Wohngeld - Wechsel der Form von Vermögen ETF o. ä. zu Festgeld / Wertsteigerung

| 20. Juni 2025 19:21 |
Preis: 41,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Zu Fragen der Wohngeldberechtigung und ggf. der Ablehnung wegen erheblichen Vermögens.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich lebe alleinerziehend mit zwei Kindern (eines minderjährig) und beziehe Wohngeld.
Kapital (unter dem Grenzwert für Wohngeld) habe ich in Gold und thesaurierende ETF
angelegt. Aufgrund der starken Kursschwankungen kürzlich habe ich zeitweise die
ETF-Anteile verkauft und später wieder zugekauft. Dabei wurde eine Wertsteigerung
realisiert. Nun stellt sich für mich die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt die
Veränderung der Werte von thesaurierenden ETF und von Gold dem Wohngeldamt
gemeldet werden müssen. Spielen Wertsteigerungen von Vermögen eine Rolle und wenn
ja, wie ist es bei Kurseinbrüchen und Wertverlusten? - Das Vermögen bleibt unter den
Maximalgrenzen für Wohngeld. Zinserträge aus Kapital wurden von mir nachgewiesen.
Nach meiner Scheidung kann ich kurzfristig günstig abgegebene Rentenpunkte
zurückkaufen - spielt dann die Vorsorge zur Alterssicherung ggf. auch eine Rolle?

Danke für eine Antwort mit Hinweis auf die betreffenden Gesetze / Richtlinien

Mit freundlichen Grüßen

20. Juni 2025 | 21:33

Antwort

von


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Gerne zu Ihren Fragen:

1. Gesetzliche Grundlage: Ausschluss bei erheblichem Vermögen

Gemäß § 21 Nummer 3 WoGG besteht kein Anspruch auf Wohngeld, soweit die Inanspruchnahme missbräuchlich wäre, insbesondere wegen erheblichen Vermögens.

Nach der Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 21 WoGG, Ziffer 21.36, gilt hierzu:

„Der Missbrauchstatbestand ist erfüllt, wenn die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls den Schluss zulassen, dass die Wohngeldleistung bei den festgestellten Vermögensverhältnissen dem Ziel des § 1 WoGG widerspricht, durch einen Zuschuss zu den Wohnkosten angemessenes und familiengerechtes Wohnen wirtschaftlich zu sichern. Eine Prüfung des Vermögens im Einzelnen ist nur vorzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte für erhebliches Vermögen vorliegen."

2. Definition der Vermögensgrenzen

Nach VV 21.37 wird ein „erhebliches Vermögen" wie folgt definiert:

(1) Erhebliches Vermögen im Sinne des § 21 Nummer 3 WoGG ist in der Regel vorhanden, wenn die Summe des verwertbaren Vermögens der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder folgende Beträge übersteigt:

60.000 Euro für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied und

30.000 Euro für jedes weitere zu berücksichtigende Haushaltsmitglied.

(2) Vermögen im Sinne des § 21 Nummer 3 WoGG ist die Gesamtheit der in Geld messbaren Güter aller zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder. Einkommen und Vermögen grenzen sich grundsätzlich dadurch voneinander ab, dass Einkommen alles das ist, was jemand in der Bedarfszeit (d. h. der Zeit des Leistungsbezugs) wertmäßig dazuerhält, und Vermögen das, was er im Bewilligungszeitraum bereits hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.02.1999 – 5 C 35.97, juris Rn. 14).

3. Einordnung realisierter Gewinne aus Kapitalvermögen

Ein Wechsel der Anlageform – etwa von thesaurierenden ETF zu Festgeld oder Gold – stellt keine meldepflichtige Änderung dar, solange das Vermögen insgesamt unterhalb der Freigrenze liegt.

Realisierte Kursgewinne aus dem Verkauf von ETF-Anteilen stellen kein Einkommen i.S.d. § 14 WoGG dar, sondern gehören weiterhin zum Vermögen, es sei denn, es handelt sich um regelmäßige oder gewerbliche Veräußerungen.

Tatsächliche Einkünfte aus Kapitalvermögen, wie Zinsen oder Dividenden, sind hingegen dem Einkommen zuzurechnen (§ 14 WoGG) und entsprechend zu erklären.

4. Maßgeblichkeit des Zuflusszeitpunkts (§ 15 WoGG)

§ 15 WoGG konkretisiert, wann Einkommen als einmalig oder regelmäßig gilt und wie es dem Bewilligungszeitraum zugeordnet wird:

(2) Einmaliges Einkommen […] ist zu einem Zwölftel in den zwölf Monaten nach dem Zuflussmonat zuzurechnen […], wenn es innerhalb eines Jahres vor Antragstellung zugeflossen ist.
(3) Sonderzuwendungen […] sind den Monaten im Bewilligungszeitraum zu je einem Zwölftel zuzurechnen, wenn sie innerhalb der nächsten zwölf Monate nach Beginn des Bewilligungszeitraums zufließen.

Solche Regelungen betreffen Kapitalerträge, nicht aber Wertzuwächse, die lediglich Vermögen betreffen, solange kein regelmäßiger Einkommenszufluss erfolgt.

5. Aufklärungspflichten und Prüfungsbefugnisse der Wohngeldbehörde (§ 23 Abs. 4 WoGG)

Nach § 23 Abs. 4 WoGG sind Kapitalerträge auszahlende Stellen verpflichtet, Auskunft über Kapitalerträge zu erteilen, wenn ein Verdacht rechtswidriger Inanspruchnahme nach § 33 WoGG besteht:

„[…] zur Aufdeckung rechtswidriger Inanspruchnahme […] sind die Kapitalerträge auszahlenden Stellen […] verpflichtet, der Wohngeldbehörde Auskunft über die Höhe der zugeflossenen Kapitalerträge zu erteilen. […] Ein Auskunftsersuchen ist nur zulässig, wenn auf Grund eines Datenabgleichs […] der Verdacht besteht oder feststeht, dass Wohngeld rechtswidrig in Anspruch genommen wurde […]."

Diese Regelung dient der Kontrolle der Ehrlichkeit der Angaben zur Vermögens- und Einkommenssituation. Die Verpflichtung zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Angabe bleibt auch ohne einen Verdacht bestehen (§ 27 Abs. 1 WoGG).

6. Altersvorsorge – Rückkauf von Rentenpunkten (§ 187a SGB VI)

Vermögen, das nachweislich der Altersvorsorge dient (z. B. gesetzliche Renten, Riester, Rürup), ist nicht als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen.

Ein Rückkauf von Rentenpunkten gem. § 187a SGB VI wird regelmäßig als zweckgebundenes Altersvorsorgevermögen eingeordnet. Die damit getätigten Ausgaben reduzieren das anrechenbare Vermögen im wohngeldrechtlichen Sinne.

Die Zweckbindung sollte nachgewiesen und dokumentiert werden (z. B. durch Bescheide der Deutschen Rentenversicherung).

7. Meldepflichten (§ 27 WoGG)

Sie sind verpflichtet, Änderungen der wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse, die den Wohngeldanspruch beeinflussen können, unverzüglich mitzuteilen (§ 27 Abs. 1 WoGG).

Solange

- das Vermögen unterhalb der gesetzlichen Freigrenze liegt, und
- keine dauerhaft erheblichen Einkünfte hinzukommen,

besteht keine sofortige Mitteilungspflicht. Änderungen sind aber spätestens im Weiterbewilligungsantrag korrekt anzugeben.


(Diese Stellungnahme beruht auf den von Ihnen mitgeteilten Angaben sowie auf den öffentlich zugänglichen Vorschriften des Wohngeldgesetzes und der einschlägigen Verwaltungsvorschriften.
Sie ersetzt keine individuelle rechtliche Prüfung im Rahmen eines vollständigen Mandats mit Einsicht in sämtliche Unterlagen und Umstände des Einzelfalls. Eine verbindliche Beurteilung, insbesondere zur Anzeigepflicht im konkreten Fall oder zu den Erfolgsaussichten eines Weiterbewilligungsantrags, kann nur im Rahmen einer persönlichen anwaltlichen Beratung erfolgen).

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Rückfrage vom Fragesteller 22. Juni 2025 | 13:28

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Burgmer,

vielen Dank für die ausführlichen und übersichtlich dargestellten Informationen.

Eines verwirrt mich noch - vielleicht können Sie mir da noch Klarheit verschaffen:
Kapitalertrag (oder Kapitaleinkommen) setzt sich laut Wikipedia auch aus Kursgewinnen zusammen, die mit der Kapitalertragsteuer besteuert werden. In Ihrer Antwort heißt es:
"Realisierte Kursgewinne aus dem Verkauf von ETF-Anteilen stellen kein Einkommen i.S.d. § 14 WoGG dar, sondern gehören weiterhin zum Vermögen, es sei denn, es handelt sich um regelmäßige oder gewerbliche Veräußerungen."
Bedeutet dies also, dass die Realisierung von Kursgewinnen zwar nach Steuerrecht ein Einkommen ist, nicht aber nach WoGG und damit der Begriff "Einkommen aus Kapital" in den Gesetzen zur Steuer bzw. nach WoGG unterschiedlich definiert ist?

Vielen Dank im Voraus

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. Juni 2025 | 14:42

Gerne zu Ihrer Nachfrage:

Der Begriff „Einkommen" wird im Steuerrecht anders gefasst als im Wohngeldrecht. Ich erläutere dies im Folgenden systematisch:
Im Steuerrecht – insbesondere nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) – gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) unter anderem:

Zinsen,
Dividenden,
Ausschüttungen von Fonds,
und realisierte Kursgewinne (z. B. beim Verkauf von ETFs oder Aktien).

Solche Gewinne unterliegen der Kapitalertragsteuer. Das Steuerrecht behandelt also auch Kursgewinne als Einkommen, weil ein tatsächlicher Zufluss und eine Vermehrung der Leistungsfähigkeit angenommen wird.

Im Wohngeldrecht ist der Begriff des (Jahres)-Einkommens enger gefasst und grundsätzlich an die Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit des Zuflusses gekoppelt. Maßgeblich ist hier
§ 14 ff. WoGG – zum Begriff des Einkommens. Dort heißt es sinngemäß:
Einkommen ist die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Absatz 1 und 2 EStG, jedoch mit bestimmten Abweichungen und Ergänzungen.

Wenn Sie einmalig oder gelegentlich ETF-Anteile verkaufen und dabei Gewinne thesaurierend erzielen, ist das im wohngeldrechtlichen Sinne kein Einkommen, sondern eine Umschichtung von Vermögen.

Die realisierten Gewinne vergrößern lediglich Ihr Vermögen, sie gelten aber nicht als laufendes Einkommen, das den Wohngeldanspruch beeinflusst.

Nur regelmäßige oder berufsmäßige Verkäufe (z. B. durch gewerbsmäßigen Handel mit Wertpapieren) würden wohngeldrechtlich als Einkommen zählen.

MfG
Burgmer, RA

Bewertung des Fragestellers 22. Juni 2025 | 15:32

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