Nachehel. Unterhalt: Außergerichtliche Einigung vs. Gerichtliche Auseinandersetzung

13. Januar 2023 12:10 |
Preis: 45,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Es besteht folgende Situation:
- ich befinde mich mit meiner Frau im Scheidungsprozess (Scheidung eingereicht im Sep 2022)
- ich zahle bzw. muss Trennungsunterhalt i.H.v. 1400 € p.m. zahlen
- Dauer der Ehe 20 Jahre
- 2 Kinder, beide über 18, aktuell im Rahmen eines FsJ im Ausland lebend
- Meine Frau fordert nachehelichen Unterhalt aufgrund ehebedingter Nachteile, ggf. über eine außergerichtliche Einigung
- Begründung: wir haben von 2008-2017 im Ausland gelebt (4 Einsätze in Osteuropa und Afrika)
- Ursprünglicher Auslöser war meine Tätigkeit, jedoch war meine Frau absolut einverstanden mit dieser Entscheidung, auch, weil es unsere finanzielle Situation als Familie maßgeblich verbesserte
- Sie begann dann umgehend selbst, ihre Karriere im Ausland zu forcieren (kleinere Projekte im ersten Einsatzland, Praktika in einem weiteren Land) und fand dann während des zweiten Einsatzes auch recht schnell eine Teilzeitbeschäftigung, die sie vorrangig deshalb annahm, weil es sie inhaltlich interessierte
- Im dritten Einsatzland waren die Optionen für sie dann wieder begrenzt, weshalb ich sie motivierte, sich selbst auf Auslandsprojekte zu bewerben (meine Perspektiven waren zu der Zeit unsicher), was kurze Zeit später auch realisiert wurde
- Der Einsatz im vierten Einsatzland (Afrika) ist demnach auch in der Entsendung meiner Frau begründet, wobei ich mit ausreisen und von dort quasi dauerhaft im Homeoffice arbeiten konnte, was allerdings mit vielen Dienstreisen verbunden war
- Anschließend kehrten wir nach Deutschland zurück, waren beide auf Jobsuche
- Meine Frau fand noch vor mir eine befristete Tätigkeit (18 Monate), ich dann wenig später eine unbefristete
- In 2019 nahm meine Frau eine Folgetätigkeit auf, der sie bis heute nachgeht
- Ich wurde in 2019 arbeitslos, fand im gleichen Jahr aber auch wieder eine Arbeit
- In 2020/2021 erfolgte dann die Trennung
- Meine Frau fordert nachehelichen Unterhalt, weil sie bedingt durch die Auslandsaufenthalte und Kinderbetreuung ihre berufliche Karriere nicht so forcieren und gestalten konnte wie das unter inländischen Bedingungen möglich gewesen wäre (ihr aktueller Verdienst fast 5000 € brutto p.m.)
- Ich kann die Forderung nicht nachvollziehen und meine Frage ist: sollte ich vor Gericht gehen und wie wären meine Chancen dort, der Unterhaltsforderung nicht oder nur in geringem Umfang nachkommen zu müssen, oder sollte ich versuchen, mich außergerichtlich zu einigen?
- Meine Anwältin schätzt die Erfolgschance auf 50:50
- Zusatzinfo: das zuständige OLG verfolgt die 1/3 Regelung, so dass ich aufgrund der langen Ehedauer von 20 Jahren 6-7 Jahre Unterhalt zahlen müsste
Vielen Dank!

13. Januar 2023 | 13:03

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Mir ist aus vielen Verfahren bekannt, dass viele Oberlandesgerichte immer noch die 1/3 Regelung (bezogen auf die Ehezeit) für die Frage anwenden, wie die nach § 1578 b BGB ggf. vorzunehmende Befristung zeitlich zu gestalten ist. Diese weit verbreitete Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird vom BGH indessen nicht geteilt, der einen derartigen Schematismus ablehnt und vielmehr eine differenzierte Einzelfallentscheidung fordert (BGH Az. XII ZB 448/17 und XII ZB 3/19).

Eine außergerichtliche Regelung hat immer den Vorteil, dass Sie -im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung- sehr zeitnah eine Regelung finden, die auch für Ihre persönliches Leben einen endgültigen Abschluss darstellt und Sie für die Zukunft auch planen können. Auch aus Kostengründen ist eine derartige außergerichtliche Vereinbarung sinnvoll im Verhältnis zu ggf. jahrelangen prozessualen Auseinandersetzungen, deren Ausgang offen ist.

Hinzu kommt, dass dann, wenn ehebedingte Nachteile feststehen sollten, eine Befristung mit wenigen Ausnahmen nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen sein soll (BGH Az. XII ZR 34/09).

Ob ehebedingte Nachteile vorliegen oder nicht, ist im Rahmen eines Unterhaltsprozesses umfassend zu klären.

Da die gesetzliche Regelung die es, dass es einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gibt, tragen Sie zunächst die volle Darlegungs- und Beweislast für alle die Unbilligkeit eines der Höhe nach unbeschränkten und unbefristeten Unterhaltsanspruchs begründenden Umstände, insbesondere für die Dauer der Ehe, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit, die Verbesserung des Lebensbedarfs durch die Eheschließung oder dass die Kinderbetreuung nur vorübergehend oder nicht überwiegend wahrgenommen wurde (BGH, Beschluss vom 26.3.2014 XII ZB 214/13).

Erst dann, wenn Ihnen dieser Sachvortrag gelingt und Sie ihn auch beweisen können, obliegt es Ihrer Frau als Unterhaltsberechtigte, als „Ausnahme von der Ausnahme" die Darlegungs- und Beweislast für die bei der Billigkeitsabwägung zu seinen Gunsten sprechenden Umstände vorzutragen und zu beweisen.

In der Praxis ist es für Sie bereits schwierig, Ihrer Darlegungs- und Beweislast nachzukommen. Ob dies in Ihrem Fall möglich ist, kann ich nicht beurteilen. Falls Ihnen das mit Ihrer Anwältin zusammen bereits jetzt nicht gelingen sollte, ist eine außergerichtliche Einigung ebenfalls ratsam.

Maßgebend für die Frage, ob ehebedingte Nachteile vorliegen, ist nach der Rechtsprechung des BGH folgendes:

Ehebedingt sind Nachteile, die „die Fähigkeit eines Ehegatten, für seinen Unterhalt zu sorgen", durch „die Gestaltung der Ehe, insbesondere die Arbeitsteilung der Ehegatten" beeinträchtigen. Aus Gründen der nachehelichen Solidarität folgen sie vor allem aus verringerten Erwerbseinkünften infolge der Beeinträchtigung der beruflichen Entwicklung des Bedürftigen durch die eheliche Gestaltung von Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit während der Ehe. Der ehebedingte Nachteil kann sowohl in Erwerbs- als auch in Versorgungsnachteilen bestehen (BGH Az. XII ZB 3/19). Hier muss eine umfassende Gesamtabwägung erfolgen.

Bei einer Ehedauer von 20 Jahren und der Geburt 2 Kindern, die von der Ehefrau im wesentlichen großgezogen worden sind , die dafür ggf. Ihre Erwerbstätigkeit einschränken musste, liegen zunächst einmal Gründe für einen ehebedingten Nachteil vor.

Da Ihre Frau mit heute rund 5000 Euro brutto aber ein Einkommen hat, das ich als annährend bedarfsdeckend bezeichne, müsste Ihre Frau für einen ehebedingten Nachteilen nachweisen können, wie denn Ihr Einkommen heute wäre, wenn man die tatsächliche Gestaltung in der Ehe hinwegdenkt.

Da die neun Jahre Auslandsaufenthalt abgesprochen waren und Ihre Frau hier auch teilweise berufstätig war und nach Rückkehr nach Deutschland sogar eher als Sie eine Erwerbstätigkeit fand und dieser nachgeht, sehe ich aktuell nicht, dass hier eine Einbuße in einer beruflichen nachteiligen Entwicklung vorliegt, die in der Ehe und Kindererziehung begründet ist.

Abzustellen wäre hier nämlich darauf, ob und inwieweit Ihre Frau eigene Ausbildungs-, Berufs- und Erwerbsaussichten zurückgestellt hat, um durch die Haushaltsführung Ihnen volle berufliche Entfaltung und Fortkommen zu ermöglichen, die Ihre Frau ggf. erst nach der Scheidung aufnehmen bzw. wahrnehmen konnte (BGH, Urteil vom 18.2.2015 – XII ZR 80/13 ) Hier ist mir das, was Ihre Frau dazu behauptet, aktuell noch viel zu dünn.

Ich hoffe, Ihnen hiermit vorab geholfen zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Klein





Rechtsanwalt Thomas Klein
Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

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