kostenloser Beratungsschein

17. Januar 2006 19:19 |
Preis: 30€ Historischer Preis
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Aktuellen Kostenvorschlag
|

Medizinrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

im Juli 2005 bekam ich von einer Institution (leider kann ich mich nicht mehr erinnern welche es war, aber der Anwalt muss
dort Mitglied sein) einen kostenlosen Beratungsschein in einer
Arzthaftungssache. Der Anwalt wurde mir von dieser Institution
empfohlen. Bis Dezember wurde ich stets mit fadenscheinigen
Ausreden vertröstet, also in meiner Angelegenheit wurde nichts unternommen, sodass ich dem Anwalt das Mandat Ende 2005 fehlender Vertrauensbasis entzogen habe.
Nun bekomme ich eine Rechnung für Beratungskosten (190€), Porto
Telefonkosten + MWST, insgesamt 243,60 €. Meine Unterlagen bekomme ich erst, wenn ich den genannten Betrag überwiesen habe.
Diese jedoch benötigt die Kanzlei, der ich das Mandat übertragen habe. Es handelt sich um alle Unterlagen, Korrespondenz und
Gutachten. Ich bat den Anwalt um Rechnungskorrektur, aber er
reagiert nicht.
Wie soll ich mich nun verhalten, bzw. was kann ich tun?

Für Ihre geschätzte Antwort bedanke ich mich und verbleibe

mit freundlichen Grüßen


gingis

Sehr geehrte Fragestellerin, sehr geehrter Fragesteller,


Ihre Anfrage beantworte ich anhand der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt summarisch:

Der „Anwaltsvertrag“ ist im Regelfall ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611 , 675 BGB ). In der Regel handelt es sich dabei um „Dienste höherer Art“, die durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant gekennzeichnet sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Rechtsanwalt einen bestimmten Erfolg schuldet (z.B. die Erstellung eines Rechtsgutachtens, eines Vertragsentwurfs oder auch die Beantwortung einer konkreten Rechtsfrage). Dies scheint vorliegend jedoch nicht der Fall zu sein.

Sie waren daher berechtigt, das Mandatsverhältnis gegenüber Ihrem alten Rechtsanwalt jederzeit außerordentlich zu kündigen. Jedoch ist zu beachten, dass die Vergütung des Anwalts (also die von diesem nunmehr geltend gemachten Gebühren) i.d.R. bereits mit Erteilung des Mandats anfällt. Da Ihr alter Rechtsanwalt bereits für Sie tätig geworden ist (und sei es auch nur, dass er den Sachverhalt rechtlich durchdacht und geprüft hat), hat er auch einen entsprechenden Gebührenanspruch gegen Sie.

Sie können daher nach Beendigung des Mandats zwar nach § 667 BGB die Herausgabe der Handakte verlangen. Nach § 50 Abs. 3 S. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hat der Rechtsanwalt jedoch ein Zurückbehaltungsrecht an den Handakten wegen rückständiger Gebühren und Auslagen in derselben Sache. Mit anderen Worten: der Anwalt darf die Herausgabe der Handakten (und damit auch Ihrer Unterlagen) so lange verweigern, bis Sie seine Kostennote bezahlt haben.

Die Zurückbehaltung der Handakten ist lediglich in den Fällen ausgeschlossen, in denen dies
nach den Umständen unangemessen wäre (§ 50 Abs. 3 S. 2 BRAO ). Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Zurückbehaltungsrecht immer dann ausgeschlossen ist, wenn dessen Ausübung unangenehme Folgen für den Mandanten hätte. Denn die Nichtzahlung des Anwaltshonorars stellt eine schwer Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages dar. Die Zurückbehaltung von Handakten ist jedoch dann unangemessen, wenn der Schaden des Mandanten und das Interesse des Anwalts nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis stehen (z. B. bei drohender Verjährung der Forderung des Mandanten gegenüber einem Dritten, wenn dieser Anspruch ohne Zuziehung der Handakte nicht geltend gemacht werden kann etc.).

Jedoch ist durch das Zurückbehaltungsrecht des Anwalts das Einsichtsrecht des Mandanten in die Handakten gem. §§ 810 , 811 BGB nicht ausgeschlossen. Sie könnten daher von dem Anwalt verlangen, dass Ihnen in den Kanzleiräumlichkeiten Einsicht in Ihre Akten gewährt wird. Dann können Sie Kopien von den Akten machen. Allerdings haben Sie keinen Anspruch darauf, dass Sie den Kopierer in den Kanzleiräumlichkeiten benutzen können. Sollte Ihnen eine reine Einsichtnahme nicht genügen und keine der vorstehend geschilderten Ausnahmen (Unangemessenheit) vorliegen, so werden Sie ohne vorherige Zahlung des Anwaltshonorares keine Möglichkeit haben, Ihre Handalten herauszuverlangen.


Ich hoffe, Ihnen mit meiner Prüfung der Rechtslage eine erste rechtliche Orientierung vermittelt zu haben.



Mit freundlichen Grüßen


Rückfrage vom Fragesteller 17. Januar 2006 | 19:59

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

für die umgehende Antwort bedanke ich mich.
Die für mich wichtigste Frage ließen Sie leider unbeantwortet,
die da wäre:

Weshalb stellt mir der Anwalt eine Beratungsgebühr in
Höhe von 190,00 € in Rechnung, obwohl ich ihm einen
kostenlosen Beratungsschein übergeben hatte?
Kann er denn diesen Betrag, den er doch von der Institution,
von der ich diesen Schein bekam, erstattet bekommt, von mir
ebenso fordern? Das entspräche einem Honorar von 380€ für
die einstündige Beratung!
Diese Frage beantwortet zu bekommen, liegt mir am Herzen!

Mit nochmaligem Dank für Ihre Bemühungen verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen


gingis

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 17. Januar 2006 | 21:04

Sehr geehrte Fragestellerin,


vielen Dank für Ihre Nachfrage.

In der Tat hatte ich den Passus mit dem Beratungsschein im „Eifer“ des Gefechts als Erstberatung gelesen und bitte insoweit um Nachsicht. Die von Ihnen aufgemachte Gebührenrechnung entspricht nämlich exakt einer solchen, die bei einer Erstberatung (Nr. 2102 VV) auch in den Fällen, in denen keine Beratungshilfe gewährt wird, anfallen würde. Jedenfalls lässt sich die Gebührenrechnung nur sehr schwerlich mit den Gebühren in Einklang bringen, die normalerweise bei einer Beratungshilfe anfallen (Nr. 2600ff. VV). Daher sollten Sie noch mal genauer überprüfen, welche „Institution“ Ihnen den Beratungsschein ausgestellt hat und ob Sie nicht irrigerweise annehmen, dass es sich um einen solchen Beratungsschein handelt (ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber gerade juristisch unerfahrene Mandanten bringen dort oftmals viel durcheinander). Hierbei müsste Ihnen eigentlich Ihr neuer Anwalt helfen können.

Bei Ihrer Nachfrage gehe ich davon aus, dass es sich um einen Beratungsschein nach dem BerHG handelt. Wenn Beratungshilfe gewährt wird, erhält der Ratsuchende einen Beratungsschein. Mit diesem kann er einen Rechtsanwalt seiner Wahl aufsuchen. Dieser ist jedoch berechtigt, vom Ratsuchenden eine Bearbeitungsgebühr von EUR 10 zu verlangen (Nr. 2600 VV). Weitere Ansprüche stehen dem Rechtsanwalt nicht zu. Der Rechtsanwalt macht die übrigen Gebühren gegenüber der Staatskasse geltend. Insoweit wäre es nicht rechtens, wenn der Anwalt Ihnen eine gesonderte Gebührenrechnung stellt. Vielleicht - und das kann ich ohne weiteren Angaben nicht beurteilen - ist eine weitere Erstberatungsgebühr angefallen, weil Sie über einen zweiten, anderen Sachverhalt gesprochen haben. Auch hier sollte Ihnen Ihr neuer Anwalt helfen können. Insoweit würde ich den neuen Anwalt bitten, sich telefonisch mit dem Kollegen kurzzuschließen und die Sache am Telefon zu besprechen. Vielleicht hat sich Ihr alter Anwalt auch lediglich vertan und ist von einer Erstberatung ausgegangen (sprich: er hat den Beratungsschein „vergessen“). Vielleicht stellt sich so heraus, dass es sich nur um ein - wenngleich ärgerliches - Missverständnis handelt.



Mit freundlichen Grüßen


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