Wann beginnt die Erbausschlagungsfrist bei Verwandten 3. Ordnung (Neffe/Onkel usw.)

| 13. April 2023 22:47 |
Preis: 50,00 € |

Erbrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Helge Müller-Roden

Die Ausgangssituation:
- Mein Onkel ist vor knapp 4 Wochen gestorben, es existiert kein Testament, sodaß die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung kommt und damit das Kenntnisdatum des Todesfalls meines Wissens eine grundsätzliche Bedeutung bekommt.
- Da mit großer Wahrscheinlichkeit von einem stark überschuldeten Nachlass auszugehen ist und ich auch so nichts mit meinem Onkel zu tun hatte und haben wollte, möchte ich unbedingt die Erbschaft ausschlagen.
- Mein Onkel hat noch lebende Kinder (Verwandte 1. Ordnung) und auch noch mehrere lebende Geschwister (Verwandte 2. Ordnung) die vor mir an der Reihe wären.
- Aufgrund unverbindlicher Äußerungen der Verwandtschaft kann ich davon ausgehen, daß alle Kinder und Geschwister meines Onkels die Erbschaft ausschlagen werden, das "Problem" könnte also bis zu mir gelangen, denn die Schulden meines Onkels sind für keinen in der Verwandtschaft eine Überraschung und keiner will da was erben das die Schulden wert wäre.

Unsicherheit besteht für mich nun, ab wann die Ausschlagungsfrist von 6 Wochen für Verwandte 3. Ordnung (also mich als Neffe) konkret zu laufen beginnt, sollten alle Verwandte 1. und 2. Ordnung das Erbe wirksam ausgeschlagen haben. Erfahren habe ich vom Tod meines Onkels nämlich grundsätzlich direkt am Todestag, 4 Wochen wären also im schlimmsten Fall schon fast rum.

Daher meine Frage:
Würde in beschriebener Konstellation für mich dann wirklich der Fristbeginn für die Ausschlagung zurück auf den Zeitpunkt fallen, an dem ich Kenntnis vom Tod meines Onkels erhielt (ganz so als wäre ich ein Verwandter erster Ordnung) oder kann ich mich in der Konstellation sicher darauf verlassen, daß mich als Neffe immer erst das Nachlassgericht darüber in Kenntnis setzen muss, daß alle Verwandten vor mir das Erbe ausgeschlagen haben und ich nun wirklich erbtechnisch an der Reihe wäre, bevor die 6 Wochen für mich persönlich wirklich zu laufen beginnen?

Mit den Paragraphen habe ich mich zwar grundsätzlich vertraut gemacht, allerdings kann ich den "Grund der Berufung" in dieser Konstellation nicht eindeutig zuordnen, da immer davon geschrieben wird, daß eine Ausschlagung wirkt, als hätte der Ausschlagende zum Todeszeitpunkt des Erblassers nicht gelebt. Was theoretisch ja bedeuten könnte, das auch für mich als Neffe die Kenntnis des Todesfalls und die grundsätzliche Möglichkeit als Verwandter erben zu können auch ein "Grund der Berufung" sein könnte, weil die vor mir dann ja quasi nicht "existiert" haben (auch wenn das aus meiner Laien-Sicht keinen Sinn machen würde).
Meine Hoffnung ist daher, daß der "Grund der Berufung" in der Tat die Information des Nachlassgerichts an mich ist, daß alle Verwandte vor mir in der Reihenfolge wirksam durch Ausschlagung als Erben ausgefallen sind, das würde für mich am meisten Sinn ergeben, da man ja keine Möglichkeit hat ein Erbe überhaupt zu prüfen, solange man nicht wirklich auch zumindest kurzzeitig Erbe war.

Hintergrund der Frage ist, daß ich aktuell nicht sicherstellen kann, daß ich in den verbleibenden 2 Wochen seit dem Tod meines Onkels meine Auschlagungserklärung rechtzeitig beim Nachlassgericht einreichen könnte (auch wenn ich mich derzeit natürlich darum bemühe).
Wenn die Ausschlagungs-Frist für mich als Neffen also eigentlich noch gar nicht begonnen hätte, weil ich noch gar nichts vom Nachlassgericht gehört habe, dann wäre das natürlich eine große Stressreduzierung für mich.

Ich hoffe, daß ich mich soweit verständlich ausgedrückt und alle Begiffe korrekt angewendet habe und hoffe nun auf eine präzise, laienverständliche und hoffentlich beruhigende Antwort.

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Die Ausschlagung der Erbschaft ist in § 1942 BGB) geregelt.

Zitat:
Anfall und Ausschlagung der Erbschaft (Anfall der Erbschaft).
(1) Die Erbschaft geht auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen.

Gem. § 1944 Abs. I BGB beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Wochen, nachdem Sie von ihrer Erbschaft Kenntnis erlangen, gem. § 1944 Abs. III BGB sogar 6 Monate, wenn Sie sich zum fraglichen Zeitpunkt im Ausland aufhalten.

In § 1944 Abs. II BGB ist der Fristbeginn geregelt. Das ist der Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt.

Das erfolgt wiederum durch eine schriftliche Benachrichtigung des Familiengerichts, wenn Sie Erbe aufgrund einer Verfügung von Todes wegen geworden sind.

Die Kenntnis des Anfalls der Erbschaft setzt voraus, dass Sie vom Erbfall, also vom Tod Ihres Onkels Kenntnis erlangt haben.

Den Berufungsgrund kennen Sie, wenn Sie wissen, ob Sie kraft Gesetzes oder durch Verfügung von Todes wegen zur Erbschaft berufen sind (Testament oder Erbvertrag).

Bei gesetzlicher Erbfolge ist die Kenntnis des Berufungsgrundes dann gegeben, wenn Sie die konkreten Familienverhältnisse kennen, auf deren Grundlage Sie erbberechtigt sind, und Ihnen bekannt ist, dass kein Testament oder Erbvertrag vorliegt, der Ihr Erbrecht ausschließt.

Sie teilen dazu mit, es existiert kein Testament u.ä., so daß die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung kommt.

Aber Sie wissen ja, dass Sie nicht der unmittelbare Erbe nach gesetzlicher 1. Ordnung sind.

Also müssen Sie erst von der wirksam erfolgten Ausschlagung der vor Ihnen berufenen Erben sichere Kenntnis erlangen.

Das geht wiederum nur durch eine entsprechende Mitteilung des Nachlassgerichts.

Die Ausschlagung muss dann von Ihnen persönlich gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden (§ 1945 BGB). Sie können auch eine notariell beurkundete Erklärung der Ausschlagung einreichen lassen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 14. April 2023 | 01:02

Vielen Dank für Ihre rasche und ausführliche Antwort. Im Grunde haben Sie meine Frage bereits gut beantwortet, dennoch möchte ich nochmal vorsichtshalber zum Verständnis nachhaken, um Ihre Erklärung besser zu verstehen.

Sie schreiben: "Bei gesetzlicher Erbfolge ist die Kenntnis des Berufungsgrundes dann gegeben, wenn Sie die konkreten Familienverhältnisse kennen, auf deren Grundlage Sie erbberechtigt sind".
Mein Verständnis: Wenn ich also sicher weiß, in meiner Verwandschaft existieren noch vorrangige Verwandte (wie in meiner aktuellen Situation), dann kann ich bei gesetzlicher Erbfolge also immer davon ausgehen, daß die Kenntnis des Todesfalles alleine noch keine Frist startet, weil ich eben auch davon ausgehen kann, noch nicht direkt zum Erbe berufen zu sein und daher immer erst eine gesonderte Information durch das Nachlassgericht notwendig ist um mich wirklich zum Erbe zu machen und dann erst startet die Frist für eine Ausschlagung. Ist das so korrekt?

Würde das im Umkehrschluss auch bedeuten, sollte man z.B. wissen, daß zum Zeitpunkt eines Todesfalls in der Verwandschaft bereits keine vorrangigen Verwandte mehr existierten weil z.B. ein verstorbener Onkel keine Kinder hatte und seine Geschwister bereits verstorben sind, man dann auch als Neffe trotzdem wieder davon ausgehen müsste, doch direkt zum Erbe berufen zu sein und dann die Frist in dem Fall auch für Neffen mit dem Todesfallzeitpunkt startet?
Oder müssen Verwandte ab der 2. Ordnung grundsätzlich immer erst durch das Gericht von ihrer wirklichen Berufung als Erbe in Kenntnis gesetzt werden, ungeachtet dessen ob (noch) Verwandte 1. Ordnung existieren, bevor die Frist startet?
Ich hoffe dies zählt nicht als weitergehende Frage, mir geht es wie gesagt darum zu verstehen, wie das Gesetz hier grundsätzlich gedacht ist, um nicht bei der nächsten Erbsituation in der Familie möglicherweise die falschen Schlüsse aus Ihrer Antwort zu ziehen. Aber ich habe natürlich Verständnis, falls diese Frage so nicht mehr beantwortet werden kann.

Nochmal danke für Ihre Antwort, ich werde bereits jetzt ruhiger schlafen.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 14. April 2023 | 08:34

Wenn Sie als Verwandter ab der 2. Ordnung sicher wissen, dass der Erblasser keine Verfügung von Todes Wegen errichtet hatte und damit die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist und vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangen, gilt § 1944 Abs. II S. 2 BGB eben nicht, wenn Ihnen auch bekannt ist, dass alle Ihnen vorrangige gesetzliche Erben bereits zum Erbfall weggefallen waren bzw. die Erbschaft ausgeschlagen haben.

Das 2. können Sie an sich nicht wissen, das 1. ist zwar kaum nachweisbar, kann aber rein theoretisch eintreten.

Grundsätzlich können Sie davon ausgehen, dass Sie immer erst durch das Nachlassgericht von ihrer wirklichen Berufung als Erbe in Kenntnis gesetzt werden, und erst damit die Frist startet.

Bewertung des Fragestellers 14. April 2023 | 17:46

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Zwar hatte ich jeweils Schwierigkeiten in den einleitenden juristischen Erklärungen als Laie jeweils genau zu erkennen wie die Bewertung zustande kommt, teilweise hat es mich eher verwirrt, der Anwalt hat aber jedesmal mit einer klar verständlichen Aussage am Ende zusammengefasst, was das für mich genau bedeutet und das war ja auch worum es mir grundsätzlich ging (deswegen 4 Sterne).
Ich hätte mir zwar noch gewünscht, einfacher die Zusammenhänge rauslesen und verstehen zu können, weil das doch sehr viel Fachsprache war, aber grundsätzlich wurde meine Frage beantwortet. Insgesamt bin ich daher recht zufrieden. Empfehlenswert.

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