Elternpflege Schonvermögen Immobilie

8. Juni 2008 13:45 |
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Familienrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Marco Liebmann

Guten Tag,

mir stellt sich folgendes Problem: Mein Vater hat vor ca. vier Monaten einen Schlaganfall erlitten und wurde auf (beginnende) Demenz diagnostiziert. Die Zeit in der Rehabilitation hat ihm jedoch sehr geholfen. Er hat sich beinahe vollständig erholt und lebt wieder allein in seiner Mietwohnung, was auch sehr gut klappt. Die Begutachtung durch den MDK hat eindeutig keine Pflegestufe ergeben.

Es ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass er erneut erkrankt und dabei auch eine Heimunterbringung notwendig wird. Wie erwähnt lebt er allein (ledig). Da seine Rente klein ist und er auch über kein eigenes Vermögen verfügt, kann er eine Pflegeunterbringung nicht selbst bezahlen.

Ich (ledig, keine Kinder) habe einen Geldbetrag von knapp unter 100.000 Euro angespart, der immer dazu dienen sollte, ein Eigenheim zu erwerben, um vor den sozialen Folgen möglicher Arbeitslosigkeit abgesichert zu sein und parallel dazu für das eigene Alter Vorsorge zu treffen. Ich verfüge sonst über keinerlei Vermögenswerte (also kein Auto, keine Immobilien, keine Wertpapiere, etc.). Außer der gesetzlichen Rentenversicherung verfüge ich noch über eine zusätzliche Altersvorsorge, die aber minimal ist. Sonstige Absicherungen wie Lebensversicherungen, etc. besitze ich nicht. Dafür suche ich seit ca. einem Jahr eine Immobilie zur Selbstnutzung und habe inzwischen auch interessante Angebote. Allerdings befinden sich diese Immobilien aufgrund des Preisniveaus ca. 100 Kilometer außerhalb meines Arbeitsortes (Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu zwei Stunden pro Strecke, Wohnfläche ca. 60 qm, Grundstück ca. 1.200 qm). Deshalb würde ich, solange ich in der glücklichen Lage bin zu arbeiten, mir in meiner derzeitigen Heimatstadt eine möglichst billige Mietwohnung nehmen, um die Kaufimmobilie am Wochenende, im Urlaub und ggf. auch hin und wieder unterhalb der Woche zu nutzen, sofern mein Arbeitgeber mit Heimarbeit einverstanden ist. Das wird aber die Ausnahme sein.

Meine Frage: Inwiefern wäre diese Immobilie, die ich jetzt erwerben würde, sicher vor dem Zugriff des Sozialamtes im Pflegefall meines Vaters? Da ich diese Immobilie auch erwerben will, um mich vor den möglichen Folgen einer Arbeitslosigkeit zu schützen (s. oben), werde ich sie sofort abzahlen. Daher frage ich mich außerdem, ob die rechtliche Bewertung in so einem Falle anders aussehen würde. Konkret: Sollte der Fall eintreten, dass mir mein Arbeitsgeber kündigt und ich auch nicht neues finde, könnte ich aus logistischen Gründen meine erworbene Immobilie komplett nutzen. Natürlich hoffe ich, dass dieser Fall nicht eintritt. Würde sich so eine Situation aber ergeben, wäre die rechtliche Bewertung dann überhaupt eine andere?

Über eine möglichst rasche Antwort freue ich mich.

Vielen Dank

Sehr geehrter Ratsuchender,

ich möchte Ihre Fragen auf Grund des dargelegten Sachverhalts und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworten:

Ich weise darauf hin, dass dies einer ersten Orientierung über die bestehende Rechtslage dient und ein ggf. persönliches Beratungsgespräch bei einem Anwalt Ihrer Wahl nicht ersetzt.

Das Hinzufügen oder Weglassen von Informationen kann die rechtliche Beurteilung beeinflussen.

Dies vorangestellt beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Grundsätzlich sind Sie Ihrem Vater zum Unterhalt nach § 1601 BGB verpflichtet. Dieser Anspruch würde im Fall der Pflege und Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung auf den zuständigen Sozialleistungsträger übergehen.

Grundsätzlich haben Sie Ihr Einkommen als auch Ihre Vermögen zur Deckung des Unterhaltsbedarfes einzusetzen.

Sie sind gemäß § 1603 BGB jedoch nur dann unterhaltsverpflichtet, solange Ihr angemessener Unterhalt nicht gefährdet ist.

Für den sonstigen Verwandtenunterhalt lässt zwar der Wortlaut des § 1603 Abs. 1 BGB keine weiteren Staffelungen erkennen - unterhaltspflichtig ist danach nur der nicht, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eine ausdrückliche Billigkeitsregelung wie § 1581 BGB enthält diese Vorschrift nicht. So wird das teilweise in der Rechtsprechung auch dargestellt.

Billigkeitsgrenzen werden dennoch gezogen, und zwar entweder durch die Herleitung einer vom Minderjährigen- über den Volljährigen- zum Elternunterhalt sich abschwächenden Verpflichtung aus der systematischen Gestaltung der Gesetze oder durch eine einschränkende Auslegung von § 1603 Abs. 1 BGB .

Der Befriedigung des Unterhaltsbedarfs des Schuldners (also Ihnen) dient im Verwandtenunterhalt auch ein angemessenes Familienheim, so dass dessen Verwertung in der Regel nicht verlangt werden darf (BGH Urt. v. 11. 7. 2000 FamRZ 2001, 21 , 23).


Schließlich wird anerkannt, dass das Vermögen auch dann nicht angegriffen werden muss, wenn es der Sicherstellung der Altersvorsorge dient. In diesen Zusammenhang gehört allgemein die Frage der Sicherstellung des künftigen eigenen Bedarfs. Dabei besteht in der Praxis ein starkes Interesse daran, dass Unterhaltspflichtigen feste Beträge genannt werden können, die als „Freibeträge“ oder „Vermögensselbstbehalte“ gelten können, ohne dass eine konkrete Zweckbestimmung - wie eben Altersvorsorge - nachgewiesen werden muss, wobei für die meisten Unterhaltspflichtigen die Vorsorge fürs Alter bei der Vermögensbildung durchaus am nächsten liegen dürfte.

Die Höhe des Schonvermögens wird in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich gehandhabt.
Viele Sozialhilfeträger haben hier Richtlinien zum freizulassenden Vermögen entwickelt. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. In jüngerer Zeit hat etwa das OLG Koblenz indirekt die Richtlinien in Rheinland-Pfalz mit einem Schonvermögen von rund EUR 76.000,- bestätigt.

Das OLG Köln hat einen Freibetrag, der an Richtlinien des Landschaftsverbandes Rheinland orientiert war, von rund EUR 11.000,- für zu niedrig gehalten; es hat vor allem im Hinblick auf Rücklagen für Instandhaltungskosten des selbst bewohnten Hauses und für einen neuen PKW das vorhandene Barguthaben von EUR 29.923,- für unangreifbar gehalten.

Der BGH hat bisher keinen Anlass gehabt, sich zu pauschalen Schonvermögensbeträgen zu äußern. Im bereits erwähnten, vom OLG Koblenz entschiedenen Fall war ein selbst bewohntes Appartement unbekannten Werts und ein weiteres Vermögen von rund EUR 150.000,- vorhanden; es handelte sich um einen abgeschlossenen Zeitraum, so dass der BGH hier ohne Nennung eines bestimmten Schonbetrages die Zahlung eines Unterhaltsbetrags von unter EUR 11.000,- für zumutbar befand.

Auch in der Literatur werden unabhängig von der Zweckbestimmung unverwertbare Vermögensreserven vorgeschlagen, die ein Vielfaches des dem Leistungsberechtigten nach dem SGB XII zustehenden Schonvermögens betragen sollen: Hußmann schlägt mindestens EUR 23.100,- vor, Soyka mindestens EUR 20.000,-, Müller mindestens EUR 75.000,-.

Günther setzt das Schonvermögen dann, wenn kein anderweitiges Vermögen, insbesondere ein Familienheim, vorhanden ist, auf nicht unter EUR 25.000,- an, „vielmehr eher im Bereich von EUR 75.000,-“; dieser Freibetrag sei noch zu erhöhen, wenn das für den eigenen Unterhalt für die Zukunft erforderlich sei. Dabei wird in einem ausführlich erläuterten Berechnungsmodell für das Ausmaß des zukünftigen Vermögensbedarfs auch auf die aktuelle Einkommenssituation abgestellt.

Sofern Sie also eine Immobilie erwerben, dürfte diese, aus den oben dargelegten Gründen vor einer Verwertung geschützt sein, da diese der Sicherung Ihres angemessenen Unterhalts dient.

Das gilt jedenfalls dann, wenn diese durch Sie selbst bewohnt wird. Auch das die Immobilie dann weitestgehend lastenfrei ist, spielt dabei keine Rolle.

Sofern Sie die Immobilie selbst nicht nutzen und im Arbeitsort eine Mietwohnung unterhalten, käme es auf den Einzelfall an.

An der dargelegten Bewertung ändert sich meines Erachtens aber jedenfalls dann nichts, wenn die erworbenen Immobilie Ihren Hauptwohnsitz darstellt und Sie sich am Arbeitsort eine Zweitwohnung unterhalten, mit der Begründung die täglichen Fahrtkosten zu ersparen, da diese höchstwahrscheinlich über der Miete für die Wohnung am Arbeitsort liegen würde.

Ich hoffe ich konnte Ihnen einen ersten Überblick über die bestehende Rechtslage geben und Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.

Bestehende Unklarheiten beantworte ich Ihnen gern innerhalb der kostenlosen Nachfragefunktion, wobei ich darum bitte, die Vorgaben dieses Forums zu beachten.

Darüber hinausgehende Fragen beantworte ich Ihnen gern im Rahmen einer Mandatserteilung.
Durch eine Mandatserteilung besteht auch die Möglichkeit einer weiterführenden Vertretung.
Die Kommunikation bei größerer Entfernung kann via Email, Post, Fax und Telefon erfolgen und steht einer Mandatsausführung nicht entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Liebmann
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 9. Juni 2008 | 12:20

Sehr geehrter Herr Liebmann,

vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Ich möchte zum folgenden Punkt konkreter nachfragen:

Sie schreiben "An der dargelegten Bewertung ändert sich meines Erachtens aber jedenfalls dann nichts, wenn die erworbenen Immobilie Ihren Hauptwohnsitz darstellt und Sie sich am Arbeitsort eine Zweitwohnung unterhalten, mit der Begründung die täglichen Fahrtkosten zu ersparen, da diese höchstwahrscheinlich über der Miete für die Wohnung am Arbeitsort liegen würde."

Nach einer Rückfrage beim Meldeamt gilt der Wohnort als Erstwohnsitz, von dem aus ich regelmäßig meinen Arbeitsplatz aufsuche. Aufgrund der Entfernung wäre dies dann meine Wohnung in Arbeitsplatznähe, die ich aber ja nur aufgrund der Entfernung in der Zeit von Montag morgen bis Freitag abend beziehen will/muss. Das heißt, meine Immobilie würde ich faktisch seltener aufsuchen (Wochenende, Urlaub, ggf. unterhalb der Woche bei Heimarbeitseinsätzen). Gilt meine Immobilie dann aber trotzdem als Hauptwohnsitz? (Ist ggf. der Begriff "Hauptwohnsitz" anders zu verstehen als der Begriff "Erstwohnsitz"?)

Vielen Dank.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Juni 2008 | 21:36

Sehr geehrter Ratsuchender,

ich möchte Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:

Die Aussage, dass Ihr Hauptwohnsitz der ist, von dem Sie Ihre Arbeitsstätte regelmäßig erreichen stimmt nur bedingt.

Hauptwohnsitz ist, derjenige, an dem Sie den Schwerpunkt Ihrer Lebensführung haben.

Wenn beim Hauptwohnsitz allerdings der Anknüpfungspunkt der Schwerpunkt der Lebensführung ist, dann dürfte regelmäßig der Hauptwohnsitz auch der Ort sein, an dem Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und sei es nur die Woche über zum Arbeiten.

Solange Sie also irgendeine (geeignete) Wohnung besitzen, ist immer auf den Lebensmittelpunkt abzustellen.

Dies ist dann allerdingst eine Tatsachenfrage.

Wenn Sie sich 4 Tage der Woche in Ihrer angeschafften Immobilie aufhalten, stellt dies dann also Ihren Lebensmittelpunkt dar.

Gleichwohl halte ich eine Verwertung der Immobilie für nicht wahrscheinlich, da Sie bei einer widererwartenden Geltendmachung Ihren Hauptwohnsitz spätestens dorthin verlagern können.

Ich hoffe ich konnte Ihre Nachfrage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Liebmann
Rechtsanwalt

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