Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für die Online-Anfrage. Zunächst mache ich darauf aufmerksam, dass dieses Forum eine persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann. Das Forum frag-einen-anwalt ist dafür angedacht, eine erste rechtliche Orientierung zu ermöglichen. Dies voraus geschickt antworte ich weiter wie folgt.
Die Vollkasko-Versicherung erstattet Ihre Schäden unabhängig von der Schuldfrage, sofern keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt.
Der Geschädigte darf seine Kaskoversicherung in Anspruch nehmen, wenn er einen Teil des Schadens selbst tragen muss oder wenn mit einer langwierigen Abwicklung der Schadensregulierung zu rechnen ist (Hamm VersR 93, 1545
).
Die Kaskoversicherung würde lediglich die Reparaturkosten abzüglich vertraglicher Selbstbeteiligung zahlen.
Im Rahmen des sogenannten Quotenvorrechts besteht die Möglichkeit, den Schaden zuerst mit der Kaskoversicherung abzurechnen und bezüglich des offen gebliebenen Betrages anschließend die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners in Anspruch zu nehmen.
Schadenspositionen können hier dann z. B. die Selbstbeteiligung, Wertminderung des Fahrzeuges, Gutachterkosten, Anwaltskosten, Abschleppkosten, Nutzungsausfall bzw. Mietwagen, Schadenpauschale sein.
Die Besonderheit liegt nun darin, dass die Haftpflichtversicherung dann verpflichtet ist, die so genannten quotenbevorrechtigten Positionen nicht nur in Höhe der Haftungsquote (50 %), sondern in vollem Umfange auszugleichen.
Quotenbevorrechtigt sind in der Regel die Positionen, „die das Blech berührt haben“. Aus dieser Faustformel ergibt sich, dass die Selbstbeteiligung als Teil der Reparaturkosten quotenbevorrechtigt ist. Gesagtes gilt auch für die Wertminderung, die Sachverständigenkosten und die Abschleppkosten. Für die Nutzungsausfallentschädigung/Mietwagenkosten müsste der Haftpflichtversicherer nur in Höhe der Haftungsquote eintreten.
Der Betrag, der vom Haftpflichtversicherer zu ersetzen ist, wäre der Höhe nach begrenzt (Kappungsgrenze). Nämlich auf den Betrag, den die Haftpflichtversicherung zu ersetzen hätte, wenn ausschließlich auf Basis der Haftungsquote abgerechnet werden würde.
Außerdem kann der Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bei voraus gegangener Regulierung durch die Kaskoversicherung als sogenannter Sachfolgeschaden zu ersetzen sein (BGH 44, 387).
Da die Schadensentwicklung durch zukünftige Mehrprämien von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, steht dem Geschädigten im Streitfall bezüglich des Schadensfreiheitsrabatts als Schadensersatzpositon allerdings nicht die Leistungsklage (Klage auf Zahlung) sondern nur die sogenannte Feststellungsklage zur Verfügung; so BGH, Urt. v. 3.12.1991 - VI ZR 140/91
- NJW 1992, 1035
.
Der Bundesgerichtshof führt in seinem amtlichen Leitsatz hierzu wie folgt aus: "Ein vom Schädiger zu ersetzender Rabattverlust durch Rückstufung in der Fahrzeug-Vollkaskoversicherung kann für die Zukunft regelmäßig nicht mit der Leistungs-, sondern nur mit der Feststellungsklage geltend gemacht werden, weil nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen des Geschädigten tatsächlich nachteilig auswirken wird."
Zu der Frage, ob auch der Rabattverlust in Höhe der Quote auszugleichen ist werden in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Ich weise darauf hin, dass meine Antwort eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann, zumal durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen eine andere rechtliche Beurteilung folgen könnte. Ich hoffe, Ihnen eine hilfreiche erste Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten können Sie selbstverständlich über die kostenfreie Nachfragefunktion bei mir nachfragen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Kohberger,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
Allerdings haben Sie nicht auf meine Fragestellung geantwortet.
Meine Frage lautet: Die gegnerische Haftpflichtversicherung hat ohne meine Zustimmung 50 % des Wiederbeschaffungswertes abzüglich Restwert überwiesen. Aufgrund der niedrigen angebotenen Regulierungsquote der gegnerischen Haftpflichtversicherung möchte ich jedoch erst meine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen und danach die gegnerische Haftpflichtversicherung für die übrigen Kosten wie Wertminderung, Selbstbeteiligung, Rückstufungsschaden etc. Wie kann ich die Reihenfolge ändern zuerst die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung, dann die Inanspruchnahme der gegnerischen Haftpflichtversicherung (eine sogenannte Rückabwicklung der bisher gezahlten 50%- Regulierungsquote des Fahrzeugschadens durch die gegnerische Haftpflichtversicherung)?
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für die Nachfrage, die ich wie folgt beantworte:
Ihre Frage zur Vorgehensweise beantwortet ich wie folgt:
Schritt 1:
+ Unfall und Schaden bei der Vollkaskoversicherung melden (ist bereits erfolgt)
+ Reparaturkosten abzüglich Selbstbehalt auszahlen lassen
+ Die Vollkaskoversicherung darauf hinweisen, dass Sie von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners bereits Schadensersatz bei einer 50% Quote erhalten haben. Jedoch nun von der Möglichkeit der Abrechnung mit Quotenvorrecht Gebrauch machen wollen.
Schritt 2:
+ Schadensaufstellung bei der Haftpflichtversicherung einreichen:
Demnach sind
+ der Eigenbehalt Vollkasko (Abrechnung Vollkasko)
+ die Abschleppkosten (Rechnung)
+ die Wertminderung des Fahrzeuges (Gutachten) und
+ die Gutachterkosten (Rechnung)
von der Haftpflichtversicherung in jedem Fall (unabhängig von einer Regulierungsquote) zu 100 % zu bebezahlen.
Die anderen Schadenspositionen wie zum Beispiel eine Schadenspauschale i. H. v. 40 €uro oder auch Mietwagenkosten/Nutzungsausfall, Anwaltskosten sind mit mindestens 50 % zu bezahlen. Für eine Erhöhung der Vollkaskoversicherungsbeiträge auf Grund des Wegfalls eines Schadensfreiheitsrabatts gilt das Gleiche.
Außerdem sollten Sie die Haftpflichtversicherung alsbald in Kenntnis setzen, dass Sie auf die Regulierung der genannten quotenbevorrechtigten Schadensposten in jedem Fall zu 100 % bestehen.
In dem Schreiben könnten Sie außerdem darauf verweisen, dass Sie mit einer Haftungsquote von 50 % ohnehin nicht einverstanden sind, da Sie an dem Unfall kein Schuld trifft. Die Festlegung der Haftungsquote wäre im Streitfall vor Gericht zu klären.
Ein Hinweis, dass Sie den bereits bezahlten Schadensersatz (50%) als Anzahlung bis zur abschließenden Regulierung einbehalten sollte nicht fehlen.
Ich hoffe, Ihne weiter geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kohberger
Rechtsanwalt