Arbeitsunfähig wegen starker emotionalen Belastung (Todesfall) Wird nicht anerkannt

| 21. September 2024 22:39 |
Preis: 40,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Vor 3 Wochen ist meine Tante verstorben (Schwester meiner Mutter; sie war wie eine Mutter für mich). Ich war emotional sehr stark belastet und konnte mich auf meine Arbeit nicht konzentrieren. Ich habe meinen Vorgesetzten (stellvertretende Leiterin) per WhatsApp gefragt, welche Möglichkeiten der Freistellung in solchen Fällen gibt, weil ich damit keine Erfahrung hatte. Ich bin im öffentlichen Dienst im Land Brandenburg als Angestellter beschäftigt. Mein Vorgesetzter rief mich zurück und sagte, ich könne probieren, einen Antrag auf Sonderurlaub zu stellen, aber eigentlich dürfe ich nicht freigestellt werden; ich solle mit der Leiterin sprechen. Am nächsten Arbeitstag habe ich die Leiterin gefragt und eine kurze und knappe Antwort bekommen: Es gebe keine Möglichkeiten. Daraufhin habe ich mich für zwei Tage als arbeitsunfähig gemeldet, was der Wahrheit entsprach; ich war sehr stark emotional belastet und arbeitsunfähig und bin zur Beerdigung gefahren. Ich darf mich bis zu 3 Tage ohne ärztliche Bescheinigung krankmelden. Als ich zurückkam, habe ich erwartet, dass ich das in solchen Fällen übliche Formular „krank ohne Schein" ausfülle und unterschreibe. Die Sekretärin sagte mir jedoch: „Nein, brauchst du nicht, sie (Leitung) haben das anders geregelt." Von der Leitung kam kein Wort über den Vorfall. Gestern habe ich vom Leiter der übergeordneten Behörde per Post eine Ermahnung bekommen, dass ich einen Betrug zulasten des Landes Brandenburg begangen habe, indem ich Krankheit nur vorgegeben habe, um zur Beerdigung zu fahren, und in Wirklichkeit nicht krank war. In dem Ermahnungsschreiben ist die komplette WhatsApp-Korrespondenz zwischen mir und meiner stellvertretenden Leiterin wortwörtlich aufgeführt. Meine Leitung hat, statt meine Krankmeldung ordnungsgemäß weiterzuleiten, mich bei der übergeordneten Behörde angeschwärzt, dass ich Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht habe. Ich arbeite dort seit 10 Jahren, und von den wenigen Krankschreibungen, die ich bis jetzt hatte, kehrte ich immer frühzeitig zur Arbeit zurück, wenn ich mich auch nur halbwegs im Stande fühlte, zu arbeiten. Besonders vor diesem Hintergrund finde ich das Vorgehen meiner Vorgesetzten zutiefst erbärmlich.
Ich möchte wissen, welche rechtlichen Möglichkeiten ich habe, gegen die o. g. menschenverachtende Behandlung vorzugehen?
Wie soll ich vorgehen damit die Ermahnung zurückgenommen wird?

22. September 2024 | 05:01

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

gerne beantworte ich Ihre Fragen auf Grundlage des geschilderten Sachverhalts und unter Berücksichtigung des Einsatzes wie folgt:

In Ihrem Fall handelt es sich um eine komplexe Situation, die mehrere Aspekte des Arbeitsrechts berührt.

1. Sonderurlaub nach § 29 TVöD

Nach § 29 TVöD wird Sonderurlaub im Todesfall nur für den Tod des Lebenspartners, eines Elternteils oder eines Kindes gewährt. Da Ihre Tante nicht zu diesem engen Familienkreis im Sinne des TVöD gehört, haben Sie in diesem Fall keinen Anspruch auf Sonderurlaub. Diese Regelung ist strikt und lässt wenig Spielraum für die Berücksichtigung von anderen nahestehenden Personen, auch wenn eine besonders enge emotionale Bindung bestanden hat.

2. Arbeitsunfähigkeit nach abgelehntem Urlaubsantrag

Es ist wichtig zu beachten, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Rechtsprechung mehrfach dem Arbeitgeber Recht gegeben hat, wenn nach einem abgelehnten Urlaubsantrag eine Krankmeldung erfolgte. In solchen Fällen wird häufig vermutet, dass die Arbeitsunfähigkeit lediglich vorgetäuscht wurde. Dennoch ist dies kein Automatismus. Eine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit kann vorliegen, wie in Ihrem Fall, wo Sie durch die emotionale Belastung und Trauer über den Tod Ihrer Tante arbeitsunfähig waren.

Um solchen Verdachtsmomenten entgegenzuwirken und Ihre Arbeitsunfähigkeit zu beweisen, wäre es jedoch vorteilhafter gewesen, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzuholen. Diese hätte die Beweisführung erleichtert, insbesondere in einem Fall, in dem der Arbeitgeber den Verdacht äußert, dass die Krankmeldung nur vorgeschoben sei.

3. Ermahnung und deren Anfechtung

Die Ermahnung, die Sie erhalten haben, stellt einen offiziellen Rüffel dar, der jedoch nicht die Schwere einer Abmahnung hat, aber dennoch eine disziplinarische Maßnahme darstellt. Sie haben das Recht, gegen diese Ermahnung vorzugehen.

Möglichkeiten:

Widerspruch gegen die Ermahnung: Sie sollten gegen die Ermahnung förmlich schriftlich Widerspruch einlegen. In Ihrem Widerspruch sollten Sie darlegen, dass Sie sich tatsächlich krankgemeldet haben und dass die Vorwürfe der Vortäuschung einer Krankheit unzutreffend sind. Verlangen Sie, dass die Ermahnung aus der Personalakte entfernt wird

Gegendarstellung: Weiter haben Sie die Möglichkeit eine Gegendarstellung zum Sachverhalt zu verfassen und den Dienstherrn aufzufordern, diese zur Personalakte zu nehmen. In diesem Fall würde die Ermahnung aber bestehen bleiben.

Klage: Schließlich haben Sie auch die Möglichkeit eine Klage auf Entfernung der Ermahnung aus der Personalakte zu erheben. In diesem Fall werden Sie nachweisen müssen, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestanden hat.

4. Datenschutzrechtlicher Aspekt

Die Weitergabe der WhatsApp-Korrespondenz an die übergeordnete Behörde könnte einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht darstellen, insbesondere wenn diese Weitergabe ohne Ihre Einwilligung erfolgte. Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) darf der Arbeitgeber jedoch diejenigen Daten verarbeiten, die zur "Durchführung" des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Das BaAG hat ferner jüngst entschieden, dass WhatsApp-Chats im dienstlichen Kontext keine Privatgespräche darstellen.

Es gibt also durchaus Möglichkeiten gegen die Ermahnung vorzugehen. Sie müssen abwägen, ob Sie den Weg einer Klage bestreiten wollen, oder ob es Ihnen ausreicht, dass eine Gegendarstellung zur Akte genommen wird.

Gerne stehe ich Ihnen für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 22. September 2024 | 10:30

Sehr geehrter Herr Mahadi,
vielen Dank für Ihre kompetente und zeitnahe Antwort. Wenn ich alles richtig verstehe, es bestehen wenig Chancen, dass die Ermahnung nur so, auf mein Verlangen aus der Akte entfernt wird. Bei einer Klage jedoch liegt die Beweislast bei mir. Während die Gegenseite mich ohne jeden Beweis, nur auf Verdacht ermahnen kann.
Ist es aber zulässig, dass ich wegen Zitat: „Tatbestand eines versuchten Betrugs zu Lasten des Landes" Ermahnt werde? (Ich entschuldige mich wegen der Ungenauigkeit in der vorherigen Darstellung). Kann ich erwidern, dass ich nicht wegen versuchten Betrugs ermahnt werden darf, sondern nur auf Verdacht auf versuchten Betruges und verlangen, dass die Ermahnung entweder ganz aus der Akte entfernt wird oder wenigstens korrekt formuliert wird? Bzw. klar, dass ich es verlangen kann, aber muss rechtlich gesehen die Gegenseite meiner Aufforderung nachkommen oder kann es ihnen egal sein?

Beste Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 22. September 2024 | 10:40

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Üblicherweise ist der Arbeitgeber verpflichtet alle Umstände des ermahnten Sachverhalts darzulegen und zu beweisen. Dieser Grundsatz gilt auch in Ihrem Fall. Die Umstände können jedoch dazu führen, dass der Arbeitgeber zunächst von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit ausgehen kann und Sie die Arbeitsunfähigkeit beweisen müssen. Hintergrund dieser Umkehr ist, dass Sie an Tagen arbeitsunfähig waren, für die Sie zuvor Sonderurlaub beantragt hatten, der abgelehnt wurde.

Auf die konkrete Formulierung in der Ermahnung kommt es im Ergebnis nicht an. Sie können natürlich verlangen die Ermahnung aus der Akte zu entfernen. Der Arbeitgeber wird dem erfahrungsgemäß nicht nachkommen.

Eine Klage kann erfolgreich sein, wobei Sie abwägen müssen, ob Sie das Arbeitsverhältnis mit einer Klage weiter belasten wollen, zumal es nicht um eine Abmahnung, sondern eine Ermahnung geht.

Ich empfehle zunächst mit Verweis auf die Beweislast den Arbeitgeber aufzufordern, die Ermahnung aus der Akte zu entfernen. Sollte dieser sich weigern, verfassen Sie eine Gegendarstellung und lasse Sie diese in die Akte aufnehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani

Bewertung des Fragestellers 22. September 2024 | 16:24

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Sehr zeitnah und sehr kompetent!
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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 22. September 2024
5/5,0

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