Berufsunfähigkeitsversicherung, Vorladung zum Gutachten (29.5), Wie vorgehen ?

26. Mai 2024 15:12 |
Preis: 85,00 € |

Versicherungsrecht, Privatversicherungsrecht


Beantwortet von


11:24

Zusammenfassung

Geben Sie stets korrekte Angaben im BU-Antrag. Dokumentieren Sie Bemühungen zur Genesung. Bereiten Sie sich mit Krankheitsübersicht, Arztberichten und Tätigkeitsbeschreibungen vor. Unstimmigkeiten im Antrag können durch Krankheit erklärt werden.

Guten Tag,

ich habe ein paar etwas dringliche Fragen für den Bereich Versicherungsrecht, Teilbereich Berufsunfähigkeitsversicherung/Gutachten durch Versicherer

Ich konnte meine Ausbildung zum Pflegefachmann unter anderem aufgrund Depressionen, Angstzuständen und einer starken Persönlichkeitsstörung nicht erfolgreich abschließen.

Es sind die ersten beiden Ausbildungsjahre erfolgreich beendet worden, wobei ich im zweiten Lehrjahr schon stationär behandelt werden musste.

Darauf hin hat sich mein Zustand soweit wieder stabilisiert, dass das 2 Lehrjahr erfolgreich beendet wurde.

Im dritten Lehrjahr waren die Depressionen so stark, sodass ich kurz nach Beginn (Oktober 2022) das komplette Lehrjahr krankgeschrieben war mit 2 weiteren Klinikaufenhalten.
Seitdem bin ich auch ununterbrochen krank geschrieben

Das Ausbildungsverhältnis ist daher ausgelaufen. (Sept 2023)

Im Okt 2023 habe ich daher einen Leistungsantrag auf BU gestellt.

Nach einer längerer Zeit des Wartens und nachreichen von Unterlagen ( Ich muss zugeben das mein Fall etwas unübersichtlich ist da viele Klinikaufenhalte und Arztbesuche ), wurde ich nun am 29.5
von meiner Berufsunfähigkeitsversicherung zu einer Begutachtung vorgeladen. Der BU-Vertrag läuft übrigens schon seit über 10 Jahren.

Nun zu meinen Fragen:

1. Ich habe schon eine längere Krankheitsgeschichte hinter mir, auch schon vor Beginn der Ausbildung. Kann die Versicherung beziehungsweise der Gutachter dies als fahrlässig verursachte Verschlechterung meiner Gesundheit sehen, da ich vor der Ausbildung schon wegen Depressionen in der Behandlung war und ich hätte wissen müssen, das eine solche Ausbildung in der Pflege mit Vorerkrankungen leichtsinnig ist zu beginnen? Ich habe ein Schreiben eines
Arztes, der mir die körperliche und geistige Fähigkeit attestiert diese Ausbildung anzugehen

2. Ist es eher gut oder schlecht dem Gutachter darzulegen, dass man alles versucht hat, mit zb. Einhame von Medikamenten, Psychotherapie, Selbsthilfegruppen die Ausbildung erfolgreich abzuschließen ? Es wurde sozusagen, alles versucht um einen Abbruch abzuwenden.

3. Was wäre die die sinnvollste Vorbereitung auf das Gutachten ? Können Sie mir irgendwelche Tipps geben ? Eine genaue Tätigkeitsbeschreibung in der Ausbildung ist ja schwierig, da die Bereiche ständig wechseln, daher habe ich nur einen Teilbereich als Beispiel hergenommen.
(an gesunden Tagen). In meinen jetzigen Zustand, kann ich aufgrund der schwere der Krankheit nur einfache Tätigkeiten verrichten ohne Zeitdruck, Schichtarbeit und Prüfungsstress

4. Ich habe in der Zwischenzeit eine befristete Arbeitsmarktrente und eine 50% Schwerbehinderung (laut. Gutachter des Gerichts) erhalten. Dazu war ich gerade auf einer Reha bei der ich Arbeitsunfähig entlassen wurde. Auch wurde durch ein Gericht ein Betreuer beantragt. (Alltagsbewältigung allein nicht möglich) Wirkt sich das positiv auf das Gutachtergespräch auf ?

5. Da ich fast alleine den Antrag stellen musste sind aufgrund meines Zustandes bestimmt Fehler
unterlaufen. Auch war wenig Struktur bei der Übermittlung der Unterlagen vorhanden. Wenn der
Gutachter mich auf Unstimmigkeiten anspricht, kann man dann seine Krankheit als Begründung
nehmen, oder wäre dies eher negativ ? Ich habe ja nachweislich (In Arztberichten bestätigt)
extreme Probleme mit Anträgen und Einholen von Hilfe.


Für die Beantwortung schon einmal ein herzliches Dankeschön
26. Mai 2024 | 15:46

Antwort

von


(87)
Hachelallee 88
75179 Pforzheim
Tel: 07231/1331993-0
Web: https://www.kanzlei-steenberg.de
E-Mail: mail@steenberg.de
Guten Tag,

vielen Dank für Ihre ausführliche Schilderung. Ich werde Ihre Fragen der Reihe nach beantworten und Ihnen einige Tipps für das bevorstehende Gutachten geben.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung den Versicherungsschutz nicht allein deshalb verweigern darf, weil Sie bereits vor Beginn der Ausbildung an Depressionen litten und dennoch die Ausbildung begonnen haben. [b]Entscheidend ist, ob Sie bei Antragstellung der Versicherung alle Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet haben. [/b] Es kann sehr gut sein, dass - wenn es auch nur den geringsten Zweifel gibt - die Versicherung den gesamten Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtet. In diesem Fall müsste die Versicherung keine Leistungen erbringen.

Das ärztliche Attest, das Ihnen die Fähigkeit zur Ausbildung bescheinigt, ist hier sicherlich hilfreich. Es ist auf jeden Fall positiv, dem Gutachter zu schildern, dass Sie alles unternommen haben, um die Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Dies zeigt Ihre Motivation und Ihren Willen, trotz der Erkrankung arbeitsfähig zu bleiben. Betonen Sie ruhig, welche Anstrengungen Sie diesbezüglich unternommen haben.

Für die Vorbereitung auf das Gutachten empfehle ich Ihnen, eine [b]möglichst genaue Beschreibung Ihrer Tätigkeiten und Anforderungen[/b] in der Ausbildung anzufertigen, soweit dies möglich ist. Schildern Sie, welche konkreten [b]Einschränkungen [/b]Sie aufgrund Ihrer Erkrankungen bei der Ausübung dieser Tätigkeiten haben. Legen Sie dem Gutachter aussagekräftige [b]Befunde [/b]vor, die Ihre Erkrankungen und Beeinträchtigungen belegen. Bleiben Sie in dem Gespräch sachlich und schildern Sie Ihre Beschwerden ohne zu übertreiben.

Die Gewährung einer befristeten Erwerbsminderungsrente, der Grad der Behinderung und die Notwendigkeit einer Betreuung sind starke Indizien für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit. Legen Sie die entsprechenden Bescheide unbedingt dem Gutachter vor. Auch die Reha-Entlassung als arbeitsunfähig spricht für Sie.

Weisen Sie den Gutachter ruhig darauf hin, dass Ihnen aufgrund Ihrer Erkrankung möglicherweise Fehler bei der Antragstellung unterlaufen sind und Sie Schwierigkeiten hatten, die Unterlagen zu beschaffen. Durch die in den Arztberichten bestätigten Probleme ist dies nachvollziehbar und sollte Ihnen nicht negativ ausgelegt werden. Insgesamt rate ich Ihnen, offen und ehrlich mit dem Gutachter über Ihre gesundheitlichen Probleme zu sprechen. Scheuen Sie sich nicht, auch die Auswirkungen auf Ihr Alltagsleben zu schildern. Je nachvollziehbarer Sie Ihre Situation darstellen können, desto besser kann der Gutachter sich ein Bild machen.

Bitte beachten Sie, dass das Gutachten nicht erst im Zimmer des Gutachters beginnt. Viele Gutachter beobachten bereits, wie die Probanten zu Ihnen gelangen (steigt fit aus dem Auto auf dem Parkplatz hinter der Praxis aus und beginnt dann in der Praxis zu humpeln etc.).

Bitte beachten Sie auch, dass leider sehr viele Streitigkeiten um Berufsunfähigkeitsversicherungen gerichtlich geklärt werden müssen. Eine BU ist eine der teuersten Verschicherungsfälle bei den Individualversicherungen und die Versicherungen versuchen - wo es nur geht - eine Haftung abzulehnen. Ich kann Ihnen daher nur dazu raten, frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (idealerweise bereits bei der Antragstellung, der Drops ist nun aber gelutscht, machen Sie sich daher keine Vorwürfe, dennoch ist es aus meiner Erfahrung wirklich sinnvoll, frühzeitig die Kommunikation in anwaltliche Hände zu geben ("ein Anwalt kostet Geld, kein Anwalt kostet mehr Geld").

Ich wünsche Ihnen für die Begutachtung alles Gute!

Es grüßt Sie freundlich

Jan Gregor Steenberg, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz


Rechtsanwalt Jan Gregor Steenberg, LL.M.
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Gewerblicher Rechtsschutz, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rückfrage vom Fragesteller 28. Mai 2024 | 11:14

Danke für die ausführliche Antwort.

Eine Frage hätte ich noch.

Es wurde bei der Frage nach der letzten beruflichen ausgeübten Tätigkeit an gesunden Tagen etwas anderes angegeben als die Ausbildung,, weil ich dachte es ist hier nicht eine Ausbildung gemeint. Ich habe also den letzten Beruf vor der Ausbildung angegeben. Alle weiteren Tätigkeitsbeschreibungen bezogen sich aber auf die Ausbildung.

Wie sehen Sie die Chancen an, dies glaubhaft dem Gutachter/Versicherung darzulegen?
Oder ist dies ein Fehler der nicht mehr korrigierbar ist ?



Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 28. Mai 2024 | 11:24

Teilen Sie dies bitte sowohl dem Gutachter als auch der Versicherung mit und führen Sie aus, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Beste Grüße und alles Gute morgen.

Jan Gregor Steenberg

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