Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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Gerne zu Ihren Fragen:
Sie waren im Jahr 2021 als hauptberuflich Selbständiger freiwillig gesetzlich krankenversichert. Bei dieser Versicherungsform richtet sich die Beitragshöhe nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mitglieds, also im Wesentlichen nach dem tatsächlichen Einkommen. In der Regel dient hierzu der Einkommensteuerbescheid als Nachweis. Wird dieser Bescheid der Krankenkasse nicht rechtzeitig vorgelegt, darf die Krankenkasse die Beiträge vorläufig nach der Höchstbemessungsgrundlage festsetzen. Nach Ablauf von drei Jahren wird diese Festsetzung grundsätzlich endgültig, wenn bis dahin kein Steuerbescheid eingereicht wurde.
In Ihrem Fall wurde der Einkommensteuerbescheid für 2021 erst Ende 2025 eingereicht, also nach Ablauf der regulären Frist. Die Krankenkasse hat deshalb einen Festsetzungsbescheid erlassen, der von der Höchstbemessungsgrenze ausgeht und eine erhebliche Nachzahlung in Höhe von etwa 6.000 Euro verlangt. Gegen diesen Bescheid haben Sie fristgerecht Widerspruch eingelegt und den Steuerbescheid nachgereicht. Zugleich beantragten Sie, die Beiträge auf Grundlage des tatsächlichen Einkommens neu zu berechnen.
Das Gesetz sieht für solche Fälle eine besondere Regelung vor: Wenn die Nachweise verspätet eingereicht werden, kann die Krankenkasse auf Antrag eine nachträgliche Neuberechnung durchführen, sofern glaubhaft gemacht wird, dass die verspätete Vorlage nicht vom Versicherten verschuldet war. Es handelt sich also nicht um einen zwingenden Anspruch, sondern um eine [b]Ermessensentscheidung der Krankenkasse.[/b] Entscheidend ist, ob Sie nachvollziehbar glaubhaft machen können, dass Sie die Frist unverschuldet versäumt haben – etwa weil sich die steuerliche Bearbeitung verzögert hat oder weil Sie von der Frist keine Kenntnis hatten. Liegt ein solches fehlendes Verschulden vor, sind die Krankenkassen in der Praxis meist bereit, eine Neuberechnung auf Grundlage des tatsächlichen Einkommens vorzunehmen. Ist die Fristversäumnis jedoch allein auf Nachlässigkeit oder Vergessen zurückzuführen, besteht kein rechtlicher Anspruch, gleichwohl kann die Krankenkasse im Rahmen ihres Ermessens dennoch positiv entscheiden.
Da ein Widerspruch gegen einen solchen Bescheid keine aufschiebende Wirkung hat, bleibt die festgesetzte Nachforderung grundsätzlich vollziehbar. Um eine Zwangsvollstreckung zu vermeiden, ist es deshalb empfehlenswert, vorsorglich die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, bis über den Widerspruch entschieden wurde. In diesem Antrag sollte darauf hingewiesen werden, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen, weil das tatsächliche Einkommen inzwischen nachgewiesen wurde und die Beitragshöhe möglicherweise erheblich geringer ausfällt.
[b]Zusammenfassend lässt sich sagen:[/b] Ihr Vorgehen war rechtlich richtig und nachvollziehbar. Die Berufung auf die Möglichkeit der Neuberechnung ist einschlägig. Ob Sie die Forderung vollständig abwehren können, hängt davon ab, ob die Krankenkasse Ihr Versäumnis als unverschuldet anerkennt und ihr Ermessen zu Ihren Gunsten ausübt. [b]In jedem Fall sollten Sie den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen und glaubhaft begründen, um bis zur Entscheidung keine Zahlung leisten zu müssen. [/b]Sollte die Krankenkasse Ihren Widerspruch ablehnen, steht Ihnen der Klageweg vor dem Sozialgericht offen.
Diese Auskunft stellt eine erste rechtliche Einschätzung auf Grundlage der von Ihnen mitgeteilten Informationen dar. Sie ersetzt keine vollumfängliche anwaltliche Prüfung des Einzelfalls unter Einsicht aller Unterlagen und Bescheide.
Die rechtliche Bewertung kann sich ändern, wenn weitere Tatsachen bekannt werden oder behördliche Unterlagen abweichen. Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Bedarf nutzen Sie gerne die Nachfragefunktion.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Ich verstehe jedoch nicht warum Sie hier vom Ermessensspielraum der Krankenkasse reden und davon, dass ich nachweisen muss, dass ich den Steuerbescheid unverschuldet verspätet eingereicht habe.
War dies nicht nur in der alten Fassung des Absatzes 4a so?
In §240 Abs. 4a Satz 7 SGB V (Neufassung ab Ende 2023) steht:
„ Stellt ein Mitglied innerhalb von zwölf Monaten, nachdem die Beiträge nach Satz 4 festgesetzt wurden und die Krankenkasse ihm diese Festsetzung bekanntgegeben hat, einen Antrag auf Neufestsetzung der Beiträge, sind die Beiträge für das jeweilige Kalenderjahr neu festzusetzen, für das das Mitglied die tatsächlichen Einnahmen durch Vorlage eines Einkommensteuerbescheides nachweist."
Haben Sie bei Ihrer Antwort tatsächlich die Neufassung des §240 SGB V mit einbezogen?
Mit freundlichen Grüßen
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG) wurde § 240 Abs. 4a SGB V geändert.
Die entscheidende Neuerung findet sich in dem von Ihnen korrekt zitierten Satz 7:
„Stellt ein Mitglied innerhalb von zwölf Monaten, nachdem die Beiträge nach Satz 4 festgesetzt wurden und die Krankenkasse ihm diese Festsetzung bekanntgegeben hat, einen Antrag auf Neufestsetzung der Beiträge, sind die Beiträge für das jeweilige Kalenderjahr neu festzusetzen, für das das Mitglied die tatsächlichen Einnahmen durch Vorlage eines Einkommensteuerbescheids nachweist."
Damit ist die bisherige Kann-Regelung entfallen und durch eine Muss-Regelung ersetzt worden.
Das heißt:
Die Krankenkasse hat kein Ermessen mehr.
Die verspätete Vorlage des Steuerbescheids muss nicht mehr entschuldigt werden.
Voraussetzung ist nur, dass
bereits eine endgültige Festsetzung (nach Ablauf der Dreijahresfrist) erfolgt ist,
der Antrag auf Neufestsetzung innerhalb von zwölf Monaten nach Bekanntgabe dieser Festsetzung gestellt wird, und
der Einkommensteuerbescheid für das betreffende Jahr beigefügt ist.
3. Anwendung auf Ihren Fall
Ihr Fall erfüllt nach der neuen Fassung alle Voraussetzungen:
Sie haben im Jahr 2025 (also nach Ablauf der Dreijahresfrist) einen endgültigen Festsetzungsbescheid erhalten.
Sie haben unmittelbar nach Erhalt Widerspruch eingelegt und den Steuerbescheid beigefügt.
Damit liegt zugleich ein Antrag auf Neufestsetzung innerhalb der Zwölfmonatsfrist vor.
Folglich muss die Krankenkasse die Beiträge neu festsetzen – und zwar anhand Ihrer tatsächlichen Einkünfte aus dem Steuerbescheid 2021.
Eine Prüfung oder Glaubhaftmachung fehlenden Verschuldens ist nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr erforderlich.rn