Baumschnittzwang

| 2. Mai 2017 19:17 |
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Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Überhang Baum
Laub, Früchte, Samen

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wohne in Berlin-Pankow (Rosenthal) auf meinem eigenen Grundstück.
Hier wächst ein Ahorn, der bereits gepflanzt war, ehe ich dieses Grundstück vor 15 Jahren erwarb. Er hat mittlerweile einen Umfang von 220 cm in einer Höhe von 180 cm. Der Baum selbst ist ca.15 m hoch. Er ragt mit seinen Zweigen ca. 3 m über die Grenze des Nachbarn ab in einer Höhe von ca. 4m.
Der Nachbar hat mir eine Frist gesetzt, den Baum in dem Maße zu beschneiden, dass die Äste nicht mehr über sein Grundstück ragen. Er vertritt die Auffassung, dass die Beseitigung der abfallenden Blüten im Frühjahr, der Samenfrüchte im Sommer und der Blätter im Herbst nicht seine Aufgabe sei. Auch seien die Kosten für die Laubentsorgung von mir zu tragen.

Bitte beantworten Sie mir in Ihrer Antwort folgende Fragen:
1. Wie ist die rechtliche Lage hier in Berlin?
2. Welche gesetzlichen Regelungen sind hier zutreffend? Sollte es keine geben, welche Gerichtsurteile sind zur Einschätzung heranzuziehen?
3. Für welche Dinge bin ich in dieser Hinsicht als Grundstückseigentümer zuständig?
4. Wofür ist der Nachbar zuständig?
5. Was muss er hinnehmen?
6. Darf er ohne meine Genehmigung meinen Baum beschneiden?
7. Wenn nein, wie kann ich ihn daran hindern?
8. Welchen Regelungen aus dem Naturschutz unterliegt der o.g. Ahorn?

Herzlichen Dank im Voraus für Ihre Antwort!

2. Mai 2017 | 21:33

Antwort

von


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Sehr geehrte Ratsuchende,

Ihre Fragen zu Ihrem Ahornbaum beantworte ich wie folgt.

Zunächst einmal ist jeder Eigentümer befugt, mit seinem Eigentum nach belieben zu verfahren, "soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen [.]" (§ 903 S. 1 BGB )

Ich gehe davon aus, dass der Baum -nach einer ersten Internetsuche wohl nicht "stark wachsend" - in ausreichendem Abstand (1,50 m) zur Grundstücksgrenze steht (§ 27 Nr. 1 Berliner Nachbarrechtsgesetz [NachbG Bln], § 30 S. 1 NachbG Bln). Jedenfalls wäre ein Anspruch auf Beseitigung (§ 31 S. 1 NachbG Bln) verjährt, weil nicht innerhalb nach Anpflanzung Klage erhoben wurde (§ 32 S. 2 NachbG Bln).

Für Grenzüberschreitungen finden die § 1004 BGB (Beseitigungsanspruch) und § 910 BGB (Überhang) Anwendung:

-Da der Baum in das Grundstück des Nachbarn wächst, hat dieser Grundsätzlich einen Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 BGB ), da er selbst entscheiden darf, was sich auf seinem Grundstück befindet und die Zweige jedenfalls dem Grunde nach das Eigentum des Nachbarn beeinträchtigen.

Ob der Nachbar den Überwuchs dulden muss, werde ich weiter unten erläutern, denn jedenfalls ist ein Anspruch des Nachbarn auf Beseitigung durch Sie verjährt, soweit der Überwuchs (in einer bestimmten) Länge bereits vor dem 31.12.2013 bestand (§ 195 , 199 Abs. 1 BGB ).

Sie könnten also allenfalls verpflichtet sein, den Überwuchs der seit dem 01.01.2014 gewachsen ist, zu beseitigen.

-Jedoch verjährt das in § 910 genannte Selbsthilferecht nicht. Der Nachbar könnte daher berechtigt sein, die Zeige abzuschneiden.

§ 910 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit S. 1: "Der Eigentümer eines Grundstücks kann [herüberragende[...] Zweige[...]] eines Baumes [...], die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten[,] [...] wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt."
Abs. 2: "Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn [...] die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen."

Zweige sind herübergewachsen und dringen in den Luftraum des Nachbarn ein. Der Nachbar hat Ihnen eine Frist zur Beseitigung gesetzt.

Schneiden Sie nicht zurück, könnte der Nachbar also selbst Hand anlegen.

Das gilt jedoch nicht, wenn die Zweige "die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen."

Eine konkrete Beeinträchtigung durch herüberragende Äste in vier Meter Höhe kann der Nachbar nur schwer begründen. Es kommt aber auf das konkrete Geschehen an.

Bezüglich des auf das Grundstück des Nachbarn fallenden Laubes und der Früchte kommt es darauf an, ob es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung handelt (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB analog).
Käme man zu dem Ergebnis, dass es sich um ein wesentliche Beeinträchtigung des Nachbarn handelt, so müsste er diese dennoch dulden, wenn sie durch "eine ortsübliche Benutzung [...] herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die [...] wirtschaftlich zumutbar sind.
Ich vermute, dass in der näheren Umgebung weiter Bäume stehen und auch durch ein zurückschneiden, Laub, Früchte und Samen auf das Nachbargrundstück fallen.


1./2./3. Sie müssen die Kosten der Laubentsorgung nicht tragen, wenn Sie "im Grünen" wohnen. Zu den gesetzlichen Regelungen habe ich oben ausgeführt. Da es um auslegungsbedürftige Begriffe geht, kann je nach der konkreten Lage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

4./5. Ohne konkrete Beeinträchtigung muss der Nachbar den Überhang/Überwuchs dulden, ebenso Laub u.ä.

6./7. Wenn Ihr Nachbar nicht konkret beeinträchtigt ist, darf er den Baum nicht beschneiden. Sie könnten ihn im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Beschneiden untersagen lassen. Die Unterlassung kann durch Ordnungsgeld und Ordnungshaft vollstreckt werden.

8. Der Ahorn ist als Laubbaum von der Berliner Baumschutzverordnung – BaumSchVO erfasst (dort § 2 Abs. 2 Nr. 1).

Verboten ist danach u.a. das Abschneiden "geschützte] Bäume oder Teile von ihnen [...] abzuschneiden oder auf sonstige Weise in ihrem Weiterbestand zu beeinträchtigen." (§ 4 Abs. 1 BaumSchVO).

In § 4 Abs. 4 Nr. 3 ist jedoch geregelt, dass ein Rückschnitt um 15 cm erlaubt ist.

Ein verbotener Rückschnitt ist eine Ordnungswidrigkeit und eine strafrechtliche Sachbeschädigung.


Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 5. Mai 2017 | 08:08

Sehr geehrter Herr Eichhorn,

vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Frage.
Zum besseren Verständnis möchte ich gerne noch etwas nachfragen:
Liegt eine konkrete Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung vor, wenn mein Ahorn auf den Teil des Nachbargrundstückes herüberreicht, auf dem ein Nebengebäude, ein Schuppen steht?
Dass der Nachbar mehr Arbeit hat durch Jäten, Laubharken, Regenrinne säubern und die Entsorgung o.ä. ist also keine konkrete Beeinträchtigung?
Wie ändert sich die Sachlage, wenn der Nachbar lediglich ein Mieter und nicht der Eigentümer ist? Kann ich mir anhand eines Eigentümernachweises zeigen lassen, dass er überhaupt berechtigt ist, Ansprüche zu stellen?

Herzlichen Dank im Voraus für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 5. Mai 2017 | 09:55

Sehr geehrte Ratsuchende,

vielen Dank für Ihre Nachfragen.

- Ein Beeinträchtigung liegt vor, wenn die Nutzung des Schuppens eingeschränkt ist. Die wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks muss beeinträchtigt sein. Das sehe ich nicht, wenn nicht der Schuppen vier Meter hoch ist und Schaden nimmt. Es kommt aber auf die konkreten Umstände an. Das OLG Saarbrücken (OLGR 2007, 927 ; Lemke, Bäume auf Nachbargrundstücken - Zündstoff für Ärger, ZAP Fach 7, S. 455 [465]) hat entschieden, dass ein PKW-Stellplatz nicht wesentlich beeinträchtigt wird durch bis zu 4,10 m auf das Nachbargrundstück herüberhängende Fichten-Zweige.

-Mehrarbeit ist zwar eine Beeinträchtigung, die der Nachbar aber dulden muss, wenn Sie ortsüblich ist und der Grenzabstand nach dem Nachbarrechtsgesetz eingehalten ist (BGH, Urt. v. 14.11.2003 - V ZR 102/03 , 4. Leitsatz: "Der Eigentümer eines Baumes ist für die von diesem ausgehenden natürlichen Immissionen (Laub, Nadeln, Blüten, Zapfen) auf benachbarte Grundstücke jedenfalls dann verantwortlich und damit "Störer" im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB , wenn er sie unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand unterhält.")

-Ist der Nachbar lediglich Mieter, hat er nach dem Wortlaut keinen Anspruch gegen Sie aus § 910 , § 1004 oder aus 906 BGB direkt.

Allerdings kann sich auch der berechtigte Besitzer - wie der Mieter - gegen Beeinträchtigungen seines Besitzes auf dem Rechtswege wie der Eigentümer wehren (§ 862 BGB ).

Abschneiden nach § 910 BGB darf der Mieter jedoch nicht, außer er wird durch den Eigentümer dazu ermächtigt.

Einen Anspruch auf einen Nachweis der Eigentümerstellung haben Sie außergerichtlich nicht. Im eigenen Interesse wird der Nachbar seine Berechtigung nachweisen, wenn Sie diese bestreiten.

Zur weiteren Streitvermeidung wäre es empfehlenswert, die Astspitzen bis zu maximal 15 cm nach § 4 Abs. 4 Nr. 2 Berliner BaumSchVO zu kürzen, da ohne Verschnitt der Überhang ja jedes Jahr zunimmt. Der Nachbar muss Sie dafür auch auf sein Grundstück lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Eichhorn
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 5. Mai 2017 | 10:51

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