Kindergarten-/ Krippenplatz-Klage Niedersachsen

5. August 2016 09:51 |
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Verwaltungsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Christian Reckling

Zusammenfassung

Mögliche Verwirkung des Rechtsanspruchs auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Beweislast bei der Feststellung von sonderpädagogischen Förderbedarf.

Wir haben insgesamt 5 Kinder (2 davon bereits in der Schule). Unsere Tochter ist jetzt 4 1/2 und ging die ersten Jahre (bis 2015) im Ort in die Krippe hier im Ort. Leider hat die dortige Kiga-Leitung sie bereits 2014 in die Kiga-Gruppe stecken wollen (sie war dort 2 Jahre alt und der Grossteil dieser Gruppe war bereits im Vorschulalter). So gerne sie die Krippe besuchte, so sehr veränderte sie sich jetzt, stemmte sich gegen die Tür, schrie, klammerte und wollte nur noch weg. Ich habe mich dann mit der Leitung angelegt (damals war ich Vorsitzende des Elternrats) und habe durchgesetzt, dass sie zurück in die Krippe konnte (wo laut Leitung ja gar keine Plätze mehr frei sein sollten, tatsächlich waren aber mind 2 Plätze frei...). Nach diesem Jahr, also 2015, gaben wir sie daher zunächst in den Heilpädagogischen Kindergarten (HPK)/ Kleingruppe. Allerdings funktionierte es dort auch nicht, weil sie das einzig "normal intelligente Kind" in der Gruppe war zwischen 5 Jungen und einem weiteren Mädchen, was jedoch fast nie da war. Nach Anraten des SPZ sollten wir sie in einer Integrativen Kita anmelden oder wieder im Regelkiga (ggf. mit Unterstützung), was wir auch taten. Abmeldung im HPK erfolgte Anfang des Jahres, Anmeldung in unserer Wahlkita im Nachbarort im Januar (dort sind auch ihre Freunde aus der Krippenzeit und sie absolvierte dort einen Schnuppertag und lief ganz normal mit, war endlich wieder glücklich). Seit dem stehen wir dort auf der Warteliste bzw. sie war angemeldet für August 2016. Im Februar, März und April fragte ich nach, ob wir mit einem Platz vor Sommer rechnen könnten bzw. wie es im Sommer aussah. Jedes Mal versicherte mir die dortige Leitung, dass ich mir keine Sorgen machen solle, die Gemeinde muss noch eine Gruppe aufmachen, aber es würde schon klappen. Verträge würden aber noch dauern. Anfang Mai dann erfuhr ich endlich (wieder nur auf meine Rückfrage), dass wir keine Plätze bekommen würden (unsere 1 1/2jährigen Zwillinge hatten wir schon im November 2015 auf die Liste setzen lassen). Die Zwillinge waren bis Mai hier im Ort in der Krippe, wegen Mobbings der Leiterin an mir, den Kindern und ihren eigenen Krippenmitarbeitern kündigte ich aber wegen der Unzumutbarkeit der weiteren Betreuung dort (Zeugen gegen die dortige Leitung können benannt werden !). Somit hatte ich seit April alle 3 Kinder zu Hause, konnte nicht arbeiten etc. Ich habe nun Klage gegen die Gemeinde bzw den Landkreis eingereicht, nun werden aber Dinge von uns verlangt, die es gar nicht gibt: ICH solle vom Gesundheitsamt erst einmal eine Bescheinigung besorgen, dass unsere Tochter keinen Förderbedarf hat, ICH hätte die Anmeldungen im April zurück gezogen (Ich habe im Mai, nachdem ich von der Absage erfuhr, erklärt (schriftlich per Mail), dass wir an ALLEN Anmeldungen festhalten !), man hätte mir seitens der Leitung aus dem Nachbarort keine Versprechungen gemacht (dies hat aber auch mein Mann gehört, dass wir uns keine Sorgen machen sollen).

Nun konkret meine Fragen:
Habe ich durch die Kündigung der Krippen-Plätze der Zwillinge im letzten Kiga-Jahr unseren Rechtsanspruch verwirkt ?
Wie lehne ich einen Kindergarten ab ? Beweise ? Anzeige gegen Leitung ?
Muss ich beweisen, dass ein Kind KEINEN Förderbedarf hat ?
Warum wird der Platzbedarf von Flüchtlingskindern über unseren gestellt ? Wir wohnen in einer Gemeinde, die entsprechend einem Landkreis angehört. Es gibt, ausser in unserer Gemeinde, sowohl im Landkreis noch in den anderen zugehörigen Gemeinden noch Plätze, die aber, laut der zugehörigen Mitarbeiter jeweils diese für Flüchtlinge freihalten müssten, so dass wir nicht in eine andere Gemeinde dürften.
Unsere Tochter ist nächstes Jahr bereits "Kann-Kind" für die Schule und möchte selbst gerne. Sie ist totunglücklich und hat derzeit keinerlei Kontakt zu gleichaltrigen Kindern/ Mädchen und auch die Zwillinge sind hier ohne weitere Kontakte. Auch Tagesmutter wurde uns abgelehnt, da unsere Tochter ja in dem Alter in einen Kindergarten gehören würde ! Ich bin so verzweifelt.

Sehr geehrte Fragenstellerin,

Ihre Fragen kann ich anhand des mir vorliegenden Sachverhalts wie folgt beantworten:

1. Verwirkung des Rechtsanspruchs
Jedes Kind hat von der Vollendung des ersten Lebensjahres bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.
Ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt hat jedes Kind einen Anspruch auf den Besuch einer Kindertageseinrichtung. Der Anspruch gilt grundsätzlich für den Besuch einer Vormittagsgruppe. Wenn ein ausreichendes Angebot an Plätzen nicht zur Verfügung gestellt werden kann, kann auf den Besuch einer gleichwertigen Nachmittagsgruppe oder eines Kinderspielkreises verwiesen werden.

In Ihrem Fall haben Sie den Vertrag mit der entsprechenden Einrichtung gekündigt. Soweit Sie diesen Schritt aufgrund von "Mobbing" gegangen sind, sind Sie für die Voraussetzungen des "Mobbings" beweisbelastet.

Unter Mobbing wird ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren untereinander verstanden, das über gewöhnliche, von jeder-mann zu bewältigende (berufliche) Schwierigkeiten hinausgeht und eine mehr oder weniger schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, der Ehre und/oder der Gesundheit des Betroffenen darstellen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2005 – 2 A 4/04 ; ferner BGH, Urt. v. 01.08.2002 – III ZR 277/01 sowie OLG Stuttgart, Urt. v. 28.07.2003 – 4 U 51/03 ).

Es wäre daher eingehend zu prüfen, ob die vorbenannten Voraussetzungen vorlagen. Wenn die Kündigung also durch ein Verhalten Dritter gerechtfertigt war, ist ihr Rechtsanspruch nicht verwirkt.


2. Förderbedarf
Wird ein Verfahren zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs eröffnet (siehe dazu die Verordnung zum Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung Vom 22. Januar 2013), entscheidet die zuständige Behörde auf Basis von Gutachten, ob sonderpädagogischer Förderbedarf besteht; wenn dies der Fall ist, entscheidet sie auch über den Förderschwerpunkt und den Förderort der Kinder. Die Beweislast hierfür liegt daher zunächst bei der zuständigen Behörde.

Wird daher in einem Gutachten festgestellt, dass (sonderpädagogischer) Förderbedarf besteht, liegt die Beweislast dann bei Ihnen, diese Feststellung zu entkräften. Sie müssen also dann beweisen, dass gerade kein (sonderpädagogischer) Förderbedarf besteht. Dieser Beweis kann aus meinen Erfahrungen nur durch Einholung eines weiteren Gutachtens erfolgen.


3. Platzbedarf von Flüchtlingskindern
An dieser Stelle ist zunächst zu prüfen, auf welcher gesetzlichen Grundlage diese Bevorzugung erfolgt ist, was den Rahmen einer Erstberatung jedoch übersteigen würde. Es ist dabei zu prüfen, ob die entsprechende Regelung - soweit überhaupt vorhanden - gegen den Gesetzesvorbehalt verstoßen. Es muss also eine qualifizierte Rechtsgrundlage vorhanden sein. Regelungen, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblich seien, muss der parlamentarische Gesetzgeber selbst treffen. Eine solche Grundrechtsrelevanz kommt der Entscheidung, welche Schule oder Kita ein Kind besucht, zu. Das Verwaltungsgericht Bremen hat jüngst in einer ähnlichen Fallkonstellation wie folgt entschieden:

"Die Freihaltung von Schulplätzen für Schüler aus Sprachförderkursen für Flüchtlinge lediglich per Rechtsverordnung verstößt sowohl gegen den Vorrang als auch den Vorbehalt des Gesetzes. Dies hat das Verwaltungsgericht Bremen in 27 Eilverfahren zur vorläufigen Schulaufnahme entschieden und sämtlichen Anträgen stattgegeben (Beschlüsse vom 21. und 22.07.2016, Az.: u.a. 1 V 1579/16 und 1 V 1529/16 )."

Bei weiteren Fragen oder wenn Sie bei diesem Fall Hilfe brauchen sollten, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

Die von Ihnen entrichtete Beratungsgebühr würde im Falle einer Beauftragung vollständig angerechnet werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Christian Reckling
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Rückfrage vom Fragesteller 5. August 2016 | 11:23

Bevor ich Sie nun beauftrage:

Wie müsste ich den Beweis des Mobbings erbringen ?

Ein Freihalten von Kindergartenplätzen für eventuell eintreffende Flüchtlinge ist demnach gleichbedeutend unzulässig ? Verstehe ich Sie da richtig ? Dürfen die Gemeinden bestimmen, nur Kinder aus der eigenen Gemeinde, nicht aber aus dem Landkreis aufzunehmen ?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 5. August 2016 | 11:36

Sehr geehrte Fragenstellerin,

Ihre Nachfrage kann ich wie folgt beantworten:

1.
Der Beweis des Mobbings kann beispielsweise durch Zeugenbeweis erbracht werden. Soweit es schriftliche Korrespondenz gibt (bspw. eMails), können auch diese im Prozess vorgelegt werden. Da mir die genauen Vorwürfe des Mobbings jedoch nicht bekannt sind, kann ich Ihnen nicht mitteilen, welche Beweismittel in Ihrem Fall vorzugswürdig sind.Fakt ist, dass der reine Vorwurf des Mobbings in aller Regel nicht ausreichend sind, da Sie als Klägerin substantiiert und konkret das ehrverletzende Verhalten darlegen und beweisen müssen.

2.
Der Fall in Hinblick auf das Freihalten von Kitaplätzen für Flüchtlingskinder wurde (noch) nicht gerichtlich entschieden. Wenn "Ihr" Platz aus diesem Grund abgelehnt werden sollte, müsste ein gerichtliches Eilverfahren eingeleitet werden. Die entsprechenden Rechtsfragen, die ich bereits aufgeworfen habe, sollten dann im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens geklärt werden.

Grundsätzlich haben Sie nach § 24 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ab dem 1. August 2013 einen gesetzlich geregelten Rechtsanspruch auf Betreuung Ihres Kindes ab dem vollendeten 1. Lebensjahr. Dieser Anspruch richtet sich gegen Ihre Wohngemeinde und nicht gegen den Landkreis.

Eine Ausnahme gilt, wenn die Wohngemeinde an Ihrem Wohnort einen bedarfsgerechten Kindergartenplatz nicht anbieten kann. Ist dies der Fall, stellt die Wohngemeinde Ihnen eine Bescheinigung aus, in der sie bestätigt, dass Ihnen kein bedarfsgerechter Kindergartenplatz angeboten werden kann und dass sie bereit ist, die Kosten für eine Betreuung Ihres Kindes in einer auswärtigen Kindertagesstätte zu übernehmen (Kostenübernahmeerklärung gem. § 25a KiTaG).

Mit freundlichen Grüßen,

Christian Reckling
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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