Grenzfragen

| 7. Juni 2011 15:21 |
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Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Thomas Joschko

Ich wohne Haus an Haus und Garten an Garten im Innenstadtbereich einer Stadt in Baden-Württemberg. Mein Nachbar und ich sind jeweils Eigentümer. Bisher gingen unsere kleinen Gärten ineinander über – jeder hat die Grenze des anderen respektiert. Bis die Nachbarn sich einen Hund angeschafft haben. Für diesen Hund (Schäferhund) haben die Nachbarn direkt an die Grenze mit Holzhäckseln ein ungefähr 2 auf 3 m großes Hundeclo angelegt und anschliessend einen Maschendrahtzaun auf die Grenze gesetzt, den sie, ohne Rücksprache mit mir zu nehmen, an meinem Haus befestigt haben. Ich habe das bisher hingenommen, weil dadurch auch der Hund nicht in meinen Garten gekommen ist, habe die Nachbarn dennoch wissen lassen, dass mir das überhaupt gar nicht gefällt.Der Hund macht sozusagen direkt vor meinen Augen sein "Geschäft". Jetzt hat der Nachbar, wiederum ohne mich zu fragen einen 1,80 m hohen Bretterzaun zwischen uns gezogen. Auch der ist an meinem Hausvorsprung angebracht. Das städtische Baurechtsamt hat mir die Auskunft gegeben, dass es für diesen Innenstadtbereich keinerlei städtische Vorgaben gibt, Eigentümer können hier lt. Behörde alles machen, was das baden-württembergische Bau- und Nachbarschaftsrecht zulässt. Gegen den Zaun als solchen habe ich nichts einzuwenden, er ist mir aber viel zu hoch, vor allem deshalb , weil unsere Gärten zwei Niveaus haben. Die Terrassen liegen 30 cm tiefer als der Garten selbst, der in einer Art Betonwanne angelegt ist (Darunter befindet sich die Tiefgarage.) Auf diese Weise ist der Bretterzaun vom Terrassenniveau aus gemessen sogar rund 2,10 Meter hoch. Der Bretterzaun ist direkt im Süden und erstreckt sich über die ganze Breite meiner Terrasse. Ich sitze also vor einer über 2 Meter hohen Bretterwand. Wenn ich § 11 des baden-württembergischen NRG richtig interpretiere, muss bei Zäunen, die 1,50 m überschreiten ein Grenzabstand entsprechend der Höhe über 1,50 m eingehalten werden? Ist das richtig? Gilt diese Höhe ab dem Terrassenniveau unserer beiden Häuser oder ab dem 30 cm höher gelegenen Gartenteil? Darf der Nachbar seinen Zaun einfach an meinem Haus befestigen, das unsere gemeinsame Grenze markiert. Ist das Hundeclo an der Grundstücksgrenze überhaupt zulässig? Was ist jetzt zu tun? Wie soll ich mich wehren?

Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich möchte diese anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen dieser Erstberatung wie folgt beantworten:

Die Regelung zum Grenzabstand im Baden-Württembergischen Nachbarrechtsgesetz (NRG) wegen des Zauns haben Sie im Grunde schon richtig interpretiert. Hier ist § 11 Abs.2 NRG einschlägig, wonach gegenüber sonstigen Grundstücken mit toten Einfriedigungen - außer Drahtzäunen und Schranken - ein Grenzabstand entsprechend der Mehrhöhe einzuhalten ist, die über 1,50 m hinausgeht. Gerechnet wird insoweit ab Bodenhöhe, § 22 NRG. Folglich muss in Ihrem Fall der Bretterzaun einen Abstand von 30 cm von der Grundstücksgrenze einhalten. Da insoweit nach dem von Ihnen geschildertem Sachverhalt die Lage des Zauns nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, haben Sie grundsätzlich einen Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 BGB .

Darüber hinaus stellt auch die Befestigung dieses Zauns an Ihrem Haus eine unzulässige Besitz- und Eigentumsbeeinträchtigung dar, welche ebenfalls von Ihnen gemäß § 1004 BGB untersagt werden kann. Sie können also auch insoweit Beseitigung verlangen und auch für etwaige durch die Anbringung an Ihrem Haus schon eingetretene Schäden gemäß § 823 BGB zudem Schadensersatz beanspruchen. Diesen Beseitigungsanspruch können Sie gegenüber dem Nachbarn dann notfalls natürlich auch gerichtlich durchsetzen, zunächst sollte jedoch eine außergerichtliche Aufforderung zur Beseitigung unter angemessener Fristsetzung erfolgen.

Hinsichtlich des Hundeclos gilt dies ansonsten nur unter weiteren Voraussetzungen entsprechend, da insoweit im NRG kein besonderer Grenzabstand vorgeschrieben ist. Hier wird es maßgeblich darauf ankommen, ob von diesem Aufbau unzumutbare Beeinträchtigungen für Ihr Grundstück, also wiederum Ihr Eigentum ausgehen, z.B. durch unzumutbare Gerüche etc., wobei dies aber nur im Einzelfall vor Ort und nicht abschließend aus der Ferne im Rahmen dieses Forums beurteilt werden kann. Je nach Ausmaß etwaiger Beeinträchtigungen kann sich auch hier für Sie ein Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch aus den §§ 903 , 1004 BGB ergeben. Im Rahmen der Beurteilung dessen muss allerdings immer beachtet werden, dass gemäß § 906 BGB unwesentliche Beeinträchtigungen durch den Nachbarn geduldet werden müssen. § 906 BGB bestimmt insoweit, dass der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten kann, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen ersten Überblick verschaffen und meine Ausführungen helfen Ihnen weiter. Ansonsten wünsche ich noch einen schönen Tag und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen


Thomas Joschko
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 7. Juni 2011 | 16:45

Vielen Dank für Ihre schnelle Antwort, dennoch möchte ich nochmal auf die beiden verschiedenen Niveaus unserer Terrassen bzw. Gärten zurückkommen. § 22 NRG beantwortet doch wohl eher Grenzabstände ?? (oder verstehe ich da was falsch?) Aus Ihrer Antwort entnehme ich, daß der gegenüber der Terrasse 30 cm höher gelegene Garten die Grundlinie ist, von der aus die Höhe gemessen wird?
Danke nochmals !

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 7. Juni 2011 | 18:27

Sehr geehrte Fragestellerin,

gern beantworte ich Ihre Nachfrage noch wie folgt:

Die notwendigen Grenzabstände sind in den §§ 11 ff NRG geregelt bzw. werden dort behandelt, wobei sich diese in der Regel nach der Höhe bemessen. Wie die entsprechende Höhe dann zu ermitteln ist, nämlich u.a. gemessen vom Boden aus, ergibt sich dann aus § 22 NRG. Insoweit haben Sie mich richtig verstanden, dass von dem höher gelegenen Garten, also dort vom Boden aus, gemessen werden muss.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Joschko
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 8. Juni 2011 | 11:47

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Die Antwort hat mich dazu ermutigt, heute morgen schon das erforderliche Schlichtungsverfahren zu beantragen.
Danke nochmals !

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