Notarvertrag mit angeblichen Nebenabreden

| 9. September 2024 14:53 |
Preis: 61,00 € |

Hauskauf, Immobilien, Grundstücke


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

letztes Jahr haben mein Ex-Mann und ich unsere gemeinsame Immobilie auf mich übertragen. Hierbei wurde im Notarvertrag festgelegt, dass ich die nächsten 4 Jahre monatlich eine gewisse Rate an ihn zahle und dann am Ende der 4 Jahre eine Restsumme in Höhe von X fällig wird.
Im Notarvertrag wurde klar festgelegt, dass ich keine Zinsen auf den Kaufpreis zahlen muss.
Mit dem Notarvertrag war und bin ich 100% zufrieden und der war so auch 100% gewollt.
Nun habe ich meinen Ex letztens um eine höhere Zahlung des Kindesunterhalts gebeten bzw. darum, den Mindestunterhalt zu zahlen. Mein Ex schreibt mir nun, dass ich dann, wenn ich den höheren Kindesunterhalt auf den Kaufpreis der Immobilie Zinsen zahlen müsste und die seien nicht niedrig. Ich bin aus allen Wolken gefallen, da sowas niemals im Notarvertrag vereinbart wurde.
Ich hätte irgendwas unterschrieben diesbezüglich, also behauptet er, es würde eine Nebenabrede existieren. Dieses Schriftstück will er mir aber nicht vorlegen. Nun vermute ich, dass er irgendwie meine Unterschrift erschlichen hat.
Außerdem dürfte ich keinen fremden Mann in die Immobilie lassen, da er mir diese nur verkauft hat, wenn ich verspreche, dass kein neuer Mann einzieht.
Auch das steht so nicht im Notarvertrag.
Ich bin verwirrt. Ich war bei zwei Anwälten, der ist auch Notar und sagt, diese Vereinbarung zum Kindesunterhalts sei sittenwidrig. Der andere sagt, dass die angeblichen Nebenabreden sowieso nicht gelten, da sie nicht im Notarvertrag stehen.

Ich bin mittlerweile im Grundbuch eingetragen und laut meiner Internetrecherche wären die angeblichen Nebenabreden so geheilt. Das heißt die angeblichen Nebenabreden würden gelten, oder? Was ist, wenn eine Nebenabrede sittenwidrig ist, ist dann auch der komplette Notarvertrag ungültig?

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

9. September 2024 | 16:24

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:


Grundsätzlich bedarf der Kaufvertrag einer Immobilie der vollständigen notariellen Beurkundung. D.h. alles, was diesbezüglich im Notarvertrag steht, gilt. Was nicht drin steht, gilt nicht. Insofern ist die Ihnen bereits vorliegende Anwaltsmeinung richtig.

Allerdings kann man vorliegend darüber streiten, ob sich die Notwendigkeit der Beurkundung auch auf die Verzinsung der Restschuld bezieht, wenn dazu im Notarvertrag nichts steht, also auch keine Zinsfreiheit vereinbart wurde. So kann man durchaus argumentieren, dass über die Verzinsung keine Abrede getroffen wurde, bzw. diese nicht den Kauf der Immobilie betrifft, sondern die hieraus resultierende Geldschuld. Von daher halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass _nach_ der Beurkundung der Kaufpreisraten privatschriftlich eine Vereinbarung über eine Verzinsung getroffen wird. Diesbezüglich wäre aber Ihr Ex-Mann beweispflichtig, so dass er eine entsprechende Vereinbarung vorlegen müsste. Dass er hier bereits mauert, lässt die Vermutung zu, dass er eine Drohkulisse aufzubauen versucht, und es eine entsprechende Vereinbarung nicht gibt.

Unabhängig davon sehe ich es ebenfalls (wie der weitere zitierte Kollege) als kritisch an, dass Ihr Ex-Mann hier die Frage Kindesunterhalt mit der Frage Zinsen vermischt. Denn der Kindesunterhalt steht ja nicht Ihnen, sondern eben dem Kind zu, während sich eine Zinszahlungspflicht gegen Sie richten würde. Da Sie den Kindesunterhalt für das Kind nur geltend machen, können Sie eigentlich auf diesen Anspruch auch nicht ohne weiteres verzichten - zumindest nicht, um sich selbst einen e ("Befreiung von Zinsen") zu verschaffen.
Da Ihr Ex-Mann hier mit einer Drohkulisse (s.o.) arbeitet, wäre auch m.E. zudem der Tatbestand der Sittenwidrigkeit ("Drohung") des § 138 BGB gegeben.

Aus all diesen Gründen kann ich nach derzeitiger Sachlage nicht dazu raten, auf die Drohungen Ihres Ex-Mannes einzugehen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Thomas Henning, Wirtschaftsjurist

Rückfrage vom Fragesteller 9. September 2024 | 17:19

Herzlichen Dank für Ihre Antwort. Es ist möglich, dass mein Ex-Mann ein paar Wochen vor dem Notartermin meine Unterschrift erschlichen hat, weil ich etwas bzgl. der Reisefreiheit unserer Kinder auf der zweiten Seite unterschrieben habe. Ich war da völlig arglos. Jetzt ist es möglich, dass er über meine Unterschrift vielleicht etwas gedruckt hat, was jetzt diese Nebenabrede darstellen soll. Mal angenommen, ein Gericht befindet diese Nebenabrede als sittenwidrig wegen der Argumentation bzgl. des Kindesunterhaltes ,wäre dann der komplette Vertrag sittenwidrig und damit der Notarvertrag nichtig?

Vielen Dank!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 10. September 2024 | 06:55

Hallo

und vielen Dank für die Nachfrage. Grundsätzlich gilt, wie erwähnt, was im Notarvertrag steht. Ausnahmsweise kann dies dann unwirksam sein, wenn man etwas anderes beurkundet hat, als man tatsächlich wollte. Dann greift § 117 BGB wegen eines geheimen Vorbehalts. EIn Klassiker hierfür ist die Beurkundung eines zu niedrigen Kaufpreises, um Kosten zu sparen: Der nicht notariell vereinbarte Kaufpreis ist nichtig wegen Formmangels. Der notariell vereinbarte Kaufpreis ist nichtig wegen Scheingeschäfts.

In Ihrem Fall gilt das jedoch nicht. Denn zur Zeit der Beurkundung wollten Sie beide ja genau das vereinbaren, was beurkundet wurde. Das Thema "Verzinsung" kam erst später auf und war nicht Gegenstand des Notartermins. Daher würde eine entsprechende Sittenwidrigkeit nicht auf den Notarvertrag durchschlagen.

Freundliche Grüße

Thomas Henning
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 9. September 2024 | 17:11

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