1. Vorsitzende entscheidet im Alleingang

29. Januar 2015 07:44 |
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Vereinsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Zusammenfassung

Darf die 1. Vorsitzenden eines Sportvereins alleine ohne Rücksprache und ohne Zustimmung des Vorstands (nach der Satzung müssen immer zwei Vorstandsmitglieder handeln) Kosten für einen Steuerberater verursachen und diese über die Vereinskasse bezahlen?

Diese Handlungen sind nicht rechtmäßig, da sie ohne entsprechenden Beschluss durchgeführt wurden und die Vorsitzende nicht alleinig zur Entscheidungsfindung berechtigt war. Zudem ist die Vertretung des Vereins nach außen nur durch zwei gemeinsam handelnde Vorstandsmitglieder möglich. Die Handlungen der Vorsitzenden stellen Pflichtverstöße dar. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen liegt in der Zuständigkeit der Mitgliederversammlung. Ein finanzieller Schaden für den Verein muss nachgewiesen werden.

Hallo,

ich habe da mal eine Frage.
Ich bin Kassenwart in einem gemeinnützigen Sportverein und Mitglied des geschäftsführenden Vorstand.
Unsere 1. Vorsitzende in einem e.V. Sportverein ist immer der Meinung, sie wäre die Chefin und könnte machen und tun was sie will und könnte anderen Vorstandsmitgliedern Anweisungen erteilen. Außerdem führt sie Dinge aus, die nicht über einen ordnungsgemäßen Vorstandsbeschluss abgedeckt sind, Beschlüsse der MV werden nach über einem Jahr einfach für Nichtig erklärt
In den letzten Wochen und Monaten hat es so einige Reibereien bezüglich der Kassenführung gegeben.
Jetzt war sie z.B bei einem Steuerberater zur Erstberatung ohne den restlichen Vorstand darüber zu informieren und hat die Kosten hierfür einfach per Telefonbanking beglichen (Verantwortlich für Zahlungen gem. Aufgabenverteilung ist der Kassenwart)
Muss ein Gang zum Steuerberater nicht über einen Beschluss abgedeckt sein? In unserer Satzung steht: Zur rechtskräftigen Vertretung genügt das Zusammenwirken von zwei Vorstandmitgliedern.
Im letzten Jahr wurden dem Verein auch schon die Kosten für den Gang zu einem Steuerberater und einem Anwalt auferlegt, wo auch der Steuerberater direkt per Onlinebanking durch die 1. Vorsitzende bezahlt wurde. Hier hatte es einen telefonischen Beschluss mit der 2. Vorsitzenden gegeben, ohne dass der Kassenwart involviert wurde. Meiner Meinung nach ist auch dies nicht rechtgültig da ein Beschluss nur in einer Vorstandssitzung oder schriftlich, wenn alle zustimmen zustande kommen kann.
Kann ich als Kassenwart von der 1. Vorsitzenden verlangen die Kosten für den Steuerberater und auch die Kosten aus dem letzten Jahr zurück zu erstatten?

29. Januar 2015 | 08:20

Antwort

von


(363)
Tannenweg 17
72654 Neckartenzlingen
Tel: 07127/349-1208
Web: https://www.rechtsanwalt-kromer.de
E-Mail:

Sehr geehrter Fragesteller,

Was Sie hier schildern ist für einen typischen Verein ungewöhnlich, allerdings können gewisse Punkte auch durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung für den Vorstand abweichend geregelt werden.

Für eine konkrete Antwort und Empfehlung bezüglich des weiteren Vorgehens würde ich daher meine Antwort gerne noch bis zur Sichtung dieser Unterlagen zurückstellen. Sollten Sie diese Unterlagen nicht verfügbar haben, bitte ich um entsprechenden Hinweis, dann werde ich meiner Beantwortung den gesetzlichen Normalfall ohne abweichende Satzungsregelungen zugrunde legen.
Meine Kontaktdaten finden Sie in meinem Profil.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Johannes Kromer

Ergänzung vom Anwalt 30. Januar 2015 | 06:35

Der Vollständigkeit halber hier noch die Antwort, die der Mandant bereits gestern per E-Mail erhalten hat:

(1)

Fest steht zunächst, dass sowohl das eigenmächtige Aufsuchen des Steuerberaters als auch das Begleichen der Rechnung nicht in Ordnung waren. Diese Aufgaben waren der Vorsitzenden nicht zur alleinigen Entscheidung übertragen. Weiter liegt diesen Maßnahmen kein entsprechender Beschluss zugrunde.


(2)

Die von Ihnen zitierte Vertretungsregelung geht sogar einen Schritt weiter. Sie besagt wie der Verein wirksam nach außen vertreten werden kann. Dies ist gerade nur durch zwei gemeinsam handelnde Vorstandsmitglieder möglich. Sprich ein Vertrag den ein einzelne Vorstandsmitglied schließt ist unwirksam. Der allein handelnde Vorstand macht sich gegenüber dem Vertragspartner nach § 179 BGB schadensersatzpflichtig.


(3)

Weiter stellt sich die Frage ob auch die Handlungen die telefonisch durch den 2. Vorsitzenden genehmigt wurden, rechtmäßig sind. Da in der Satzung bestimmte Vorschriften zur Abhaltung von Vorstandssitzungen fehlen, bzw. auch in der Geschäftsordnung solche Punkte nach Ihren Ausführungen nicht geregelt sind, gelten die gesetzlichen Bestimmungen, Nach § 28 BGB erfolgt die Willensbildung des Vorstandes in Versammlungen. Sofern nicht alle Vorstandsmitglieder an der Sitzung teilnehmen ist eine ordnungsgemäße Einberufung unter Angaben einer Tagesordnung erforderlich (Ellenberger in Palandt BGB 74. Auflage 2015 § 28 BGB Rn.2)



(4)

Damit stehen insgesamt Pflichtverstöße der ersten Vorsitzenden fest. Sie selbst in Ihrer Funktion als Kassenwart können jedoch keine Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegen ein Organmitglied liegt in der Zuständigkeit der Mitgliederversammlung. Dafür ist jedoch nachzuweisen, dass dem Verein tatsächlich ein finanzieller Schaden entstanden ist. Dies wäre vorliegend z.B. nicht der Fall, wenn der Besuch beim Steuerberater oder Rechtsanwalt tatsächlich objektiv für den Verein notwendig war.

ANTWORT VON

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