Enteignung eines Internet-Unternehmers

5. März 2008 19:28 |
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Internetrecht, Computerrecht


Beantwortet von

Meine Fragen beziehen sich auf folgende Fallgestaltung:

Ein durch die Gesundheitsreform angeschlagener Taxi- und Mietwagenunternehmer will sich ein neues wirtschaftliches Standbein im Internet errichten.

Mit der Realisierung beauftragt er einen arbeitslosen Ingenieur, der sein ALG II mit freiberuflichen Einnahmen aufbessert und gelegentlich als Fahrer für ihn arbeitet.

Der Ingenieur programmiert den Content der Website zunächst so, dass das Impressum den Unternehmer als alleinigen Betreiber ausweist, lässt aber - vereinbarungswidrig - die Domain auf seinen eigenen Namen registrieren.

Um das erfolgversprechende Projekt nicht an Domainstreitigkeiten scheitern zu lassen, einigen sich beide darauf, erst einmal weiterzumachen. Der Programmierer verspricht, die Domain später auf eine gemeinsame Betreibergesellschaft zu übertragen, die dann auch im Impressum erscheinen soll.

Da die begrenzte Liquidität des Unternehmers durch ein angeblich kurzfristig rückzahlbares Überbrückungsdarlehen an den Ingenieur geschädigt wurde, müssen für die Betreibergesellschaft Mitinvestoren gesucht werden.

Von drei Interessenten trägt der Domaininhaber nach einigem Hin und Her den seriösesten als alleinigen Betreiber ins Impressum ein und sperrt dem Unternehmensgründer die Zugriffsrechte für das Content Management. Die Zahlungen der User werden auf das Konto des neuen Betreibers geleitet.

Allerdings verspricht auch der neue Betreiber dem Unternehmensgründer, ihn später an einer gemeinsamen Betreiberkörperschaft zu beteiligen, auf die dann auch das Einnahmenkonto übertragen werden soll.

Ein Jahr später ist diese Absicht gescheitert. Der Fahrdienst ist abgewickelt und insolvent. Sämtliche Einnahmen aus der Website haben der neue Betreiber und der Programmierer unter sich aufgeteilt, ohne den Unternehmensgründer zu beteiligen.

Um das ungedeihliche Miteinander aufzulösen, bietet der Programmierer seine Domainrechte alternativ sowohl dem Unternehmensgründer als auch seinem Rechtsnachfolger für 10.000 Euro zum Kauf an.

Da der neue Betreiber allein über die Einnahmen aus der Website verfügt, kann er in der Folgezeit - im Gegensatz zum Unternehmensgründer - ohne Schwierigkeiten diesen Preis begleichen und so die Domain erwerben.

Statt der in Aussicht gestellten Beteiligung bietet er seinem Vorgänger nunmehr nur noch an, ihm eine Entschädigung für seine Aufbauleistung zu zahlen.

Der Unternehmensgründer erklärt sich bereit, über dieses Angebot nachzudenken, allerdings unter der Voraussetzung, dass seine Aufbauleistung im Wert des von ihm in eine Marktlücke hinein gegründeten Unternehmens besteht.

Er setzt seinem "Rechtsnachfolger" eine Frist, ihm auf dieser Grundlage ein beziffertes Angebot zu unterbreiten und droht ihm andernfalls mit einer Restitutionsklage, die die seiner Meinung nach illegale Enteignung rückgängig machen soll.

Hätte er mit einer solchen Klage Aussicht auf Erfolg? Wovon hängt das ggf. ab? Wie und gegen wen müsste der Kläger vorgehen?
5. März 2008 | 22:32

Antwort

von


(448)
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Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich im Rahmen Ihrer Angaben wie folgt summarisch beantworten darf.

Dabei gehe ich davon aus, dass es, mangels Ihrer Angaben, keine separaten, insbesonderen schriftlichen Vereinbarungen zwischen Ihnen und den anderen beiden Parteien (Programmierer und neuer Betreiber) gab. Mithin kommen dann die gesetzlichen Vorschriften über die Gesellschaft gem. §§ 705 BGB zur Anwendung.

Danach haben Sie, auch ohne ausdrückliche Vereinbarung eine Gesellschaft zur Betreibung des Unternehmens gegründet. Wesen dieser Gesellschaft sind der gerade gemeinsame Zweck und eine konstitutive Förderungspflicht.

Aufgrund dieses Gesellschaftsverhältnisses stehen Ihnen bestimmte Ansprüche nach den § 705ff. BGB zu. Hierunter fallen Informationsrechte ggü. den anderen Gesellschaftern und eine Beteiligung am Gewinn bzw. Verlust (§ 722 BGB). Darüber sieht das Gesetz die sog. Treuepflicht vor.

Die Treuepflicht gegenüber den anderen Gesellschaftern besteht jedoch nur soweit, als das aus dem Gesellschaftszweck und der Zusammenarbeit der Gesellschafter zu folgern ist. Wird diese verletzt entstehen möglicherweise Schadenersatzansprüche, wie in Ihrem Fall.

Diese können individueller Natur sein (Individualanspruch). Hierher gehören Ansprüche aus der Verletzung des Gesellschaftsvertrags durch einzelne (auch geschäftsführende) Gesellschafter, bei denen die Handlung des Gesellschafters nicht die Gesellschaft insgesamt, sondern nur einen anderen Gesellschafter schädigt. Schädigt ein Gesellschafter, auch ein geschäftsführender Gesellschafter, durch Verletzung seiner Gesellschafterpflichten einen Mitgesellschafter, so kann dieser den Schädiger unmittelbar auf Leistung von Schadensersatz an sich in Anspruch nehmen. Soweit allerdings durch die Handlung der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, der sich über die Gewinnbeteiligung oder bei der Auseinandersetzung auch auf die übrigen Gesellschafter auswirkt, besteht kein Anspruch des mittelbar geschädigten einzelnen Gesellschafters auf Schadensersatz an ihn. Ein solcher Anspruch wäre mit der Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft unvereinbar. Soweit aber durch eine Handlung eines Gesellschafters den Mitgesellschaftern allein, ohne gleichzeitige Schädigung der Gesellschaft, ein Schaden entsteht, stehen ihnen Ansprüche auf Leistung von Schadensersatz an sich zu. Ein solcher Anspruch gegen einen anderen Gesellschafter kann z.B. entstehen durch die Veranlassung des rechtswidrigen Ausschlusses eines Gesellschafters; - also genau in Ihrem Fall - allerdings soll der Schadensersatzanspruch ausschließlich gegen die Gesellschafter bestehen, die dem Ausschluss zugestimmt haben. Meist wird aber die Gesellschaft geschädigt sein, sodass ein Sozialanspruch der Gesellschaft gegen den schädigenden Gesellschafter vorliegt. (juris-pk)

Sofern Sie eine Klage anstreben, müssen Sie die Anspruchsvoraussetzungen und den Schaden beweisen. Dies beginnt bereits dabei, dass Sie nachweisen müssen, dass es überhaupt solche Absprachen und Aufträge zwischen Ihnen und den anderen beiden Personen gab.

Anspruchsgegner dürfte in erster Linie der Programmierer sein, da dieser wohl alle Fäden in der Hand hatte und Ihren „Ausschluss“ auch zu verantworten hat. Nur wenn der neue Betreiber von Ihrer Anwesenheit als Mitgesellschafter Kenntnis hatte, könnte sich gegen ihn ebenfalls ein entsprechender Schadenersatzanspruch richten.

Der Schaden müsste durch Sie beziffert werden, können Sie dies nicht ohne weiteres besteht ein Auskunftsanspruch gegen die einzelnen Gesellschafter. GGf. müssen Sie auch hier Ihren Vortrag erneut unter Beweis stellen.

Das außergerichtliche Vorgehen ist soweit richtig. Fruchtet dieses nicht, würde nur der Klageweg bleiben.

Ich hoffe, Ihre Fragen vorerst hilfreich beantwortet zu haben und stehe Ihnen gerne weiterhin zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Christian Joachim
-Rechtsanwalt-

www.stracke-und-collegen.com


Rechtsanwalt Christian Joachim

Rückfrage vom Fragesteller 6. März 2008 | 13:56

Sehr geehrter Herr Joachim,

vielen Dank für die prompte und nahezu ausführliche Beantwortung!

So, wie die Frage gestellt war - Stichwort "Restitutionsklage" - hatte ich sie selbst freilich mehr auf den dinglichen als auf den vermögensrechtlichen Aspekt bezogen.

Eine Internetdomain ist m.E. so etwas wie virtuelles Grundstück. Sie gestattet dem Eigentümer, im Rahmen geltenden Rechtes über eine Präsens in der virtuellen Welt autonom zu verfügen (wozu auch gehört, dieses Verfügungsrecht bedingt Dritten abzutreten).

Da (nach der obigen Darstellung) der Zweck der Gesellschaft allein auf das gewerbliche Betreiben einer bestimmten Website gerichtet war, ist die Klärung des Verfügungsrecht über Domain und Content eine der Schlüsselfragen dieses Falles (neben dem Gesellschaftsrecht als solchem).

Und das um so mehr, als es nur mittels der Domainrechte dem Programmierer gelang, Gesellschafter nach seinem Belieben auszuschließen oder mithinzunehmen.

Die von Ihnen erwähnten "Fäden" hatte er (laut obiger Dartstellung) nur durch die treuewidrige Anmeldung der Domain allein auf seinen Namen in die Hand bekommen. Damit verschaffte er sich treuewidrig Handlungsvorteile, die er später bei der Aufteilung der Einnahmen und beim Verkauf der Domain mit fast fünfstelligem Gewinn in handfeste Vermögensvorteile ummünzen konnte.

Deshalb stellt sich vorliegend abseits vom Gesellschaftsrecht auch die Frage nach der Anfechtbarkeit der Domainregistrierung sowie nach der Anfechtbarkeit ihres späteren Verkaufs an einen Dritten.

Wären unter den beschriebenen Voraussetzungen an der Domain Eigentumsansprüche im Klagewege durchsetzbar oder wurde vom Programmierer mit der treuewidrigen Registrierung eine rechtlich nicht anfechtbare, vollendete Tatsache geschaffen?

Für den Verkauf der Domain unterstellt die obige Falldarstellung dabei übrigens den bösgläubigen Erwerb - die Angabe, dass der neue Betreiber dem Unternehmensgründer eine Beteiligung an einer Betreiberkörperschaft versprach, heißt ja, er wusste von seiner Existenz und seinen Ansprüchen.

Wenn Sie auf diesen m.E. auch strategisch enorm wichtigen Aspekt des Falles noch eingehen könnten, wäre ich dankbar.

Falls dieses Nachfragen aber den Rahmen des Zulässigen sprengt, wäre ich auch bereit, daraus noch mal eine eigenständige Frage für das Forum machen.

Herzliche Grüße

der Fragesteller

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 10. März 2008 | 11:11


Sehr geehrter Fragesteller

Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Nachfrage.

zunächst ist festzuhalten, dass das Recht an einer Internetdomain nach herrschender Auffassung als Eigentumsrecht betrachtet wird. Dies hat zuletzt der europäische Gerichtshof für Menschenrechte und zuvor auch der Bundesgerichtshof festgestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 14.11.2004 folgendes festgestellt:
a) Die Beschwerdeführerin kann zwar geltend machen, in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen zu sein, weil ihr aus dem Vertragsschluss mit der DENIC e.G. folgendes Nutzungsrecht an der Domain eine eigentumsfähige Position in diesem Sinne darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehören zum Eigentum nach Art. 14 GG auch die auf dem Abschluss von Verträgen beruhenden, obligatorischen Forderungen. Schuldrechtliche Ansprüche sind zwar nur gegen den jeweiligen Vertragspartner gerichtet, jedoch dem For¬derungsinhaber ebenso ausschließlich zugewiesen wie Eigentum an einer Sache (vgl. zum Beispiel BVerfGE 45, 142 <179>).
Entgegen vereinzelten Literaturstimmen (Koos, MMR 2004, S. 359 <360 ff.>; wohl auch Fezer, Markenrecht, 3. Aufl. 2001, 3 Rn. 301) erwirbt der Inhaber hingegen weder das Eigentum an der Internet-Adresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem Imma¬terialgüterrecht verdinglicht wäre. Vielmehr erhält er als Ge¬genleistung für die an die DENIC e.G. zu zahlende Vergütung das Recht, für seine IP-Adresse eine bestimmte Domain zu verwenden - und damit ein relativ wirkendes, vertragliches Nutzungsrecht, wobei die unbestimmte Vertragsdauer verbunden mit den vorgese¬henen Kündigungsmöglichkeiten auf den Charakter des Rechtsver¬hältnisses als Dauerschuldverhältnis hinweisen (vgl. Viefhus, MMR 2000, S. 286 <287>; Kort, DB 2001, S. 249 <254>; Kaze¬mi/Leopold, MMR 2004, S. 287 <290>; Nowrot, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz von Internet-Domains, 2002, S. 9). Dieses Nutzungsrecht stellt einen rechtlich geschützten Vermögenswert dar (vgl. Plaß, WRP 2000, S. 1077 <1079>; Viefhus, aaO; Kazemi/Leopold, aaO; Nowrot, aa0 S. 14). Es ist dem Inhaber der Domain ebenso ausschließlich zugewiesen wie Eigentum an einer Sache. Die Berechtigung der DENIC e.G., den Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, steht der Qualifizierung des vertraglichen Nutzungsanspruchs als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum nicht entgegen (vgl. BVerfGE 89, 1 <7> zum Besitzrecht des Mieters), sondern begrenzt lediglich den Umfang des Rechts (vgl. BGHZ 123, 166 <169>).
Danach ist grundsätzlich derjenige, auf den die Internetdomain registriert ist, als Inhaber einer eigentumsähnlichen Position anzusehen.

Sodann wäre zu untersuchen, ob er dieses Eigentumsrecht rechtswidrig erlangt hat. Dieses dürfte sich nach dem von Ihnen bereits vorgetragenen nur dann ergeben, wenn er ausweislich gegen Beschlüsse der Gesellschaft gehandelt hat, die vorgesehen haben, dass z.B. die Gesellschaft oder ein Dritter als Eigentümer registriert werden würden.

Schwierig ist es in diesen Fällen grundsätzlich immer, dies nachzuweisen. Darüber hinaus wirkt dieses Eigentumsrecht zunächst absolut, das heißt jegliche dritten Personen sind auch mit Einwendungen ausgeschlossen, weil eine Eigentumsvermutung auch hinsichtlich des korrekten Eigentumserwerbs besteht.

Ein zweiter Weg, der hier aber wohl wenig Erfolg versprechend wäre, ist die Anfechtung aufgrund des Namensrechtes oder eines anderen Rechtes (Markenrecht etc.). Hierzu müssten Sie jedoch ein solches Recht innehaben.

Insgesamt dürfte es daher darauf ankommen, welche Absprachen, möglichst beweisfähig, vorgenommen worden sind. Nur wenn sich hieraus ergibt, dass die Internetdomain entgegen von Gesellschaftsabsprachen auf einen anderen Namen registriert worden ist, könnte sich hieraus ein entsprechender Anspruch auf Rückübertragung ergeben. Ansonsten bleiben sie bei den bereits oben genannten, sicherlich schwer bezifferbaren und nachweisbaren Schadenersatzforderungen stehen.

Gerne können Sie mich in der Angelegenheit auch in der E-Mail beziehungsweise über die oben genannten Kontaktinformationen konsultieren, um mir weitere Details und gegebenenfalls auch eine weitere Beauftragung mitzuteilen.

Bis dahin verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Christian Joachim
-Rechtsanwalt-

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