Grundstücksgrenze ohne Zustimmung wissentlich überbaut / Vorkaufsrecht

3. Februar 2025 19:19 |
Preis: 75,00 € |

Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Es geht um (a) Rechte (und Pflichten) nach einem Überbau sowie (b) nach wirksamer Ausübung eines Vorkaufsrechts.

Sehr geehrte Rechtsanwälte,
Ich habe Fragen zu zwei Themen.
Unser landwirtschaftliches Grundstück (ca. 4ha groß ) ist ohne unsere Zustimmung teilweise von einer Fernwärme-Hackschnitzelanlage (Leistung ca 900kw für 100 Wohnungen) überbaut worden.
Vom Gebäude selber ca. um eine Fläche von circa 50m2, die über die Grenze ragt und zusätzlich ist auf ca. 1.700 m2 das Gelände abgeböscht worden um die Anlage zu kaschieren.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben wir um uns zur Wehr zu setzen und einen fairen Preis für die ungewollte neue Nutzung zu erhalten? Es scheint nämlich keine Einigung hinsichtlich des Kaufpreises erzielt werden zu können können bislang.
2.Thema:
Zum anderen würde ich gerne eine Wohnung erwerben, indem ich mein Vorkaufsrecht ausübe möchte. Leider scheinen die bisherigen Vertragsparteien nicht wirklich begeistert zu sein von der Idee ( vor allem der Käufer, der die Wohnung weit unter dem marktüblichen Preis erworben hat. ) Die Bezahlung zwischen den bisherigen Parteien hat schon stattgefunden. Ich habe meine Absicht aber fristgerecht knapp einen Monat nach Beurkundung angemeldet beim Notar, welcher mir sagte, dass er den Vorgang gestoppt habe nun. Wie sieht nun die konkrete Umsetzung aus? Notfalls auch gegen den Willen der bisherigen Vertragsparteien.
Vielen herzlichen Dank im Voraus für Ihre Auskunft und Hilfe.

3. Februar 2025 | 20:55

Antwort

von


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Gerne zu Ihren zwei gänzlich unterschiedlichen Fragen:

1. Frage Überbau durch Fernwärme-Hackschnitzelanlage auf Ihrem Grundstück
Da Ihr Grundstück ohne Ihre Zustimmung teilweise von einer Hackschnitzelanlage überbaut wurde, bestehen verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Durchsetzung Ihrer Rechte:

1.1. Anspruch auf Beseitigung (§ 1004 BGB – Eigentumsverletzung)
Grundsätzlich haben Sie als Eigentümer das Recht, die Beseitigung des Überbaus zu verlangen, da dieser ohne Ihre Zustimmung auf Ihrem Grundstück errichtet wurde.
Dies gilt für die ca. 50 m², auf denen das Gebäude selbst auf Ihrem Grundstück steht.
Auch die abgeböschte Fläche von 1.700 m² stellt eine unzulässige Beeinträchtigung Ihres Eigentumsrechts dar, die ohne Ihre Zustimmung nicht zulässig ist, siehe u.a. § 909 BGB und die u.U. einen Schadensersatzanspruch auslöst.

1.2. Duldungspflicht und Entschädigung (§ 912 BGB – Überbau)
Falls der Überbau „unentschuldbar" ist, können Sie grundsätzlich die Beseitigung verlangen.
Falls der Überbau jedoch „entschuldbar" ist, müssten Sie ihn unter Umständen dulden, hätten aber einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Ein Überbau ist in der Regel nicht entschuldbar, wenn:
Der Bauträger wusste, dass er auf fremdem Grund baut.
Der Überbau absichtlich oder grob fahrlässig vorgenommen wurde.
1.3. Anspruch auf Nutzungsentschädigung oder Grundstücksverkauf (§ 912 Abs. 2 BGB)

Zitat:
§ 912 BGB Überbau; Duldungspflicht
(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) 1Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. 2Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.



Falls der Überbau bestehen bleibt, haben Sie einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Verkehrswert des betroffenen Grundstücksteils und ist im Voraus zu entrichten.

Zitat:
§ 913 BGB (1) Die Rente für den Überbau ist dem jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks von dem jeweiligen Eigentümer des anderen Grundstücks zu entrichten.

(2) Die Rente ist jährlich im Voraus zu entrichten.


Falls keine Einigung über die Entschädigung erzielt wird, kann eine gerichtliche Entscheidung erforderlich sein.

1.4. Verhandlungen über eine Einigung
Falls Sie die Nutzung nicht dulden möchten, können Sie weiterhin auf Entfernung des Gebäudes bestehen.
Falls Sie zu einer Duldung bereit sind, können Sie über einen Grundstücksabkauf ( oder eine Dienstbarkeit (Grundbucheintrag zur Nutzung gegen Entgelt) verhandeln.

Zitat:
§ 915 Abkauf BGB
(1) 1Der Rentenberechtigte kann jederzeit verlangen, dass der Rentenpflichtige ihm gegen Übertragung des Eigentums an dem überbauten Teil des Grundstücks den Wert ersetzt, den dieser Teil zur Zeit der Grenzüberschreitung gehabt hat. 2Macht er von dieser Befugnis Gebrauch, so bestimmen sich die Rechte und Verpflichtungen beider Teile nach den Vorschriften über den Kauf.

(2) Für die Zeit bis zur Übertragung des Eigentums ist die Rente fortzuentrichten.



Sollte es keine Einigung geben, wäre eine Klage auf Beseitigung oder eine Feststellungsklage zum Entschädigungsanspruch möglich.
Ein versierter Anwalt für Grundstücksrecht sollte die Sachlage vor Ort bewerten.
Formelle Aufforderung: Eine schriftliche Aufforderung an die Betreiber der Anlage, eine Einigung über Kauf oder Entschädigung zu finden.
Gutachterliche Bewertung: Falls über die Entschädigung Uneinigkeit besteht, kann ein Gutachter den Wert ermitteln.
Gerichtliche Schritte: Falls keine Einigung zustande kommt, können Sie eine Klage auf Beseitigung des Überbaus oder Zahlung einer angemessenen Entschädigung einreichen.


2. Ausübung des Vorkaufsrechts bei einer Wohnung
Da Sie Ihr Vorkaufsrecht fristgerecht beim Notar angemeldet haben, stehen Ihnen folgende rechtliche Mittel zur Verfügung:

2.1. Rechtsgrundlage des Vorkaufsrechts (§ 463 ff. BGB)
Das gesetzliche Vorkaufsrecht gibt Ihnen das Recht, in den Kaufvertrag anstelle des Käufers einzutreten, d. h., Sie erwerben die Wohnung zu denselben Konditionen.
Entscheidend: Die Kaufpreiszahlung zwischen Verkäufer und ursprünglichem Käufer spielt keine Rolle – Ihr Vorkaufsrecht bleibt bestehen.
2.2. Folgen der Vorkaufsrechtsausübung
Sobald Sie Ihr Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt haben, tritt zwischen Ihnen und dem Verkäufer ein Kaufvertrag zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen in Kraft.


Zitat:
§ 464 BGB Ausübung des Vorkaufsrechts
(1) 1Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. 2Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form.

(2) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.


Der ursprüngliche Käufer verliert damit sein Recht auf die Immobilie.
Der Notar ist verpflichtet, die Eigentumsübertragung an den ursprünglichen Käufer zu stoppen.

Auch hier sollten Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um auf Augenhöhe mit der Gegenseite bzw. dem Notar zu operieren.

2.3. Reaktion des ursprünglichen Käufers und Verkäufers
Falls der ursprüngliche Käufer bereits gezahlt hat, muss der Verkäufer ihm den Kaufpreis zurückerstatten.
Der ursprüngliche Käufer kann sich nicht gegen Ihre Ausübung des Vorkaufsrechts wehren, selbst wenn er sich benachteiligt fühlt.
Falls der Verkäufer sich dennoch weigert, den Verkauf an Sie abzuwickeln, können Sie ihn gerichtlich zur Eigentumsübertragung zwingen.


Bestätigung durch den Notar: Lassen Sie sich schriftlich bestätigen, dass Ihre Ausübung des Vorkaufsrechts wirksam war.
Aufforderung zur Umsetzung: Falls sich die Vertragsparteien querstellen, setzen Sie eine schriftliche Frist zur Umsetzung der Eigentumsübertragung.
Rechtliche Schritte: Falls es weiterhin Widerstand gibt, kann eine Grundbuchberichtigungsklage eingereicht werden.

Zusammenfassung
Vorbehaltlich einer Ferndiagnose ohne Vertrags- und Aktenkenntnis haben Sie Ihr Vorkaufsrecht fristgerecht und wirksam ausgeübt.
Der Kaufvertrag mit dem ursprünglichen Käufer ist dadurch unwirksam geworden.
Falls Verkäufer oder Käufer sich querstellen, können Sie gerichtlich die Eigentumsübertragung durchsetzen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

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