Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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70372 Stuttgart
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Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Nach dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt bestehen mehrere rechtliche Ansatzpunkte, um gegen den Ehevertrag vorzugehen. Die Erfolgsaussichten hängen maßgeblich von den konkreten Umständen ab, insbesondere von der Beweisbarkeit der behaupteten Umstände und der Ausgestaltung des Vertrages.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass dieses nur eine Ersteinschätzung ist, die nicht abschließend sein kann, da für sind die Umstände viel zu komplex. Es stellt aber eine erste Orientierung da.
Im Einzelnen:
1. Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung
Ein Ehevertrag kann nachträglich angefochten werden, wenn er unter einem erheblichen Irrtum oder durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist. Nach dem Kontext ist eine Anfechtung insbesondere dann möglich, wenn die Ehefrau über den Inhalt oder die rechtlichen Folgen des Vertrages im Irrtum war oder getäuscht wurde. Hierzu zählen insbesondere:
- Irrtum über den Inhalt des Vertrages: Wenn die Ehefrau davon ausging, sie verzichte lediglich auf das Erbe des Hauses, tatsächlich aber einen umfassenden Erbverzicht und die Vereinbarung der Gütertrennung unterschrieb, könnte ein sogenannter Inhaltsirrtum (§ 119 BGB) vorliegen.
- Täuschung über die Bedeutung des Vertrages: Sollte der Sohn des Ehemannes als Anwalt gezielt falsche oder unvollständige Informationen gegeben haben, könnte auch eine arglistige Täuschung (§ 123 BGB) vorliegen.
Die Anfechtung muss grundsätzlich binnen eines Jahres ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes erklärt werden (§ 124 BGB). Da die Ehefrau erst nach dem Tod des Ehemannes vom wahren Inhalt des Vertrages erfahren hat, beginnt die Frist erst mit dieser Kenntnis zu laufen.
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Das kann daher knapp werden.
2. Sittenwidrigkeit und Unwirksamkeit des Ehevertrages
Ein Ehevertrag kann gemäß § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn eine Partei in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition war und der Vertrag ein erhebliches Ungleichgewicht zu ihrem Nachteil aufweist (vgl. Dokument 8 und 11). Anhaltspunkte für Sittenwidrigkeit sind:
- Die Ehefrau war ausländische Staatsbürgerin, sprach die Sprache nicht ausreichend und war auf die Informationen des Sohnes angewiesen.
- Der Notar hat seine Belehrungspflicht verletzt, indem er den Vertrag nicht ausreichend erklärt und keinen Dolmetscher hinzugezogen hat.
- Der Vertrag enthält ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (umfassender Erbverzicht und Gütertrennung gegen ein Wohnrecht).
Die Rechtsprechung erkennt an, dass insbesondere bei Ausnutzung einer schwächeren Verhandlungsposition und fehlender Aufklärung durch den Notar ein Ehevertrag sittenwidrig sein kann.
3. Verletzung der notariellen Belehrungspflicht
Der Notar ist verpflichtet, beide Vertragsparteien über die rechtlichen Folgen des Vertrages aufzuklären und sicherzustellen, dass beide den Inhalt und die Tragweite verstehen. Dies gilt insbesondere, wenn eine Partei der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Das Unterlassen der Hinzuziehung eines Dolmetschers und die ausschließliche Kommunikation mit dem Sohn stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Dies kann zur Unwirksamkeit des Vertrages führen, wenn die Ehefrau nachweisen kann, dass sie den Vertrag nicht verstanden hat und der Notar seine Pflichten verletzt hat.
4. Ergebnis und Chancen
Die Chancen, den Ehevertrag anzufechten oder für unwirksam erklären zu lassen, sind nach Ihrer Schilderung durchaus gegeben, insbesondere wenn die Ehefrau nachweisen kann, dass sie über den Inhalt und die Tragweite des Vertrages getäuscht wurde oder sich in einem erheblichen Irrtum befand und der Notar seine Belehrungspflichten verletzt hat. Auch eine Sittenwidrigkeit wegen krasser Benachteiligung ist denkbar.
Knapp wird es wie gesagt mit der 10 Jahresfrist für die Anfechtung.
Entscheidend ist die Beweisbarkeit der Umstände (fehlende Sprachkenntnisse, keine Aufklärung, keine Übersetzung, Drucksituation, wirtschaftliche Unterlegenheit). Die Rechtsprechung ist in solchen Konstellationen zunehmend sensibel für die Schutzbedürftigkeit des benachteiligten Ehegatten.
Die Erfolgsaussichten sind aber nur dann als realistisch einzuschätzen, sofern die geschilderten Umstände nachgewiesen werden können.
Aber nach meiner Erfahrung wird das sehr schwer werden, zumal die Sachen notariell beurkundet wurde. Auf die Zeitdauer spielt eine große Rolle, siehe oben. Sie sollten daher unbedingt einen Fachanwalt für Familien- und Erbrecht und verzüglich hinzuziehen, der das weiter prüft.
Ich kann Ihnen dann nur eine erste und nicht abschließende Einschätzung geben.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen