9 Monate Haft ohne Bewaehrung

12. August 2006 02:26 |
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Strafrecht


Beantwortet von

hallo,

ich bin im februar 2006 (laufende bewaehrungszeit)zu einer haftstrafe von 6 monaten ohne bewaehrung verurteilt worden. gegen das urteil habe ich berufung eingelegt.
daraufhin wurde ende maerz 2006 im berufungsverfahren das urteil bestaetigt.
also 6 monate haft.
das urteil dazu wurde mir rechtskraeftig zugestellt.
am 1. mai bin ich dann in die usa gereist mit dem hintergrund dort zu bleiben, da ich zu den 6 monaten noch 3 monate aus der bewaehrung dazu bekomme. insgesamt also 9 monate haft.
da ich nun aber doch lieber wieder nach deutschland zurueckkehren moechte, hier meine Fragen:

1- kann gegen mich bereits ein haftbefehl vorliegen?
bzw. wie stehen die chancen dazu???

2- liesse sich vor meiner rueckkehr diesbezueglich noch was regeln? wuerde die haft dann doch lieber freiwillig antreten.

ich habe lediglich das urteil ueber die 6 monate haft erhalten.

ich habe vor meiner abreise keinen bewaehrungswiderruf bekommen.
ich habe auch keinen strafantrittsbefehl bekommen.

was kann ich nun tun?

In anbetracht des umfanges meiner fragen halte ich 100,- euro fuer angemessen und gerecht.
Moechte aber hoeflichst darum bitten, das meine fragen nicht mit "ja" "nein" "vielleicht" etc. beantwortet werden um meine 100,- euro zu kassieren.

Vielen dank

anonymus2006
12. August 2006 | 03:59

Antwort

von


(137)
Westerbachstraße 23F
61476 Kronberg
Tel: . 06173-702761
Tel: . 06173-702906
Web: https://www.recht-und-recht.de
E-Mail: Dolscius@recht-und-recht.de
Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne beantworte ich Ihre Frage summarisch auf der Basis der mitgeteilten Informationen.

1. Zunächst eine kurze Übersicht über die möglichen Vorgehensweisen der Behörden:
Gegen Sie könnte ein nationaler Haftbefehl und Ausschreibung zur Festnahme verhängt werden. Des weiteren gäbe es die Möglichkeit eines internationalen Haftbefehls mit quasi weltweite Fahndung oder im schlimmsten Fall eine Zielfahndung der zuständigen Abteilung des Bundeskriminalamtes bzw. eines der Landeskriminalämter (dürfte in Ihrem Fall nicht in Frage kommen).

2. Da Sie schreiben, dass Sie Sich in den USA befinden, kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Zwischen den USA und Deutschland gibt es Auslieferungsabkommen. Zum einen gibt es den bilateralen Auslieferungsvertrag von 1978, zum anderen ein Rechtshilfeabkommen aus dem Jahr 2003.
Beide Staaten verpflichten sich in diesen Abkommen Auslieferungen vorzunehmen, wenn die Tat in beiden Staaten strafbar und mit mehr als einem Jahr bewehrt ist.

Ihre Tat dürfte nicht darunter fallen. Gleichwohl dürfte sich Ihr Aufenthalt in den USA nicht unbegrenzt fortsetzen lassen. Für eine Daueraufenthaltserlaubnis müssten Sie Ihre Daten angeben oder sich ilegal dort weiter aufhalten. In beiden Fällen stehen Ihnen massive Probleme ins Haus. Sofern Sie Sich illegal in den USA aufhalten, werden Sie in jedem Fall abgeschoben. Sollten Sie ihre Daten für eine Daueraufenthaltsgenehmigung angeben, wird es davon abhängen, ob gegen Sie ein internationaler Haftbefehl vorliegt. Sollte dies der Fall sein, würden Sie keine Daueraufenthaltsgenehmigung bekommen und wiederum abgeschoben werden.

3. Damit zu Ihrer Frage, ob und was für ein Haftbefehl gegen Sie vorliegt.
Genau kann dies natürlich nur nach Akteneinsicht gesagt werden (In Ihrem Fall würde es sich hierbei übrigens um einen sog. Vollstreckungshaftbefehl handeln. Dieser wird erlassen, wenn sich jemand trotz Ladung zur Vollstreckung einer gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe nicht stellt). Da es für die deutschen Behörden jedoch kein großer Aufwand ist, würde ich zunächst davon ausgehen, dass ein solcher Haftbefehl ausgesprochen wurde. Auch dürfte dieser international sein, wenn die Behörden davon ausgehen, dass Sie Sich ins Ausland abgesetzt haben (hiervon werden die Behörden ausgehen, wenn Sie in Deutschland nicht mehr auffindbar sind).

4. Das Sie vor Ihrer Abreise noch keine Ladung zum Haftantritt erhalten haben, würde ich nicht zu hoch bewerten (zumal nur vier Wochen zwischen dem Urteil und Ihrer Abreise lagen). Dies kann verschiedene Ursachen haben. Wahrscheinlich dürfte es damit zusammenhängen, dass gem. § 453 StPO vor dem Widerruf der Bewährung der Angeklagte vom Gericht zu hören ist. Da dies bei Ihnen bisher nicht der Fall war, werden Sie den Bewährungswiderruf und danach die Ladung zum Haftantritt mit großer Wahrscheinlichkeit nach Ihrer "Rückkehr" erhalten, da erst dann die Anhörung und der Beschluss des Gerichtes erfolgen kann.

5. Nun zu Ihrer wichtigsten Frage: Was können Sie tun?

Die beste Vorgehensweise läge darin, sich VOR Ihrer Rückkehr mit einem Strafverteidiger in Deutschland in Verbindung zu setzen.
Einigkeit über die Übertragung des Mandats vorausgesetzt und mit einer schriftlichen Strafprozessvollmacht versehen kann der Verteidiger Akteneinsicht nehmen und, was viel entscheidender für Sie ist, mit den deutschen Behörden die Modalitäten Ihrer Rückkehr aushandeln. Zwar würde sich an dem Haftbefehl und der Tatsache, dass Sie die Strafe verbüßen müssen nichts ändern, aber es macht im Hinblick auf eine mögliche spätere Aussetzung der Strafe (oder eines Teils) doch einen Unterschied, ob Sie bei Ihrer Einreise wegen eines Haftbefehls verhaftet werden oder Sich mit Hilfe des Verteidigers "freiwillig" den Behörden stellen.
Der Verteidiger kann sich auch mit der Staatsanwaltschaft und dem Richter besprechen, um danach mit Ihnen gemeinsam die beste Vorgehensweise zu erörtern.

Grundsätzlich sollten Sie nicht zu große Angst vor der Rückkehr und dem weiteren Verlauf der Dinge haben. Natürlich müssen Sie Ihre Strafe verbüßen. Eine hundertprozentige Sicherheit, dass Sie dies in Haft tun müssen, gibt es jedoch nicht. Auch hier kann ein guter Strafverteidiger einiges erreichen. Das alles setzt jedoch voraus, dass Sie Sich stellen. Dies kann ich Ihnen also nur dringend raten, wenngleich ich davon ausgehe, dass Sie Ihre Frage sicher aus genau diesem Grund gestellt haben. Die Weichen in die richtige Richtung sind also gelegt.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort eine erste rechtliche Orientierung geben konnte und wünsche Ihnen viel Glück für die geplante Rückkehr.

Mit freundlichen Grüßen aus dem nächtlichen Deutschland

Elmar Dolscius
Rechtsanwalt


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