Auslegung eines Ehevertrags bei Berechnung des Endvermögens

| 2. Mai 2025 11:22 |
Preis: 60,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von


20:01
In unserem Ehevertrag steht die folgende Regelung zum Güterstand. Diese ist mir nicht ganz klar:

„Hinsichtlich des ehelichen Güterstandes soll es grundsätzlich beim gesetzlichen Güterstand verbleiben. Jedoch sollen […] das voreheliche Vermögen jedes Ehegatten, Ausstattungen, Schenkungen von dritter Seite und Erbschaften anlässlich des Zugewinns bei Beendigung der Ehe […], insbesondere im Scheidungsfalle, in keiner Weise berücksichtigt werden.

Diese Vermögensgegenstände sollen weder zur Berechnung des Anfangsvermögens noch des Endvermögens des jeweiligen Ehegatten hinzugezogen werden."

Auch Surrogate dieser aus dem Zugewinnausgleich herausgenommenen Gegenstände sollen nicht ausgleichspflichtiges Vermögen des betreffenden Ehegatten darstellen. Sie werden also bei der Berechnung des Endvermögens nicht berücksichtigt.

Erträge dieser vom Zugewinnausgleich ausgenommenen Vermögensgegenstände können auf diese Gegenstände verwendet werden, ohne dass dadurch für den anderen Ehegatten Ausgleichsansprüche entstehen."


Meine Fragen:

Angenommen ich hatte ein voreheliches Vermögen in Höhe von 100.000 EUR als Geld auf dem Konto.
Davon habe ich während der Ehe 80.000 EUR in eine Immobilie investiert und die übrigen 20.000 EUR für Hausrat, privaten Konsum, etc.

Im Vermögen zum Scheidungszeitpunkt habe ich ausschließlich die Immobilie mit einem aktuellen Wert von 150.000 EUR bei einem Kontostand von 0 EUR.

Wie berechne ich nun mein Endvermögen? Ich hätte jetzt gerechnet: 150.000 EUR (Immobilie) abzgl. 100.000 ausgeschlossenes Anfangsvermögen = 50.000 EUR. Wäre dies so korrekt?

Wird mein ausgeschlossenes Anfangsvermögen dann noch indexiert? Angenommen der Verbraucherpreisindex lag zu Beginn der Ehe bei 100 und ist jetzt bei 130. Dann würde ich insgesamt 100.000 EUR * 1,3 = 130.000 EUR im Endvermögen nicht berücksichtigen. Stimmt das so?

Da ich ja außerdem 80.000 EUR aus meinem Anfangsvermögen in die Immobilie investiert habe und diese einen Wertzuwachs während der Ehe erzielt hat, würde ich über die Surrogate-Regelung zusätzlich noch den Wertzuwachs im Endvermögen nicht berücksichtigen. Ist das so korrekt?
2. Mai 2025 | 11:51

Antwort

von


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Guten Tag,
ich möchte Ihre Anfrage auf der Grundlage der dazu mitgeteilten Informationen wie folgt beantworten:

Ihre Annahmen greifen zentrale Aspekte der Regelung im Ehevertrag zutreffend auf, enthalten aber einzelne Unklarheiten. Eine präzise juristische Einordnung ergibt Folgendes:

Die zitierte Klausel stellt klar, dass der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt, jedoch mit ausdrücklicher Modifikation dahingehend, dass bestimmte Vermögenswerte (voreheliches Vermögen, Erbschaften, Schenkungen, Ausstattungen und deren Surrogate) vollständig aus dem Zugewinnausgleich ausgeschlossen werden.

Diese Werte bleiben sowohl beim Anfangs- als auch beim Endvermögen unberücksichtigt.

Aus der gewählten Formulierung ... [i]in keiner Weise ...[/i] ist durch Auslegung abzuleiten, dass auch Surrogate (also umgewandelte oder ersetzende Vermögenswerte) und deren Erträge (Wertsteigerungen) unberücksichtigt bleiben sollen.

Eine Berechnung Ihres Beispieles, Voreheliches Barvermögen von 100.000 €, davon 80.000.- zum Immobilienerwerb verwendet und 20.000.- verbraucht, ergibt bei einem Zeitwert der Immobilie heute von 150.000.- folgendes Ergebnis:

Die Immobilie ist Surrogat des bei der Zugewinnberechnung ausgenommenen Anfangsvermögens (80.000 €).
Damit ist nicht nur der investierte Betrag, sondern auch der Wertzuwachs (70.000 €) aus dem Endvermögen auszunehmen.

Die restlichen 20.000 € wurden verbraucht; sie existieren nicht mehr und sind daher irrelevant.

Das Endvermögen beträgt rechnerisch:

150.000 € (Immobilie) – 150.000 € (vollständig als Surrogat ausgenommen) = 0 € berücksichtigungsfähiges Endvermögen im Zugewinnausgleich

Ihre Rechnung mit 150.000 € – 100.000 € = 50.000 € wäre im Kontext dieses Ehevertrags falsch, da die Klausel ausdrücklich auch Surrogate vom Zugewinnausgleich ausschließt.

3. Indexierung (Anpassung des Anfangsvermögens)
Nach § 1376 Abs. 2 BGB wird das Anfangsvermögen zum Schutz gegen Inflation indexiert. Dies gilt aber nur, wenn das Anfangsvermögen überhaupt in die Berechnung eingeht.

Da der Vertrag bestimmt, dass das Anfangsvermögen nicht in die Berechnung einbezogen wird, ist eine Indexierung hier gegenstandslos.

Kurz: Nein, eine Indexierung nach Verbraucherpreisindex findet in Ihrem Fall nicht statt.

4. Ergebnis
Das Anfangsvermögen (100.000 €) ist vollständig vom Zugewinn ausgeschlossen.
Die Immobilie ist ein voll ausgenommener Surrogatgegenstand, auch der Wertzuwachs bleibt außen vor.
Der tatsächliche Zugewinn beträgt daher 0 €, unabhängig von der Wertsteigerung.
Eine Indexierung findet nicht statt, da das Anfangsvermögen nicht in die Berechnung einbezogen wird.


Mit freundlichen Grüßen


Rückfrage vom Fragesteller 2. Mai 2025 | 19:36

Sehr geehrter Herr Otto,

herzlichen Dank für Ihre rasche Antwort. Eine Rückfrage hätte ich tatsächlich noch:

Die Immobilie habe ich ja erst während der Ehe (konkret: 5 Jahre nach der Eheschließung) gekauft. In diesen 5 Jahren gab es natürlich viel Bewegung auf meinem Girokonto: Einzahlungen durch Gehalt und auch alltägliche Ausgaben. Muss ich nun nachweisen, dass ich nach 5 Jahren die 80.000 EUR für die Immobilie aus meinem Anfangsvermögen gezahlt habe und nicht (zumindest teilweise) aus laufenden Einnahmen wie bspw. Gehalt? Es liegt ja alles "vermischt" auf einem einzigen Girokonto.

Anders formuliert:
Mein Anfangsvermögen von 100.000 EUR auf dem Girokonto war ja nicht „farblich markiert". Angenommen das wäre aber möglich: Mein Anfangsvermögen sei „rot" und Geld, das durch Gehalt jeden Monat reinkommt, sei „blau". Alles liegt auf einem einzigen Girokonto. Wie kann ich nach 5 Jahren nachweisen, dass ich die 80.000 EUR für die Immobilie mit meinem „roten" Geld gekauft habe und sie damit vom Zugewinn ausgeschlossen ist?

Mein Barvermögen am Scheidungstag ist ja auf Null. D.h. irgendwohin muss mein Anfangsvermögen ja geflossen sein...

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. Mai 2025 | 20:01

Guten Abend,

es muss das für die Immobilie verwendete Kapital nicht dem ursprünglichen Anfangsvermögen konkret zugeordnet werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass es sich um Surrogatvermögen handelt – also um eine wertmäßige Fortsetzung des Anfangsvermögens.
Sie sollten versuchen, die Kontenverläufe der ersten 5 Ehejahre zu rekonstruieren, um auf der sicheren Nachweisseite zu sein.

Mit freundlichen Grüßen

Bewertung des Fragestellers 9. Mai 2025 | 19:27

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