Duldung Grenzüberbauung

| 15. August 2013 11:06 |
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Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von

Wir nützen ein (sicherlich über 50 Jahre altes) Werkstattgebäude, welches uns gehört, der Grund und Boden aber der Stadt. Das Nachbargrundstück wurde verkauft. Der neue Eigentümer hat im Zuge der Planung und Erstellung der Unterlagen für die Baugenehmigung eine Vermessung der Grundstücksgrenzen veranlaßt. Unser Werkstattgebäude ist Teil eines (zu eben diesem Nachbarn) grenzüberscheitenden Gebäudes. Die Gebäudeteile sind durch eine einschalige Mauer getrennt. Der Teil des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück ist leerstehend und abbruchreif. Der Nachbar will dieses Gebäude abbrechen.
Bei der Vermessung stellte sich heraus, daß die vorgenannte, ca. 12 m lange Trennmauer zwischen ca.10 und ca. 50 cm auf dem Grundstück dieses Nachbarn steht. (Die Grundstücksgrenze läuft schräg durch die Längsachse die Wand). Der Nachbar hat uns nun aufgefordert, die Wand zu versetzten, damit er die Bestandswand dann abbrechen kann, welche nach seiner Auffasung ihm gehört. Auf meinen Einwand der Duldungspflicht nach Paragraf 912 (1) BGB wurde mir erwidert, das dieser Paragraf nicht zur Anwendung kommen kann, da ich nicht Eigentümer des Grundstückes sei und auch nicht selbst (oder mein Rechtsvorgänger) über die Grenze gebaut habe, sondern daß die vorhandene Bebauung durch ihn (bzw. natürlich hier ebenfalls seinen Rechtsvorgänger) vorgenommen wurde. Kann dies ein gültiger Einwand gegen die Duldungspflicht nach 912 BGB sein? Ob das Grundstück geteilt wurde, nachdem die Bebauung schon vorhanden war, oder ob das Gebäude über diese schon bestehende Grundstücksgrenze hinweg erreichtet wurde, ist mir nicht bekannt. Könnte dies von Belang sein?
15. August 2013 | 13:08

Antwort

von


(569)
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Sehr geehrter Fragesteller,

zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage.

Eigentümer des Werkstattgebäudes ist die Stadt als Eigentümer des Grundstückes ( §§ 946,94 BGB). Sie sind lediglich Besitzer des Werkstattgebäudes, auch wenn es Ihnen „ gehört".

Nach dem Wortlaut des § 912 BGB muss die Errichtung des Überbaus durch den Eigentümer erfolgen. Wenn, wie in Ihrem Fall, der Überbau durch die Bauausführung des Besitzers erfolgte, dann ist § 912 BGB in der Tat nicht anwendbar.

Jedoch kann der Eigentümer, also die Stadt, sich in entsprechender Anwendung der §§ 184, 185 BGB mit dem Grenzüberbau des Besitzers einverstanden erklären. Diese Einverständniserklärung hat dann zur Folge, dass rechtlich ein Überbau des Eigentümers i .S. d. § 912 BGB vorliegt( (BGHZ 15, 215,216).

In Ihrem Fall bedeutet dies, dass Sie sich mit der Stadt in Verbindung setzen müssen bezüglich des Überbau. Wenn die Stadt sich alsdann mit dem Grenzüberbau einverstanden erklärt, der seinerzeit von Ihnen unverschuldet erfolgte, dann können Sie mithilfe dieser Einverständniserklärung gegenüber Ihrem Nachbarn das Recht aus § 912 BGB auf Duldung des Überbaus geltend machen.

Mit freundlichem Gruß

Peter Dratwa
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 15. August 2013 | 14:00

Hallo Herr Dratwa, erst mal vielen Dank für die schnelle Antwort. Die Materie ist wohl doch nicht ganz so unkompliziert wie ich zunächst dachte. Einen Punkt habe ich in der Fragestellung wohl nicht richtig herausgearbeitet. Es gibt hier in den neuen Bundesländern wohl doch noch die Möglichkeit, daß das Eigentümer von Grund und Boden und aufstehenden Gebäuden nicht die gleichen Personen sind. Grundlage hierfür ist wohl das Sachenrechtsbereinigungsgestzt. So scheint das bei uns zu sein. Wir sind die Eigentümer des Gebäudes (nicht nur Besitzer) und die Stadt ist Eigentümer des Grundstückes.

In Ihrer Antwort scheiben Sie, daß der Grenzüberbau seinerzeit durch mich erfolgte, ich hatte aber in meiner Frage ausgeführt, daß dies aus meiner Sicht nicht zu klären sei, da das Gebäude schon über 50 Jahre alt ist. Ich wollte wissen, ob der Einwand des Grundstücksnachbarn, "er" bzw. sein Rechtsvorgänger habe die betreffende Mauer gebaut relevant ist.

Ich habe den Eindruck Ihre Antwort geht ein bischen an der Fragestellung vorbei. Vielleicht können Sie nochmal draufschauen.

Vielen Dank im Voraus

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 16. August 2013 | 12:16

Sehr geehrter Fragesteller,

wenn Ihr Nachbar behauptet, er oder sein Rechtsvorgänger habe die Nachbarwand selbst gebaut hat, dann kommt eine Anwendung des § 912 BGB überhaupt nicht in Betracht. Denn dies setzt voraus, dass der Eigentümer des Nachbargrundstückes bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat.

Wenn aber der Nachbar oder sein Rechtsvorgänger, dessen Handlungen er sich zurechnen lassen muss, die Mauer selbst errichtet hat, dann kann er nicht nach 50 Jahren plötzlich deren Abriss von Ihnen verlangen, weil die Wand ca. 10 cm bis 50 cm auf seinem Grundstück ragt. Hier hat der Nachbar oder sein Rechtsvorgänger selbst grob fahrlässig beim Bau der Nachbarwand gehandelt. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt immer eine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn beim Grenzbau kein Vermessungsingenieur hinzugezogen wird und es anschließend zu einem Überbau kommt.

Dies und der erhebliche Zeitablauf führt meines Erachtens dazu, dass der Nachbar die Wand dulden muss und eine Versetzung ausgeschlossen ist. Letztlich kann auch eine Zustimmung des Nachbarn zum Überbau unterstellt werden, wenn er oder sein Rechtsvorgänger die Nachbarwand selbst gesetzt hat.


Ohnehin ist der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB verjährt. Das Werkstattgebäude steht seit 50 Jahren. Die absolute Verjährungsfrist beträgt 10 Jahren, deie bereits das ZGB kannte. Und zwar verjährte der Anspruch auf Beseitigung der schädigenden Handlung nach § 475 Nr. 2 Satz 2 ZGB 10 Jahre nach Vollendung der schädigenden Handlung für alle Ansprüche.

Demnach kann Ihr Nachbar die Beseitigung aufgrund des langen Zeitablaufs nicht mehr verlangen. Dem Beseitigungsanspruch können Sie, außer der Argumentation, dass der Nachbar oder sein Rechtsvorgänger die Nachbarwand selbst gesetzt hat, demnach also von einem Einverständnis hinsichtlich der Tatsache, dass die Wand teilweise zu viel auf seinem Grundstück ragt, auszugehen ist, also auch die Einrede der Verjährung entgegenhalten.


Letztlich erlaube ich mir noch auf Folgendes hinzuweisen:


Ihr Einwand, dass Sie möglicherweise Eigentümer des Gebäudes nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geworden sind , greift nicht.

Der Sinn und Zweck des Sachenrechtbereinigungsgesetz ist die Neuregelung und Anpassung der Rechtsverhältnisse aus der ehemaligen DDR an das Rechtssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches und seiner Nebengesetze.

Der Grundstücknutzer kann vom Grundstückseigentümer gegen eine Entschädigung den Abschluss eines Vertrages über die Bestellung eines Erbbaurechtes ( § 32 SachenRBerG) oder den Abschluss eines Kaufvertrages verlangen kann, somit eine Anpassung der Nutzung in den rechtlichen Rahmen des BGB.

Ich nehme an, dass dieser Anspruch von Ihnen gegenüber der Stadt nicht geltend gemacht wurde und somit es dabei verbleibt, dass Sie kein Eigentümer des Werkstattgebäudes i.S.d. BGB sind, auch wenn Sie es nach den Rechtsverhältnissen der ehemaligen DDR waren. Im Übrigen konnten derartige Ansprüche nur bis zum 31.12.2011 ausgeübt werden.



Bewertung des Fragestellers 19. August 2013 | 08:57

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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 19. August 2013
5/5.0

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