Sehr geehrter Fragesteller,
Sie schildern, dass der Bürgersteig vor Ihrem Kindergarten regelmäßig durch Falschparker vollständig blockiert wird, sodass Sie mit Kinderwagen auf die Straße ausweichen müssen und dadurch eine Gefährdung für Kinder und Begleitpersonen entsteht. Sie haben bereits mehrfach die Polizei kontaktiert, die sich jedoch für nicht zuständig erklärt hat bzw. keine akute Gefährdung gesehen hat. Sie fragen, ob eine Anzeige wegen Gefährdung durch Unterlassung möglich ist und ob das Wählen des Notrufs 110 in solchen Fällen gerechtfertigt ist. Zudem interessieren Sie sich für dienst- oder disziplinarrechtliche Konsequenzen für die Polizei.
Im Folgenden beantworte ich Ihre Fragen ausführlich und verständlich.
1. Zuständigkeit bei Falschparken und blockierten Gehwegen
Für Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO), insbesondere im Bereich des ruhenden Verkehrs (also Parkverstöße), ist grundsätzlich die örtliche Ordnungsbehörde (Ordnungsamt, Straßenverkehrsbehörde) zuständig. Die Polizei ist in der Regel nur dann zuständig, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht oder wenn eine akute Gefährdungslage vorliegt.
Das Parken auf Gehwegen ist nach § 12 Abs. 4 und 4a StVO grundsätzlich verboten, sofern es nicht ausdrücklich durch Verkehrszeichen erlaubt ist. Das vollständige Blockieren eines Gehwegs stellt einen Verstoß gegen die StVO dar und kann mit einem Bußgeld geahndet werden.
2. Richtiges Vorgehen bei blockiertem Gehweg
- Dokumentation: Sie sollten die Verstöße dokumentieren (Fotos, Zeugen, ggf. mit Maßband die verbleibende Gehwegbreite festhalten).
- Anzeige bei der Ordnungsbehörde: Die zuständige Stelle ist das Ordnungsamt Ihrer Stadt oder Gemeinde. Dort können Sie die Verstöße anzeigen und die Beweismittel einreichen. Die Behörde kann dann Bußgelder verhängen und ggf. das Abschleppen der Fahrzeuge veranlassen.
- Polizei: Die Polizei kann im Einzelfall tätig werden, insbesondere wenn eine akute Gefahr besteht (z.B. wenn Kinder auf die Straße ausweichen müssen und dadurch unmittelbar gefährdet sind). In der Praxis verweist die Polizei jedoch häufig auf die Zuständigkeit des Ordnungsamts, solange keine akute Gefahrensituation vorliegt.
- Falschparker über Online-Formulare oder per App melden
Diese Variante ist die einfachste und schnellste. Viele Städte haben bereits eigene Online-Formulare, um Falschparker zu melden. Das geht aber auch über bundesweit aufgestellte Seiten wie weg.li oder falschparkermelden.de. Letztere eignet sich besonders dann, wenn jemand deinen privaten oder gewerblichen Stellplatz zugeparkt hat. Für alle anderen Belange empfiehlt sich weg.li. Diese Angebote werden von den Ordnungsämtern unterstützt und sind legal.
3. Notruf 110 – Wann ist er gerechtfertigt?
Der Notruf 110 ist für akute Notfälle und Gefahrenlagen vorgesehen. Das wiederholte Blockieren eines Gehwegs durch Falschparker ist zwar ärgerlich und kann zu gefährlichen Situationen führen, stellt aber nicht in jedem Fall einen Notfall im Sinne des Polizeinotrufs dar. Ein Anruf bei 110 ist dann gerechtfertigt, wenn eine konkrete, gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben besteht, etwa wenn Kinder tatsächlich auf die Straße ausweichen müssen und der Verkehr nicht ausreichend gesichert ist.
In weniger akuten Fällen sollte die Anzeige über die reguläre Telefonnummer der Polizei oder direkt beim Ordnungsamt erfolgen.
4. Anzeige wegen Gefährdung durch Unterlassen (§ 13 StGB, § 323c StGB)?
Eine Strafanzeige gegen die Falschparker wegen einer Gefährdung durch Unterlassen ist rechtlich schwierig. Die Tatbestände der „Gefährdung durch Unterlassen" (§ 13 StGB) oder „unterlassene Hilfeleistung" (§ 323c StGB) setzen voraus, dass eine Person in einer konkreten Gefahrensituation Hilfe unterlässt, obwohl sie dazu rechtlich verpflichtet ist. Das bloße Parken auf dem Gehweg erfüllt diese Voraussetzungen in der Regel nicht, da es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt und nicht um ein aktives Unterlassen in einer akuten Notlage.
Eine Anzeige gegen die Polizei wegen Gefährdung durch Unterlassen ist ebenfalls nicht erfolgversprechend, da die Polizei nur dann verpflichtet ist einzuschreiten, wenn eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben besteht. Das Opportunitätsprinzip gibt den Behörden einen Ermessensspielraum, ob und wie sie einschreiten.
5. Dienst- oder disziplinarrechtliche Konsequenzen für Polizeibeamte
Polizeibeamte sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig zu werden. Wenn sie sich weigern, eine Anzeige aufzunehmen oder in einer akuten Gefährdungslage nicht einschreiten, kann dies dienst- oder disziplinarrechtliche Konsequenzen haben. In der Praxis ist jedoch zu beachten, dass die Polizei bei Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr regelmäßig auf das Ordnungsamt verweist und dies in der Regel auch zulässig ist, solange keine akute Gefahr besteht.
Ein Anspruch auf lückenlose Verfolgung aller Ordnungswidrigkeiten besteht nicht. Die Behörden haben ein Ermessen, ob und wie sie einschreiten (Opportunitätsprinzip). Nur bei groben Pflichtverletzungen kann eine Dienstaufsichtsbeschwerde Erfolg haben, die Erfolgsaussichten sind jedoch erfahrungsgemäß gering.
6. Zusammenfassung und Empfehlung
Für das Abschleppen und Ahnden von Falschparkern auf Gehwegen ist in erster Linie das Ordnungsamt zuständig.
Die Polizei ist nur bei akuter Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verpflichtet, einzuschreiten.
Der Notruf 110 ist nur bei konkreter, gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gerechtfertigt.
Eine Anzeige wegen Gefährdung durch Unterlassen ist gegen Falschparker oder Polizei in der Regel nicht erfolgversprechend.
Dienst- oder disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen Polizeibeamte kommen nur bei groben Pflichtverletzungen in Betracht.
Empfehlung: Dokumentieren Sie die Verstöße weiterhin sorgfältig und wenden Sie sich mit den Beweismitteln an das zuständige Ordnungsamt. Sollte eine akute Gefahrensituation entstehen, ist ein Anruf bei der Polizei gerechtfertigt. In allen anderen Fällen ist der Weg über das Ordnungsamt der richtige, ggfls. über die genannten Online-Portale.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist
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