Syrische Eltern nach Deutschland holen

8. Februar 2022 21:03 |
Preis: 60,00 € |

Ausländerrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Der Nachzug ausländischer Eltern zu ihrem volljährigen Kind nach Deutschland setzt u.a. eine außergewöhnliche Härte voraus (§ 36 Abs. 2 AufenthG).

Sehr geehrte Damen und Herren Rechtsanwälte,

Ich bin 35 Jahre alt, Syrer und habe vor kurzem die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Ich lebe mit meiner Schwester in Hessen. Wir arbeiten beide mit mehr als 2000 Euro Gehalt.
Unsere alten syrischen Eltern (74 und 65 Jahre alt) leben derzeit allein in Damaskus. Es gibt keine Familienangehörigen, die sich um sie kümmern können. Sie haben zwar mehrere gesundheitliche Probleme, sind aber nicht pflegebedürftig. Die Situation in Syrien ist jedoch sehr stressig, was zu einer ständigen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands führt. Außerdem sind die Grundbedürfnisse (z.B. Strom, Gas zum Heizen) nicht ausreichend vorhanden, weshalb wir sie gerne nach Deutschland bringen möchten.
Wir wissen von dem Aufnahmeprogramm, das es Syrern erlaubt, ihre Familienangehörigen in andere Bundesländer (Berlin, Hamburg...) zu holen, aber derzeit nicht nach Hessen.
Unsere Fragen:
1. Wäre es möglich, sie zu einem dauerhaften Aufenthalt oder zumindest zu einem Besuch nach Deutschland zu holen?
2. Wenn ja, würde die Krankenversicherung vom Staat übernommen werden?

Ich danke vielmals im voraus für die Beantwortung meiner Fragen!


Einsatz editiert am 10.02.2022 08:03:37

Einsatz editiert am 12.02.2022 15:08:56

13. Februar 2022 | 13:26

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ein Elternnachzug kommt allein auf Grundlage des § 36 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in Betracht:

Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Auf volljährige Familienangehörige sind § 30 Abs. 3 und § 31, auf minderjährige Familienangehörige ist § 34 entsprechend anzuwenden.

Eine außergewöhnliche Härte definiert die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 wie folgt:

36.2.2.0 Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft muss zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte (unbestimmter
Rechtsbegriff) erforderlich sein, d. h. die familiäre Lebensgemeinschaft muss das geeignete und notwendige Mittel sein, um die außergewöhnliche Härte zu vermeiden.

36.2.2.1 Ein Nachzug kommt nur in Betracht, wenn im Fall der Versagung des Nachzugs die Interessen des im Bundesgebiet lebenden Ausländers oder des nachzugswilligen sonstigen Familienangehörigen mindestens genauso stark berührt wären, wie dies im Fall von Ehegatten und minderjährigen ledigen Kindern der Fall sein würde. Nach Art und Schwere müssen so erhebliche Schwierigkeiten für den Erhalt der familiären Lebensgemeinschaft drohen, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis ausnahmsweise als unvertretbar anzusehen ist. § 36 setzt dabei nicht nur eine besondere, sondern eine außergewöhnliche Härte voraus.

36.2.2.2 Härtefallbegründend sind danach solche Umstände, aus denen sich ergibt, dass entweder der im Bundesgebiet lebende oder der nachzugswillige Familienangehörige auf die familiäre Lebenshilfe angewiesen ist, die sich nur im Bundesgebiet erbringen lässt (z. B. infolge einer
besonderen Betreuungsbedürftigkeit). Bei Minderjährigen sind das Wohl des Kindes und
dessen Lebensalter vorrangig zu berücksichtigen. Der Verlust eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug infolge einer Überschreitung der Altersgrenze für den Nachzug stellt grundsätzlich keinen Härtefall dar.

36.2.2.3 Umstände, die ein familiäres Angewiesensein begründen, können sich nur aus individuellen
Besonderheiten des Einzelfalls
ergeben (z. B. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit,
psychische Not). Umstände, die sich aus den allgemeinen Lebensverhältnissen im Herkunftsland des nachziehenden Familienangehörigen ergeben, können insoweit nicht berücksichtigt werden. Keinen Härtefall begründen danach z. B. ungünstige schulische, wirtschaftliche, soziale und sonstige Verhältnisse im Heimatstaat. Ebenso wenig sind politische Verfolgungsgründe maßgebend. Dringende humanitäre Gründe, die nicht auf der Trennung der Familienangehörigen beruhen, sind nur im Rahmen humanitärer Aufenthaltsgewährung zu berücksichtigen (§§ 22 ff.) und begründen keinen Härtefall i. S. d. § 36.

36.2.2.4 Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem im Bundesgebiet lebenden
Angehörigen ist im Allgemeinen nicht zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich, wenn im Ausland andere Familienangehörige leben, die zur Betreuung und Erziehung in der Lage sind. Dies ist bei einem Nachzug volljähriger Kinder und volljähriger Adoptivkinder zu den Eltern, beim Nachzug von Eltern zu volljährigen Kindern, beim Enkelnachzug und dem Nachzug von Kindern zu
Geschwistern besonders zu prüfen.


Es wäre also erforderlich, eine außergewöhnliche Härte eingehend zu begründen.

Daneben bleibt die Möglichkeit eines Besuchsvisums (Schengen-Visum).

Ihre Eltern müssten sich bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG auf eigene Kosten privat versichern. Der Basistarif in der privaten Krankenversicherung würde jedoch ausreichen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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