Anrechenbarkeit von Geschenkgutscheinen bei Bezug von Bürgergeld/Grundsicherung

| 4. September 2025 00:54 |
Preis: 70,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Ich denke zur Zeit über die Möglichkeit nach, Armutsbetroffene online über ein Spendenportal rechtssicher unterstützen zu können, ohne dass dabei für den Spendenempfänger eine Anrechnung auf Bürgergeld bzw. Grundsicherung oder Sozialhilfe droht. Ich denke dabei an Unterstützung ausschließlich durch Gutscheine für Rewe, Lidl, Aldi, Kaufland, Rewe, wunschgutschein.de, Amazon oder ähnliche Unternehmen.
Stimmen Sie der Einschätzung des folgenden Internet-Artikels zu? https://tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/archiv/zum-thema-weihnachtsgeschenke-im-sgb-ii-sgb-xii.html
Zitat: "Grundsätzlich sind Geschenke in Geldeswert (also in Form von Gegenständen oder Gutscheinen) im SGB II und im SGB XII nicht als Einkommen anzurechnen (§ 11 Abs. 1 S. 1 SGB II; § 82 Abs. 1 Nr. 11 SGB XII). Nach dem Zuflussmonat wird das Geschenk in Geldeswert zu Vermögen und ist, solange der jeweilige Vermögenshöchstbetrag nicht überschritten ist, unbedenklich. Im SGB II beträgt dieser 15.000 € im SGB XII 10.000 €."
Hiernach wären Spenden an Armutsbetroffene in Bürgergeld oder Grundsicherung in Form von Gutscheinen unbedenklich als Unterstützungsmöglichkeit nutzbar, ohne dass dem Empfänger daraus ein Nachteil drohen würde.
Über Ihre Einschätzung dazu würde ich mich sehr freuen!
Herzliche Grüße
Thomas Schwarz
4. September 2025 | 04:00

Antwort

von


(912)
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31157 Sarstedt
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Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Gern gebe ich Ihnen hierzu eine rechtliche Einschätzung.

Die von Ihnen zitierte Passage aus dem Artikel auf tacheles-sozialhilfe.de ist zutreffend: Nach der geltenden Rechtslage (§ 11 Abs. 1 SGB II, § 82 Abs. 1 Nr. 11 SGB XII) stellen Geschenke in Form von Sachwerten – hierzu zählen auch Gutscheine für Lebensmittel- oder Handelsunternehmen wie Rewe, Lidl, Aldi, Kaufland oder Amazon – kein anrechenbares Einkommen dar. Sie werden lediglich im Monat des Zuflusses berücksichtigt und gelten danach als Vermögen. Solange der jeweils einschlägige Vermögensfreibetrag (im SGB II regelmäßig 15.000 €, im SGB XII 10.000 € pro Person) nicht überschritten wird, sind derartige Zuwendungen unbedenklich.

Die Abgrenzung zu Geldgeschenken ist hier entscheidend: Während Geld grundsätzlich als Einkommen angerechnet werden kann, gelten Gutscheine rechtlich als Sachgeschenke und sind daher anrechnungsfrei. Nach Ablauf des Zuflussmonats werden sie – wie dargelegt – dem Vermögen zugerechnet. Auch die Rechtsprechung (u. a. SG Kiel, Urt. v. 2024) bestätigt diese Sichtweise.

Ihre Überlegung, Bedürftige über ein Spendenportal in Form von Gutscheinen zu unterstützen, ist damit rechtlich tragfähig. Nachteile für Empfänger von Bürgergeld oder Grundsicherung sind nicht zu erwarten, sofern die Vermögensfreibeträge eingehalten werden.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 16. September 2025 | 12:36

Sehr geehrter Herr Madani, vielen Dank für Ihre Antwort, zu der ich jetzt doch noch zwei Rückfragen habe:

Sie schreiben: "Sie werden lediglich im Monat des Zuflusses berücksichtigt und gelten danach als Vermögen."

Können Sie mir bitte kurz erläutern, was damit gemeint ist, dass sie im Monat des Zuflusses berücksichtigt werden? Als was bzw. inwiefern werden diese Gutscheine als Sachgeschenke im Monat berücksichtigt? Könnte es durch diese Berücksichtigung Schwierigkeiten geben?

Und meine zweite Rückfrage bezieht sich auf: "Solange der jeweils einschlägige Vermögensfreibetrag (im SGB II regelmäßig 15.000 €, im SGB XII 10.000 € pro Person) nicht überschritten wird, sind derartige Zuwendungen unbedenklich."

Wenn ein solcher Gutschein zum Vermögen hinzugerechnet wird: Gilt das nur solange, wie der Gutschein nicht für Sachwerte eingelöst, also entsprechend "ausgegeben" wird? Wird der entsprechende Wert nach dem Einlösen des Gutscheins vom Vermögen dann entsprechend wieder abgezogen? Oder summieren sich solche Gutscheine auf Dauer im Vermögen, auch nachdem sie entsprechend eingelöst wurden? (Sie sehen, ich halte alles für möglich.)

Herzlichen Dank und freundliche Grüße
Thomas Schwarz



Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 16. September 2025 | 13:23

Sehr geehrter Fragesteller,

gern beantworte ich Ihre beiden Nachfragen im Detail.

I. Berücksichtigung im Monat des Zuflusses
Wenn ein Gutschein einem Bürgergeld- oder Grundsicherungsempfänger zugeht, handelt es sich rechtlich zunächst um eine Zuwendung in Geldeswert (§ 11 Abs. 1 SGB II; § 82 Abs. 1 SGB XII). Im Monat des Zuflusses wird geprüft, ob er als Einkommen zu berücksichtigen wäre. Nach der aktuellen Rechtslage und Rechtsprechung sind Gutscheine aber nicht als Einkommen anrechenbar, sondern werden unmittelbar wie Sachgeschenke behandelt. Das bedeutet praktisch: Sie tauchen zwar in der juristischen Prüfung der Behörde im „Zuflussmonat" auf, führen aber nicht zu einer Minderung der Leistungen. Schwierigkeiten sind daher im Regelfall nicht zu erwarten – entscheidend ist, dass es sich nicht um Bargeld handelt, sondern um zweckgebundene Gutscheine.

II. Vermögensrechtliche Behandlung nach dem Zuflussmonat
Nach Ablauf des Zuflussmonats werden diese Gutscheine rechtlich wie Vermögen behandelt. Das heißt: Sie zählen zum vorhandenen Schonvermögen, solange sie noch nicht eingelöst wurden. Wird der Gutschein eingelöst, also für Waren verbraucht, reduziert sich das Vermögen in Höhe des jeweiligen Werts automatisch. Eine dauerhafte „Anreicherung" von eingelösten Gutscheinen im Vermögen findet also nicht statt. Es summieren sich also nur solche Gutscheine auf, die noch vorhanden und nicht eingelöst sind. In der Praxis dürfte die Nutzung solcher Gutscheine ohnehin zeitnah erfolgen, sodass der Effekt auf das Vermögen regelmäßig gering bleibt.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 16. September 2025 | 13:56

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