Abmahnung wegen Google-Bewertung - 1.000€ Forderung

27. August 2025 12:47 |
Preis: 30,00 € |

Internetrecht, Computerrecht


Beantwortet von


16:11
Ich habe von einem Anwalt ein Forderungsschreiben erhalten. Hintergrund ist eine Google-Bewertung, die ich nach einem Bewerbungsprozess abgegeben habe.

Meine Bewertung lautete wie folgt:

"Ich habe mich bei diesem Unternehmen beworben in der Hoffnung auf einen professionellen und respektvollen Auswahlprozess. Leider war meine Erfahrung das genaue Gegenteil: Der gesamte Bewerbungsablauf war von Anfang an extrem unkoordiniert, unstrukturiert und vor allem unnötig langwierig.

Nach meiner Bewerbung vergingen mehrere Wochen ohne jegliches Feedback. Erst auf eigene Nachfrage erhielt ich irgendwann eine vage Rückmeldung, die keinerlei konkreten nächsten Schritte enthielt. Der Eindruck entstand, dass keine klare Linie für den Prozess existiert.

Besonders enttäuschend war jedoch das Ende: eine Absage in Form eines knappen Einzeilers. Kein Feedback, keine Wertschätzung für die investierte Zeit und Mühe. So etwas ist in der heutigen Zeit nicht nur unprofessionell, sondern schlicht respektlos.

Fazit: Wer auf transparente Kommunikation, strukturierte Prozesse und einen wertschätzenden Umgang im Bewerbungsprozess Wert legt, sollte sich gut überlegen, ob er hier Zeit investieren möchte."

Tatsächlicher Ablauf:

Ich habe mich über LinkedIn beworben, es vergingen 2 Monate bis ich eine Antwort erhalten habe.

Die Initiative zur Rückmeldung ging eigentlich von der Firma aus, nicht von mir.

Daher ist der Satz „erst auf eigene Nachfrage" objektiv unzutreffend.

Mein Eindruck war aber, dass der Prozess insgesamt intransparent und wenig klar strukturiert war.

Forderungsschreiben:

Die Kanzlei behauptet, meine Bewertung sei „verleumderisch" und enthalte falsche Tatsachenbehauptungen.

Google hat die Bewertung mittlerweile entfernt.

Es wird Kostenerstattung in Höhe von 1.000,00 € verlangt (Streitwert 10.000 €).

Meine Einschätzung bisher:

Meine Kritik bestand überwiegend aus Meinungsäußerungen (Art. 5 GG).

Die einzige problematische Passage ist „erst auf eigene Nachfrage" – das war eine ungenaue Formulierung, aber keine bewusst falsche Behauptung.

Ein fortdauernder Unterlassungsanspruch entfällt, da die Rezension bereits gelöscht ist?

Meine Fragen:

Muss ich die geforderte Kostenerstattung tatsächlich zahlen, obwohl die Bewertung bereits entfernt ist und weitgehend eine zulässige Meinungsäußerung war?

Ist die Passage „erst auf eigene Nachfrage" ausreichend, um von einer „falschen Tatsachenbehauptung" auszugehen? Oder lässt sich das als „missverständliche Formulierung" im Rahmen meiner subjektiven Wahrnehmung einordnen?

Wie stehen meine Chancen?

Würden Sie empfehlen, auf das Schreiben selbst zu antworten oder gar nicht zu reagieren und abzuwarten, ob Klage erhoben wird?

Ich stehe vollkommen hinter meiner Bewertung, da die Kommunikation echt schlecht war. Außerdem gab es eine Probe Entwicklungsaufgabe, bei der ich eine API ansprechen sollte, die längst veraltet war. Fand ich schon mal sehr komisch und unkoordiniert. Im Bewerbungsverfahren hatte ich auch drauf hingedeutet, dass die API nicht mehr funktioniert.

Als Absage erhielt ich folgendes:

Moin xxx!

Vielen Dank nochmal für dein Interesse. Wir haben uns gestern intern noch einmal besprochen und für einen anderen Bewerber entschieden.

Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!

VG xxx

Also wirklich kurz und knapp.

27. August 2025 | 13:17

Antwort

von


(2736)
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
E-Mail: info@jan-wilking.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

1. Zulässigkeit der Bewertung – Meinungsäußerung vs. Tatsachenbehauptung

a) Meinungsäußerung
Die Bewertung enthält überwiegend Werturteile, die von der eigenen Wahrnehmung und Erfahrung im Bewerbungsprozess geprägt sind. Aussagen wie „unkoordiniert, unstrukturiert und unnötig langwierig", „keine klare Linie", „unprofessionell, respektlos" und das abschließende Fazit sind typische Meinungsäußerungen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 GG. Diese sind grundsätzlich geschützt, solange sie nicht die Grenze zur Schmähkritik oder zur unwahren Tatsachenbehauptung überschreiten.

b) Tatsachenbehauptung
Die Passage „Erst auf eigene Nachfrage erhielt ich irgendwann eine vage Rückmeldung" ist objektiv unzutreffend, da die Initiative zur Rückmeldung von der Firma ausging. Tatsachenbehauptungen sind dem Beweis zugänglich und unterliegen strengeren Anforderungen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Kontext einer Bewertung oft subjektive Wahrnehmungen und Erinnerungen einfließen. Die Formulierung kann als „missverständlich" oder „ungenau" gewertet werden, aber es handelt sich nicht um eine bewusst falsche Tatsachenbehauptung oder gar Verleumdung (§ 187 StGB).
Fazit: Die Bewertung ist im Wesentlichen eine zulässige Meinungsäußerung. Die problematische Passage ist zwar objektiv falsch, aber im Gesamtzusammenhang nicht geeignet, den Tatbestand der Verleumdung oder üblen Nachrede (§ 186 StGB) zu erfüllen.

2. Unterlassungsanspruch und Kostenerstattung

a) Unterlassungsanspruch
Ein Unterlassungsanspruch besteht nur, solange eine rechtswidrige Beeinträchtigung fortdauert. Da die Bewertung bereits entfernt wurde (Google hat gelöscht), entfällt der fortdauernde Störungszustand. Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch kommt nur bei Wiederholungsgefahr in Betracht, die hier nicht ersichtlich ist.

b) Kostenerstattung
Die Kostenerstattung nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB setzt voraus, dass ein Unterlassungsanspruch erfolgreich geltend gemacht wurde und die Abmahnung berechtigt war. Da die Bewertung bereits entfernt ist und die Rechtsverletzung nicht fortbesteht, besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung. Die Abmahnung ist insoweit nicht mehr „berechtigt", da der Zweck (Beseitigung der Rechtsverletzung) bereits erreicht ist.

Fazit: Die geforderte Kostenerstattung ist nicht zu zahlen, da kein fortdauernder Unterlassungsanspruch besteht und die Abmahnung ins Leere geht.

3. Chancen im Streitfall

Die Bewertung ist überwiegend von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Die einzige objektiv falsche Passage ist im Kontext der Gesamtbewertung nicht gravierend und kann als subjektive Wahrnehmung oder Ungenauigkeit gewertet werden.
Die Bewertung ist bereits entfernt, sodass kein Unterlassungsanspruch mehr besteht.
Die Erfolgsaussichten einer Klage auf Kostenerstattung sind daher als gering einzuschätzen.


4. Empfehlung zum weiteren Vorgehen

a) Antwort auf das Schreiben
Eine kurze, sachliche Antwort ist empfehlenswert, um die Angelegenheit zu dokumentieren und einer möglichen Klage vorzubeugen. Darin kann ausgeführt werden:

Die Bewertung ist bereits entfernt.
Die Kritik war überwiegend Meinungsäußerung.
Die beanstandete Passage war eine subjektive Wahrnehmung, keine bewusste Falschbehauptung.
Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht mehr, daher keine Kostenerstattung.

b) Abwarten

Alternativ kann abgewartet werden, ob tatsächlich Klage erhoben wird. Die Erfolgsaussichten für die Gegenseite sind, wie oben ausgeführt, eher gering.

5. Zusammenfassung

Kostenerstattung: Nicht zu zahlen, da kein fortdauernder Unterlassungsanspruch besteht.
Falsche Tatsachenbehauptung: Die Passage ist objektiv falsch, aber im Kontext als subjektive Wahrnehmung und nicht als Verleumdung zu werten.
Chancen: Gut, da Meinungsfreiheit überwiegt und die Bewertung entfernt ist. Ein gewisses Prozessrisiko verbleibt zwar, aber mit keinem sehr hohen Kostenrisiko, denn die Höhe des Streitwerts (10.000 €) dürfte auch deutlich zu hoch angesetzt sein.
Empfehlung: Sachliche Antwort auf das Schreiben oder Abwarten.


Hinweis: Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung wäre die Argumentation auf die Meinungsfreiheit und die fehlende Wiederholungsgefahr zu stützen. Die Gegenseite müsste darlegen, dass durch die Bewertung ein erheblicher Schaden entstanden ist und die Abmahnung berechtigt war – dies ist nach Aktenlage nicht ersichtlich.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Jan Wilking

Rückfrage vom Fragesteller 27. August 2025 | 15:49

Ich habe dem Anwalt sachlich geantwortet und seine Antwort war folgendes:

Sehr geehrter Herr xxx,

diese Bewertung hat Google auf mein Schreiben hin entfernt, nicht von sich aus oder zufällig.

Wie geschrieben hat Herr xxx mich wegen der Bewertung beauftragt.

Ihre Zahlungsfrist läuft weiter.

Mit freundlichen Grüßen
xxx

Wie reagiere ich da drauf?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 27. August 2025 | 16:11

Die Entfernung durch Google bedeutet nicht, dass die Bewertung auch wirklich rechtsverletzend war. Insofern würde ich hier sicherheitshalber eine Unterlassungserklärung bezüglich der ggf. falschen Tatsachenbehauptung abgeben und dann abwarten, ob die Kosten wirklich gerichtlich geltend gemacht werden. Wenn Sie die Sache endgültig vom Tisch haben wollen, können Sie auch (ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dazu) eine niedrigere Summe zur einvernehmlichen Erledigung durch Vergleich anbieten.

Ergänzung vom Anwalt 27. August 2025 | 14:04
Sicherheitshalber noch ein ergänzender Hinweis: Wenn die Gegenseite in der Abmahnung auch noch Unterlassungsansprüche geltend macht, wären diese nicht allein durch die Löschung durch Google erledigt. Denn eine einmalige Rechtsverletzung kann auch nach Beseitigung noch eine Wiederholungsgefahr indizieren und den Unterlassungsanspruch aufrecht erhalten, das habe ich etwas missverständlich in der ersten Antwort dargelegt. Auch wenn ich hier wie aufgeführt ohnehin keinen Unterlassungsanspruch sehe, wäre zu überlegen, eine von der Gegenseite geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung unter Einschränkung (ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dazu oder Präjudiz für die Sach- und Rechtslage) abzugeben, wenn Ihre Bewertung nicht mehr im Netz steht und Sie diese Behauptung auch nicht wiederholen wollen. Dann könnte die Gegenseite Sie nur noch auf die Kosten verklagen und nicht mehr auf Unterlassung.
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