ihrer Wirkung auch lediglich um die Funktion von A als Geschäftsführer und seine Haftung.

Mit anderen Worten: Eine Haftung wegen der Ingenieurstätigkeit – genauso wie die zuvor erwähnte persönliche Haftung wegen unerlaubter Handlung – steht daher grundsätzlich neben der Haftung des Geschäftsführers.

Da es sich bei der o.g. Haftungsfreistellung um die Tätigkeit als Geschäftsführer handelt wäre die besondere Haftung des Ingenieurs nach meiner Bewertung nicht erfasst, da diese Haftung andere Voraussetzungen hat.

Die o.g. Haftungsfreistellung erwähnt ausdrücklich den Geschäftsführe A und nicht den Ingenieur A, sonst hätte man das anders regeln müssen.

Allerdings kommen dem Ingenieur meist die vertraglichen Haftungsbegrenzungen und Haftungsausschlüsse zugute, die zwischen der GmbH und dem jeweiligen Kunden ausgehandelt wurden.


Ansonsten gibt es wie zuvor erwähnt die Möglichkeit von Versicherungen bzgl. der Haftung von Ingenieuren.


Zu 2:

Wie ausgeführt kommt es auf den konkreten Haftungsgrund an, wer letztlich den Schaden tragen muß.

In dem ersten Beispiel: („Wenn der Geschäftsführer A persönlich in Haftung genommen wird und die GmbH den Schaden gemäß Haftungsfreistellungsvertrag übernehmen muss, jedoch nicht decken kann, wer zahlt den Rest?")

Wenn es sich um eine Haftung handelt, die der Gesellschaft zuzurechnen ist, aber auf ein Handeln des Geschäftsführers A beruht, dann muß den Schaden der Kunde tragen, weil grundsätzlich die Gesellschaft und nicht der oder die Geschäftsführer haften.


Wenn der Ingenieur oder Geschäftsführer A in dem Beispiel tatsächlich persönlich haftet – aufgrund spezieller Ingenieurshaftung oder wegen unerlaubter Handlung o.ä. – dann kommt auch eine persönliche Haftung von A in Betracht, wenn die Voraussetzungen der Haftung wie z.B. Verschulden gegeben sind.

In diesem Fall würde die persönliche Haftung neben die Haftung der GmbH treten, der Kunde könnte in diesem Fall den Schaden gegenüber dem Ingenieur oder Geschäftsführer A geltend machen, wenn die GmbH eine vereinbarte Haftungsfreistellung nicht leisten kann.



Ich hoffe ich konnte Ihre Nachfrage zufriedenstellend beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Mack
Rechtsanwalt

ANTWORT VON

(1110)

Throner Str. 3
60385 Frankfurt am Main
Tel: 069-4691701
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Thomas-Mack-__l105497.html
E-Mail: tsmack@t-online.de
RECHTSGEBIETE
Vertragsrecht, Kaufrecht, Wirtschaftsrecht, Urheberrecht, Internationales Recht, Internet und Computerrecht, Miet- und Pachtrecht, Arbeitsrecht, Baurecht
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119123 Bewertungen)
FRAGESTELLER
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Vielen Dank für die verständliche Antwort ...
5,0/5,0
sehr gut und umfassend. Sehr ausführliche Antwort. Vielen Dank. ...
5,0/5,0
Danke für die schnelle und umfangreiche Beantwortung meiner Frage ...