Balkon od. Terrasse in die Mietflächenberechnung einbeziehen

5. Februar 2023 10:14 |
Preis: 52,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Hallo,

ich möchte ein Haus (Baujahr 1979) mit drei Wohneinheiten nach einer Kernsanierung vermieten. Das Haus steht in 65343 Eltville.

Frage: mit welcher Fläche darf ich den Balkon/Terrasse in den Mietvertrag mit aufnehmen als Mietfläche?

Mit 50% oder 25 %?
5. Februar 2023 | 11:07

Antwort

von


(849)
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65201 Wiesbaden
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Sehr geehrte/r Fragesteller7in,

gemäß § 4 Nr. 4 der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche (Wohnflächenverordnung - WoFlV) kann eine Anrechnung sowohl zu 25 %, als auch zu 50 % erfolgen.

[quote]§ 4 Anrechnung der Grundflächen
Die Grundflächen
1. von Räumen und Raumteilen mit einer lichten Höhe von mindestens zwei Metern sind vollständig,
2. von Räumen und Raumteilen mit einer lichten Höhe von mindestens einem Meter und weniger als zwei Metern sind zur Hälfte,
3. von unbeheizbaren Wintergärten, Schwimmbädern und ähnlichen nach allen Seiten geschlossenen Räumen sind zur Hälfte,
[b]4. von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen sind in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte
anzurechnen.[/b][/quote]

Die Rechtsprechung hierzu ist leider nicht besonders ausgeprägt, im Wesentlichen wir hier darauf abgestellt, wie hochwertig und von welchem Wohnwert die Flächen sind, siehe Landgericht Berlin, Urteil vom 17.01.2018 - 18 S 308/13:

[quote]Die Wohnfläche beträgt demgegenüber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme tatsächlich lediglich 84,01 m². Davon entfallen nach dem Aufmaß der Sachverständigen (vgl. Bl. I/128 d. A.) auf den umbauten Raum 76,27 m², [b]auf den hofseitigen Balkon[/b] 5,78 m² (entsprechend[b] 50 %[/b] der Grundfläche) und auf den [b]straßenseitigen Balkon[/b] 1,96 m² (entsprechend [b]25 %[/b] der Grundfläche). Zwischen den Parteien streitig ist nur noch, ob die Grundfläche des straßenseitigen Balkons entsprechend § 4 Nr. 4 WoFlVO höchstens zu einem Viertel oder deshalb zur Hälfte zu berücksichtigen ist, weil es bei der Wohnflächenermittlung in Berlin der örtlichen Verkehrsübung entspreche, Flächen von Balkonen und Terrassen zur Hälfte zu berücksichtigen.[/quote]

Es kommt also darauf an, wo sich die Fläche befindet und wie diese gestaltet ist.

Gleichzeitig hat der Gericht auch festgestellt, dass bei der Berechnung der Wohnfläche nicht einfach darauf abgestellt werden kann, was (bisher)übliche Praxis ist. Vielmehr muss die Annahme von 50% darauf zurückgehen, dass es sich tatsächlich um eine hochwertige Fläche mit besonderem Wohnwert handelt.

[quote][b]Die offenbar weit verbreitete Praxis, Balkonflächen bei der Wohnflächenberechnung regelmäßig zur Hälfte zu berücksichtigen, stellt sich mithin deshalb nicht als für die Mietvertragsauslegung beachtliche örtliche Verkehrssitte dar, weil sie nicht vom Willen der Marktteilnehmer getragen ist, die Wohnfläche nach einem Regelwerk zu ermitteln, das eine solche Anrechnung vorsieht.[/b] Die Umfrageteilnehmer haben nämlich ganz überwiegend angegeben, dass sie die Wohnflächenverordnung als anwendbar ansehen. Die gegenüber den übrigen Gruppen deutlich höhere Quote der Großvermieter, die die Balkonflächen tatsächlich nach Maßgabe von § 4 Nr. 4 WoFlVO behandeln, bestätigt nach Auffassung der Kammer, [b]dass eine abweichende Praxis auf bloßen Rechtsanwendungsfehlern beruht, die mit zunehmender Professionalität der Vermieter seltener werden[/b] und jedenfalls nicht von einer Vorstellung der Marktteilnehmer getragen sind, ein von der Wohnflächenverordnung abweichendes System der Wohnflächenermittlung oder die Wohnflächenverordnung in abgewandelter Form anzuwenden. Für diese Würdigung spricht auch, dass kein einziger Umfrageteilnehmer sich auf eine Berliner Verkehrssitte berufen hat, nach der Balkonflächen unabhängig von einem heranzuziehenden Regelwerk regelmäßig oder stets zur Hälfte zu berücksichtigen seien.
[/quote]

Aufgrund der Kernsanierung ist davon auszugehen, dass die Flächen in Ihrem Fall dem neusten Standard entsprechen. Soweit sich die Balkone bzw. Terasse dann in rückwärtiger Lage befinden wären 50% anzunehmen, bei einem Balkon in Straßenseite dann nur 25%, es sein denn es wäre hier ein gering genutzte Strasse. Um auf Nummer sicher zu gehen können Sie in dem Mietvertrag unter Besonderheiten/Ergänzungen am Ende einfach noch aufnehmen, dass die Flächen jeweils mit x % berechnet werden. Das Konfliktpotential ist dann gering, auch der Bundesgerichtshof hat hier entschieden, dass sich der Mieter darauf nicht berufen kann, wenn bei Unterzeichnung Einigkeit über die Flächenberechnung bestand, siehe VIII ZR 219/04 :

[quote]
Entsprach es bei Abschluss des Mietvertrages der übereinstimmenden Vorstellung
der Vertragsparteien, dass in der mit einer bestimmten Quadratmeterzahl angegebenen Wohnfläche die Dachterrasse der vermieteten Penthousewohnung zu einem
nicht näher bestimmten, nicht unerheblichen Anteil enthalten ist, so kann der Mieter
nicht im Nachhinein geltend machen, die vereinbarte Wohnfläche sei um mehr als
10 % unterschritten, weil die Terrassenfläche nach gesetzlichen Bestimmungen nur
mit einem Bruchteil von weniger als der Hälfte - des gesetzlichen Maximalwerts - als
Wohnfläche anzurechnen sei.[/quote]


Ich hoffe damit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag.


Mit freundlichen Grüßen,

RA Fabian Fricke


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