Steuer-Beruflich genutzte Nebenwohnung-Ungleichbehandlung b. Lebensgemeinschaft

15. April 2025 22:10 |
Preis: 30,00 € |

Steuerrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte um eine rechtliche Einschätzung zu folgendem Sachverhalt:

Eine Person arbeitet aus beruflichen Gründen unter der Woche (Sonntagabend bis Donnerstagabend) in einer niedersächsischen Stadt und hat dort ein einfaches, ca. 13 m² großes Zimmer mit gemeinschaftlicher Nutzung von Bad und Küche angemietet. Der Hauptwohnsitz liegt über 200 km entfernt in einer anderen Stadt, wo die Person mit ihrer Partnerin und deren Kindern dauerhaft lebt. Dort befindet sich auch der Lebensmittelpunkt (soziale und familiäre Bindungen, Freizeit etc.).

Die betreffende Kommune erhebt Zweitwohnungssteuer und hat eine Steuerfestsetzung vorgenommen. Eine beantragte Befreiung wurde mit Verweis auf die örtliche Satzung abgelehnt, da diese eine Befreiung ausschließlich für verheiratete Personen vorsieht, nicht jedoch für nicht eheliche Lebensgemeinschaften. Die Betroffene empfindet dies als verfassungsrechtlich fragwürdige Ungleichbehandlung.

Zudem scheint die angesetzte Wohnfläche nicht der tatsächlichen Nutzung zu entsprechen, da es sich nicht um eine abgeschlossene Wohnung handelt, sondern lediglich um ein einzelnes Zimmer mit geteilten Einrichtungen.

Fragen:

1. Besteht unter Berufung auf Art. 3 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) Aussicht auf rechtliches Vorgehen gegen die Ungleichbehandlung von Ehepaaren und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften bei der Befreiung von der Zweitwohnungssteuer?


2. Gibt es bekannte Urteile, die eine solche Konstellation bereits behandelt haben (z. B. Pendlerwohnung, faktische Lebensgemeinschaft)?


3. Welche Möglichkeiten bestehen, gegen die angesetzte Quadratmeterzahl vorzugehen, wenn nur ein Zimmer mit Gemeinschaftsnutzung bewohnt wird?


4. Sollte Widerspruch eingelegt bzw. Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werden?



Für eine allgemeine rechtliche Einschätzung wäre ich sehr dankbar. Es geht mir um eine Orientierung zu den Erfolgsaussichten und möglichen rechtlichen Schritten.

Mit freundlichen Grüßen

17. April 2025 | 04:05

Antwort

von


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Guten Morgen,

ein Vorgehen unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) erscheint aussichtsreich. Der Ausschluss nicht verheirateter Lebensgemeinschaften von der Befreiungstatbestandsregelung könnte eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen. Das BVerfG hat mehrfach entschieden, dass auch faktische Lebensgemeinschaften schutzwürdig sein können, insbesondere wenn sie auf Dauer angelegt sind und tatsächlich gelebt werden Der Ausschluss allein aufgrund des formalen Ehestatus ist rechtlich angreifbar.

Es existieren Verwaltungsgerichtsurteile, die die Berücksichtigung der tatsächlichen Lebensverhältnisse fordern (vgl. etwa VG München, Urt. v. 24.09.2009 – M 10 K 08.2716 zur Zweitwohnungssteuer bei nicht abgeschlossenen Wohneinheiten). Auch in der Literatur wird zunehmend gefordert, bei der Steuerbefreiung gleichgelagerte Sachverhalte (z. B. eheähnliche Gemeinschaften mit gemeinsamem Haushalt) gleich zu behandeln wie Ehen. Einzelfallrechtsprechung ist jedoch satzungs- und ortsabhängig.

Maßgeblich ist, ob eine selbstständige Wohneinheit im Sinne der jeweiligen Satzung und der einschlägigen Rechtsprechung vorliegt. Bei einem Einzelzimmer mit Gemeinschaftsnutzung (Küche, Bad) fehlt es regelmäßig an der Eigenschaft einer abgeschlossenen Wohnung. Es empfiehlt sich, die Satzungsdefinition der „Zweitwohnung" zu prüfen. Falls keine abgeschlossene Wohneinheit vorliegt, könnte bereits der Steuergegenstand entfallen oder jedenfalls eine geringere Bemessungsgrundlage (tatsächlich genutzte Fläche: 13 m²) angesetzt werden.

Ein Widerspruch gegen den Steuerbescheid sollte fristgerecht eingelegt werden mit zwei Begründungslinien:
Verfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsverstoß wegen Ungleichbehandlung nicht verheirateter Lebensgemeinschaften
Fehlerhafte Bemessung der Wohnfläche und ggf. fehlende Eigenschaft als steuerpflichtige Zweitwohnung.

Kommt die Kommune dem nicht nach, kann Klage erhoben werden.

Mit freundlichen Grüßen


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