Antwort
vonRechtsanwalt Valentin Becker
Meisenweg 14
41239 Mönchengladbach
Tel: 06172 5953008
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Valentin-Becker-__l108658.html
E-Mail: fpb@braeuer-becker.com
Ihre strategische Planung des Übergangs in die vollständige Selbstständigkeit unter Nutzung des Arbeitslosengeldes I ist aus meiner Sicht grundsätzlich gut durchdacht und lässt sich umsetzen. Sollte die finanzielle Tragfähigkeit Ihrer vollständigen Selbstständigkeit wider Erwarten nicht ausreichen, können Sie grundsätzlich wieder in die Arbeitslosigkeit zurückkehren. Hierbei ist es nicht notwendig, das Arbeitslosengeld neu zu beantragen; vielmehr wird Ihr bestehender Anspruch lediglich unterbrochen und kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden. Dieser Restanspruch auf Arbeitslosengeld I bleibt für einen Zeitraum von vier Jahren nach Ihrer ursprünglichen Arbeitslosmeldung gültig. Wenn Sie also beispielsweise drei bis vier Monate Arbeitslosengeld I beziehen, verbleiben Ihnen von Ihrem ursprünglichen Anspruch von zwölf Monaten noch acht bis neun Monate, die Sie innerhalb dieser Vierjahresfrist geltend machen können. Auch während eines potenziellen zweiten Bezugszeitraums dürfen Sie Ihre nebenberufliche Selbstständigkeit fortführen, solange der wöchentliche Arbeitsumfang unter 15 Stunden liegt und das erzielte Einkommen unter Berücksichtigung der Freibeträge angerechnet wird. Bezüglich Ihres Freibetrags von 1600 Euro ist zu beachten, dass der gesetzliche Grundfreibetrag 165 Euro beträgt und ein höherer Freibetrag sich aus Ihrem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen aus der vorbestehenden nebenberuflichen Selbstständigkeit ergibt, welches Sie nachweisen müssen.
Ein besonders wichtiger Punkt ist zudem Ihr bevorstehender 50. Geburtstag:
Da das Alter zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung für die Anspruchsdauer maßgeblich ist, könnte sich Ihr Anspruch von zwölf auf fünfzehn Monate erhöhen, wenn Sie die Arbeitslosmeldung strategisch bis nach Ihrem 50. Geburtstag im Oktober verzögern. Dies erfordert jedoch eine sorgfältige Abwägung, da Sie die Monate bis dahin finanziell überbrücken müssten.
Es ist entscheidend, alle Fristen für die Arbeitsuchend- und Arbeitslosmeldung genau einzuhalten und Änderungen Ihrer Situation der Agentur für Arbeit proaktiv mitzuteilen, um Sperrzeiten oder Rückforderungen zu vermeiden.
Eine persönliche Beratung bei der Agentur für Arbeit sei Ihnen dringend empfohlen, um Ihre individuelle Situation detailliert zu klären und die genaue Berechnung Ihres Freibetrags zu besprechen.
Viele Grüße
Herzlichen Dank für Ihre schnelle, ausführliche Antwort.
Ich hatte gehofft, dass ich mich nach den 3-4 Monaten komplett abmelden und dann nach dem 50. Geburtstag im November oder Dezember neu anmelden und dadurch einen neuen Anspruch auf 15 Monate erwerben könnte. Das klappt aber demnach nicht richtig?
Viele Grüße!
Sehr gerne!
Leider können Sie durch eine „Auszeit" nach drei bis vier Monaten Arbeitslosigkeit und eine erneute Meldung nach Ihrem 50. Geburtstag nicht automatisch einen völlig neuen Anspruch auf 15 Monate ALG I generieren. Ihr Anspruch richtet sich allein nach den Beitragszeiten in den letzten 30 Monaten vor jeder Arbeitslosmeldung. Sobald Sie arbeitslos werden und ALG I in Anspruch nehmen, wird der sich daraus ergebende Gesamtanspruch von 12 Monaten (weil Sie zu diesem Zeitpunkt noch 49 Jahre alt sind) unterbrochen, wenn Sie sich abmelden, und der Restanspruch – in Ihrem Beispiel 8 oder 9 Monate – landet in der „Restguthaben‐Box". Anders als Sie hoffen, entsteht daraus aber kein neues, separates Kontingent von 15 Monaten, nur weil Sie vor der nächsten Meldung inzwischen das 50. Lebensjahr vollendet haben. Maßgeblich ist vielmehr, dass Sie ab November 2025, wenn Sie 50 werden, zwar bei einer ENTSPANNTEN Neuanmeldung grundsätzlich für bis zu 15 Monate anspruchsberechtigt wären, aber nur, soweit Sie in den 30 Monaten zuvor auch tatsächlich noch Beiträge erzielt hätten. Da Sie ja in den Monaten Juni bis September (etwa 3–4 Monate) bereits ALG I bezogen und keine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben, fehlen Ihnen für die Berechnung Ihres ALG I‐Anspruchs nach dem 50. Geburtstag die erforderlichen vollen 30 Beitragmonate. Das heißt: Wenn Sie im November oder Dezember 2025 erneut ALG I beantragen, rechnet die Bundesagentur zunächst nach, ob in dem Zeitraum von Dezember 2022 bis Dezember 2025 mindestens 30 Monate versicherungspflichtiger Beschäftigung nachweisbar sind. Da Sie jedoch zwischen Juni und September ALG I bezogen haben, aber nicht parallel neue versicherungspflichtige Zeiten aufgebaut haben, liegen Ihnen in der Abrechnungsperiode nicht 30 Monate versicherungspflichtige Beschäftigung vor, sondern nur diejenigen vollen Monate, die Sie im ersten Halbjahr 2025 und davor gearbeitet haben. Dadurch entsteht unter dem Strich kein frischer, 15-Monate‐Anspruch, sondern lediglich – je nachdem, wie viele Monate Sie in den letzten 30 Monaten bis zur erneuten Meldung tatsächlich gearbeitet haben – noch der verbleibende Rest Ihres ursprünglichen Anspruchs bis maximal 12 Monate.
Wenn Sie also in den Monaten Juni, Juli, August und September ALG I bezogen, meldeten sich ab und ließen sich erst nach Erreichen des 50. Geburtstags erneut arbeitslos melden, wird Ihr Anspruch aus der ersten Phase lediglich um die bezogenen vier Monate gekürzt. Da Sie anschließend keine zusätzliche beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, können Sie in der zweiten Phase nicht auf eine neue, längere Anspruchsdauer von 15 Monaten umschwenken, sondern würde Ihnen allenfalls der Rest aus den zunächst bewilligten zwölf Monaten verbleiben – abhängig davon, wie viele Monate Sie davon tatsächlich noch nicht bezogen haben.
Möchten Sie also den vollen Effekt der Erweiterung von 12 auf 15 Monate spüren, müssten Sie aus meiner Sicht gemäß Ihrer Schilderung vor Ihrer erneuten Meldung nach Ihrem 50. Geburtstag sicherstellen, dass Sie noch neue, mindestens drei zusätzliche Monate versicherungspflichtig beschäftigt sind, um in den letzten 30 Monaten wieder die erforderlichen 30 Beitragmonate vollständig abzudecken. Andernfalls dürfte Ihnen nur noch bleiben, das bestehende Restguthaben (bis zu neun Monate) in Anspruch zu nehmen.
Beste Grüße