Sehr geehrter Fragesteller,
vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann, sondern ausschließlich dazu dient, eine erste überschlägige Einschätzung des Rechtsproblems auf der Grundlage der von Ihnen übermittelten Informationen von einem Rechtsanwalt zu erhalten.
Ihre Frage beantworte ich wie folgt
Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter besteht nach Art. 16 a Abs. 1 GG
, wenn der Asylbewerber die aus Tatsachen begründete Furcht hegen muss, in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt bzw. in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an sonstige für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, durch staatliche Maßnahmen gezielten Rechtsverletzungen ausgesetzt zu sein. Es muss sich um gezielte staatliche oder jedenfalls dem Staat zurechenbare Rechtsverletzungen handeln, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen und die ihn landesweit in eine ausweglose Lage versetzen, so dass es ihm nicht zumutbar ist, nach dorthin zurückzukehren (vgl. BVerfG vom 10.07.1989 BVerfGE 80, 315
ff.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt die Bestrafung irreversibler, schicksalhafter Homosexualität grundsätzlich politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG) dar, wenn die Untersagung einverständlicher homosexueller Betätigung unter Erwachsenen im Heimatland des Asylsuchenden nicht nur aus Gründen der dort herrschenden Moral erfolgt, sondern wenn der Asylbewerber bei einer Rückkehr in sein Heimatland in die Gefahr gerät, mit schweren Leibesstrafen sowie der Todesstrafe belegt zu werden, und mit deren Verhängung und Vollstreckung auch seine homosexuelle Veranlagung getroffen werden soll.
(Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 - 9 C 278.86
-).
Der Asylantrag eines aus Sierra Leone stammenden Homosexuellen wurde beispielsweise als unbegründet abgelehnt, da die angebliche Neigung für das Gericht nicht glaubhaft gemacht wurde. Dem Betroffenen waren offensichtlich Kenntnisse über die Lebensbedingungen von Homosexuellen in Sierra Leone nicht bekannt, nachdem er nicht einmal wusste, ob eine entsprechende Betätigung dort erlaubt, verboten oder nur gesellschaftlich geächtet ist ( VG Augsburg 7. Kammer, Az: Au 7 K 07.30167
).
Bei einem marokkanischen Staatsangehörigen war das Gericht der Überzeugung, dass dieser bei einer Rückkehr nach Marokko aufgrund seiner homosexuellen Neigung und der eingetragenen Lebenspartnerschaft keine politische Verfolgung, insbesondere eine Bestrafung und Inhaftierung, zu befürchten hat.
Zwar seien grundsätzlich in Marokko homosexuelle Handlungen illegal gem. Art. 489
des Strafgesetzbuches und können mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe von 120,-- bis 1.200,-- Dirham bestraft werden. Jedoch würden die Strafverfolgungsbehörden nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom ... Juli 2007 mit dieser Strafbestimmung pragmatisch umgehen. Die Homosexualität, die von Vertretern des offiziellen Islam als „abweichende sexuelle Praxis" verurteilt werde, würde in der Praxis in der Gesellschaft tabuisiert und geduldet, sofern sie nicht öffentlich gelebt würden. Auch seien Positionen in der öffentlichen Verwaltung beispielsweise für Homosexuelle zugänglich.
(VG München 18. Kammer, Az: M 18 K 07.50325
)
Bei einem iranischen Staatsangehörigen folgerte das Verwaltungsgericht Aachen im Jahre 2007, dass eine systematische Verfolgung von Homosexuellen im Iran nicht stattfinde. Die Verfolgung homosexueller Betätigung im Iran sei jedenfalls solange nicht beachtlich wahrscheinlich, solange das Sexualleben im Privaten und Verborgenen gelebt werde und der Betreffende nicht bereits die Aufmerksamkeit der iranischen Strafverfolgungsbehörden mit der Folge auf sich gezogen habe, dass er im Falle der Rückkehr einem gesteigerten Beobachtungs- und Verfolgungsinteresse seitens der iranischen Behörden ausgesetzt wäre.
Es lasse sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran wegen seiner behaupteten homosexuellen Veranlagung (strafrechtliche) Verfolgung drohe.
Das Gericht ging vor allem nicht davon aus, dass der Kläger den Behörden im Iran bereits wegen seiner homosexuellen Veranlagung aufgefallen und von diesen deswegen belangt worden sei und deshalb im Falle der Rückkehr mit verstärkter behördlicher Aufmerksamkeit zu rechnen hätte.
(VG Aachen 5. Kammer, Az: 5 K 2455/05
.A)
In dem Fall ist es dem Kläger nicht gelungen, dem Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit der von ihm behaupteten politischen Verfolgung im Iran zu vermitteln.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Main dagegen hat im Jahre 2008 festgestellt, dass im Falle eines iranischen Staatsangehörigen wegen dessen homosexueller Veranlagung eine Asylberechtigung auszusprechen und die Flüchtlingseigenschaft festzustellen ist.
Homosexualität in Form einer schicksalhaften Veranlagung war für das Gericht ein asylrelevanter Verfolgungsgrund. (7 K 641/08
)
Das Gericht ging in dem Fall von einer dem Betroffenen im Iran drohenden politischen Verfolgung aus, da dieser im Falle der Rückkehr in den Iran staatliche Maßnahmen befürchten müsse.
Danach werde im Iran die gelebte Homosexualität mit erheblichen Strafen und mit extralegalen Misshandlungen durch die Iranische Revolutionsgarde, deren brutales Vorgehen staatlicherseits geduldet wird, geahndet. Zwar erfolge die nach iranischen Gesetzen mögliche Verurteilung zum Tode wegen homosexueller Handlungen wegen der hohen Beweisanforderungen äußerst selten, jedoch würden sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern nach dem Tazir-Gesetz als Unzuchthandlungen mit einer Strafe von 110 Peitschenhieben belegt werden, ohne dass es auf die strengen Beweisanforderungen ankomme.
Die Gerichte entscheiden einzelfallabhängig, d.h. Sie müssten in ihren Fall konkret darlegen, dass sie bei einer Rückkehr in das Heimatland eine politische Verfolgung aufgrund ihrer homosexuellen Neigung zu befürchten haben.
Sie müssten unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt vortragen, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die erlittene Verfolgung ergibt. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Antragsteller behaupteten individuellen Schicksals zu verschaffen.
(vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1985 - 9 C 27.85
-)
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Levent Arslan
Rechtsanwalt
Seien sie mir nicht böse aber ich hatte ihnen oben schon zwei Urteil genannt, die neueren Datums waren, sie haben nun bis auf das eine Urteil aus Frankfurt hier ausnahmslos alte Urteile aus den 80er Jahren meines Wissens genannt, wir leben aber mittlerweile im Jahre 2011.
Ich finde gerade bei der HS schon relevant aus welchem Jahr die Urteile sind und ich bat sie mir mind. zwei Urteile zu nennen, wo die alte Rechtsauffassung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht aus den 80er Jahren abgewichen wurde und hier mehr aus der EMKR abgeleitet wurde.
Ich selber bin auch nicht betroffen, es interessiert mich aus anderen Gründen, wie das abläuft...
Sie müssen bedenken das diese Urteile aus den 80er Jahren indirekt noch das Urteil des BVerfGE 6, 389
vor Augen hatten, dass doch damals noch ganz kurde Vorstellungen von der Homosexualität hatten.
Falls es nun keine Änderung bei der hießigen Rechtslage gibt, kann man es nicht ändern, was ich aber so nicht ganz glauben kann.
Mittlerweile spielen doch ganz andere Erwägungen eine Rolle, nachdem 1994 bekannt wurde, dass HS keine Krankheit mehr ist, würde mich hier schon interessieren, inwieweit solch alte Urteile noch Bindungswirkung haben, da wir uns ja zum einen der EU und auch der EMKR unterworfen haben, auch die EU GRundrechtecharta schützt die HS sehr genau, sowie auch die ganzen EU Verträge, die es ja mittlerweile gibt.
Im übirgen stört mich immer ein wenig, dass man immer den Islam ind en Staaten dafür rannimmt, der Islam ist eine Religion, die zudem garnicht mal so extrem ist wie bspw. Teile des Christentums, in Sure 4 Vers 16 sowie Sure 26 Vers 165 bis 167 steht nirgends das man jemanden hart bestrafen muss usw...
Also wenn der Iran so was macht, was ja schon nachgewiesen wurde, kann er es schwerlich aus dem Islam haben.
Um auf Europa zurückzukommen, wurde schon Anfang der 80er im Urteil Dudgeon/Nordirland, EGMR, Urteil v. 22.10.1981 entschieden, dass es Verboten nicht mehr geben kann.
Ebenso sieht die UNO dies in einem Minderheitenbeschluss, außer im Beschluss Tonne, was rechtskräftig wurde so Toonen/Australien, Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, U.N. Doc CCPR/C/50/D/488/1992 (1994) v. 31.3.1994
http://de.wikipedia.org/wiki/Erkl%C3%A4rung_der_Vereinten_Nationen_%C3%BCber_die_sexuelle_Orientierung_und_geschlechtliche_Identit%C3%A4t
Ebenso hat der BGH dies schon zugunsten von Schwulen entschieden Urteil v. 3.10.1984, VIII ARZ 2/84
, BGHZ 92, 213
Man sieht hieran schon das krasse Gefälle in Vergleich zu anderen Staaten.
Neben diesen älteren Urteilen und den neuen vom Oberverwaltungsgericht Münster aus 1996 wo ein Schwuler Rumäne in Deutschland bleiben durfte "Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft" mit seinem deutschen Partner. Das Gericht stellt fest: Die schwule Lebensgemeinschaft fällt in den Schutzbereich des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es betont ausdrücklich, die " Wahrung der Grundrechte" der homosexuellen Bürger " liegt auch im öffentlichen Interesse". .." was ja als Vorläufer galt, sehen mittlerweile alle Gerichte, auch das kürzlich ergangene Urteilin Steuerfragen wo ein Hamburger geklagt hatte und gewann ( Urteil EuGH, sowie verschiedene EGMR und OLG Urteile dies so)
Es gibt demnach im europäichen Raum vielfach Konsens, daher war meine Frage, inwieweit man nun vorgehen soll, damit man bsow. Schwulsein belegen kann bzw. wie die Taktik am besten ist.
Sie haben mir hier leider nur Urteile zitiert, allerdings fand keine Beratung statt, ich hatte mir erhofft, dass sie, wie ich erbeten hatte, auch mal erklären wie man vorgehen muss.
Ich möchte daher bitten, wenn möglich aktuellere Urteile zu nennen und diese kurz im Rahmen des Einsatzes und meiner Fragen zu erklären und erläutern, vielen Dank
Ihre Nachfrage beantworte ich wie folgt:
Zunächst einmal waren die von mir zitierten Urteile aus den Jahren 2007, 2008 und 2008, mithin ganz aktuelle Urteile.
Diese Urteile nehmen lediglich Bezug auf die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgericht aus dem Jahre 1988 und 89.
Urteile, in welcher von der Grundsatzentscheidung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen wurde, sind mir nicht bekannt.
Vielmehr gibt es Urteile, die diese Grundsatzentscheidung teilen, wie die von mir genannten Urteile.
Auch das Verwaltungsgericht Oldenburg aus dem Jahr 2005 folgt dieser Entscheidung, danach stellt die Bestrafung irreversibler, schicksalhafter Homosexualität politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. GG
dar, wenn die Untersagung einverständlicher homosexueller Betätigung unter Erwachsenen im Heimatland des Asylsuchenden nicht allein aus Gründen der dort herrschenden öffentlichen Moral erfolgt, sondern wenn der Asylbewerber bei einer Rückkehr in sein Heimatland für seine Person in die Gefahr gerät, mit schweren Leibesstrafen sowie der Todesstrafe belegt zu werden und mit deren Verhängung auch seine homosexuelle Veranlagung getroffen werden soll (VG Oldenburg,28.07.2005, Aktenzeichen:7 A 1961/04
)
Die Frage, wie die Homosexualität zu belegen ist bzw. wie die Taktik am besten ist, kann wie folgt beantwortet werden:
Das Verhalten des Betroffenen in Deutschland ist ein starkes Indiz dafür, ob er homosexuell veranlagt ist oder ob dies nur aus asyltaktischen Gründen behauptet wird.
So sollte der Betroffene während seines Aufenthaltes in Deutschland den Versuch unternommen haben, mit homosexuellen Männern Kontakt aufzunehmen, da dies hier im Gegensatz zu dem Heimatland ungefährlich und straffrei ist.
Er sollte des Weiteren auch einschlägige Treffpunkte oder Szenelokale von Homosexuellen nennen können. Die Unterhaltung einer homosexuellen Beziehung mit entsprechendem Nachweis ist ein sehr starkes Indiz, dass eine homosexuelle Veranlagung gegeben ist.
Entscheidend bei dieser gesamten Problematik ist aber vielmehr, ob dem Betroffenen im Falle der Rückkehr in das Heimatland eine Gefahr der Verfolgung aufgrund der homosexuellen Neigung droht.
Nach welchen Maßstäben festzustellen ist, dass der Betroffene eine begründete Verfolgungsfurcht hegt, wurde vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht ausgeführt.
Ist danach der Kläger in seinem Herkunftsland mangels nationalen Schutzes schon einmal verfolgt worden bzw. war er davon unmittelbar bedroht, begründet dies einen „ernsthaften Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass tatsächlich die Gefahr besteht, ernsthaften Schaden zu erleiden - es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
Ist eine staatliche Vorverfolgung festzustellen, macht dies im Übrigen eine Prüfung der nationalen Schutzgewährung in der Regel entbehrlich, wenn sich die allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsland seitdem nicht wesentlich geändert haben.
(vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 4. Kammer, Entscheidungsdatum: 20.11.2006
Aktenzeichen: 4 A 244/05
).
D.h. einem Betroffenen droht im Falle der Rückkehr in das Heimatland jedenfalls dann mit großer Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung, wenn den Behörden dessen homosexuelle Neigung und Betätigung bereits vor der Rückkehr in das Land bekannt ist und deshalb damit zu rechnen ist, dass sein Verhalten im dem Land einem hohen Verfolgungsinteresse ausgesetzt sein wird.
Die Urteile unterscheiden sich vielmehr hinsichtlich dieses Gesichtspunktes.
Bei einem homosexuell veranlagten Pakistani beispielsweise wurde eine solche Gefahr vom Verwaltungsgericht Oldenburg nicht gesehen (Wie auch in dem vorher oben genannten Urteil eines Marokkaners)
Homosexualität sei zwar in Pakistan mit Strafe bedroht, es hätten jedoch keine konkreten Maßnahmen gegen Homosexuelle stattgefunden, so dass sie nicht mit Gruppenverfolgung rechnen müssten. (VG Oldenburg, 22.08.2003, Aktenzeichen: 6 A 1296/02
)
Ich hoffe, ich konnte ihnen weiterhelfen