Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Die Beauftragung des Anwalts ist als Anwaltsvertrag (§§ 675
, 611 BGB
) einzustufen. Hat der Anwalt schuldhaft seine Pflichten aus dem Vertrag verletzt, so können Sie als Mandant nach § 280 Abs 1 BGB
Schadensersatz verlangen.
Zu ersetzen ist der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden. Dieser beurteilt sich grundsätzlich nach einem rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage mit derjenigen, die ohne die Pflichtverletzung des Anwalts bestünde. Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Es erfolgt insoweit eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (Differenzmethode). Für den Nachweis der Ursächlichkeit der aus festgestellter Pflichtverletzung entstandenen Vermögensschäden (haftungsausfüllende Kausalität) wäre im Streitfall zudem die Beweiserleichterung des § 287 ZPO
einschlägig.
Insofern ließe sich hier durchaus vertreten, dass der Verlust der Umsatzsteuerrückzahlung als kausaler Schaden einer fehlerhaften Beratung bzw. Vertragsgestaltung des Anwalts anzusehen ist.
Schwierig kann aber werden, dem Anwalt eine Pflichtverletzung nachzuweisen. Denn ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts ist vom Mandanten darzulegen und zu beweisen. Der Anwalt darf sich aber nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Rat¬schläge er erteilt und wie darauf der Mandant reagiert hat. Entscheidend dürfte in Ihrem Fall sein, ob der Anwalt zur Zeit seiner Beratung nach damaligem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, den er pflichtgemäß zugrunde legen musste (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 71/03
m.w.N.), damit rechnen konnte, dass das Finanzamt trotz der speziellen Vertragsgestaltung eine Betriebsübernahme im Ganzen annehmen würde, und Sie daher über dieses Risiko hätte aufklären müssen. Dieser Punkt müsste im Streitfall ggf. gutachterlich durch einen (Steuer-)Rechtsexperten geprüft werden.
Kurz gesagt: Wenn Sie darlegen und nachweisen können, dass
- der Anwalt das eingetretene Risiko hätte erkennen können und
- Sie dennoch nicht ausreichend hierüber aufgeklärt hat bzw. die Einstufung als Betriebsübernahme als Ganzes aufgrund seiner Vertragsgestaltung als ausgeschlossen dargestellt hat,
sehe ich gute Chancen, dass Sie den Anwalt bzw. dessen Versicherung in die Haftung nehmen können.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
20. September 2012
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19:33
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
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