Sehr geehrte Fragestellerin,
Anhand Ihres geschilderten Sachverhalts beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
1.Ist die Zulassung der Software notwendig?
Grundsätzlich brauchen Sie als Herstellerin der diagnostisch arbeitenden Software unabhängig davon, ob sie in ein Gerät integriert wird, für deren Inverkehrbringen nach dem Medizinproduktegesetz eine Zulassung:
Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes(MPG), sind nach §§ 3,1 MPG alle „Technische Produkte für die medizinische, also therapeutische,
diagnostische und vorbeugende Anwendung bei Menschen." Nach aktueller Rechtslage ist Software dementsprechend dann als ein Medizinprodukt zu qualifizieren, wenn es Bestandteil eines Medizinproduktes – zum Beispiel eines elektronischen Diagnosegerätes – ist. Diese Voraussetzungen sind in Ihrem Fall gegeben, da Ihre Software anhand der vom Arzt eingespeisten EKG-Daten und deren Auswertung durch Ihre Software als Bestandteil eines z.B. EKG Gerätes, eine Herzkrankheit erkennen kann, die anfallsartig auftritt. Damit agiert Ihre Software unmittelbar diagnostisch als integraler Bestandteil eines Diagnosegerätes (ZB eines EKG-Geräts) im Sinne § 3,1 MPG, woraus sich das Erfordernis einer Zulassung für Ihre Software ergibt.
Als sogenanntes aktives Medizinprodukt gehört die Software - wie Sie richtig angaben - zur Risikoklasse lla.
2.Welche Art Zulassung benötigen Sie?
Grundsätzlich sind für die Zulassung von Medizinprodukten Maßnahmen zur Zertifizierung und ein sogenanntes Konformitätsverfahren notwendig.
- Nach § 6 Abs.2 des MPG ist in Anwendung der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte eine CE-Zertifizierung notwendig.
- Nach § 7 MPG ist ein Konformitätverfahren durchzuführen. Hiernach sind die Forderungen der Richtline 2007/47/EG, Anhang I zu erfüllen, die besagen: „Bei Geräten, die Software enthalten oder bei denen es sich um medizinische Software an sich handelt, muss die Software entsprechend dem Stand der Technik validiert werden, wobei die Grundsätze des Software-Lebenszyklus, des Risikomanagements, der Validierung und Verifizierung zu berücksichtigen sind."
- Zudem werden Anforderungen des Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (im Folgenden: MDD) an die zuzulassenden Medizinprodukte gestellt. Hiernach müssen alle Medizinprodukte Anforderungen bezüglich Sicherheit, Funktion und KEnnzeichnung gemäß Anhang I des MDD erfüllen. Diese Anforderungen in ihrem Schutzzweck auf alle Patienten, Anwender und Dritte. Diese Anforderungen müssen indes vom Hersteller des Produktes dargelget werden.
3. Ausnahmen vom Erfordernis der Durchführung des Konformitätsverfahren:
Zulassung von Medizinprodukten gemäß § 11 Abs. 1 MPG ("Sonderzulassung")
Abweichend von den bereits erwähnten Erfordnernissen kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpeodukte (BfArM) das erstmalige Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme einzelner Medizinprodukte in Deutschland jedenfalls befristet zulassen, wenn deren Anwendung im Interesse des Gesundheitsschutzes liegt. Diese sogenannte "Sonderzulassung" ist aber nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Durchführung eines regulären Konformitätsbewertungsverfahrens nicht abgewartet werden kann und nachweislich keine medizinisch annähernd gleichwertigen Alternativprodukte oder -verfahren verfügbar sind.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit diesen Auführungen einen Einblick in die Erfordernisse, die gesetzlich an die Zulassung eines Medizinproduktes gestellt werden geben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Marksen Ouahes
(Rechtsanwalt)
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Vielen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort!
Eine Sache ist mir noch nicht 100%ig klar: Die medizinische Zulassung muss durch mich als Hersteller der Software erfolgen, weil ich sie „in Verkehr bringe"? Oder kann ich diese „Arbeit" auf den Gerätehersteller abwälzen, der die Software in sein Gerät integriert? Muss dieser nicht ohnehin sein Gerät (samt integrierter Software?) medizinisch zulassen – dann würde ja die Zulassung doppelt erfolgen, einmal durch mich, einmal durch den Gerätehersteller. Oder kann dieser was den Softwareteil seines Gerätes betrifft auf meine vorliegende medizinische Zulassung verweisen?
Sehr geehrte Fragestellerin,
Sie können den Gerätehersteller zur Durchführung der Zulassung deligieren. Die Durchführung des Verfahrens muss nicht etwa durch Sie höchstpersönlich erfolgen. Ich habe Ihre Frage dahingehend gedeutet, dass Sie das Ob und Wie eines solchen Zulassungsverfahrens erfahren wollten.
2.Muss denn nicht ohnehin seinn Gerät (samt integrierter Software) zugelassen werden?
Die Zulassung des Geräts hängt von der Zulassung der integralen Software ab, denn die Funktionen des Gerätes werden ja ausschließlich von der Software gesteuert. Insofern geht also mit der Zulassung eines beispielsweise EKG-Geräts das Erfordernis der Zulassung der in ihr arbeitenden Software einher. Denn diese bildet ja quasi den Kern des Geräts. Das heißt nicht, dass nun etwa einerseits für das Gerät und die Software jeweils eine Zulassung notwendig wäre. Vielmehr ist es so, dass wenn die Zulassung für die Software erteilt ist, diese durch die Integration in eine Hardware genutzt werden darf. Denn mit der Zulassung der Softawre ist ihr "Inverkehrbringen" erlaubt.
Im Ergebnis heißt das, dass das "Inverkehrbringen" eines EKG-Geräts, welches mit der von Ihnen entwickelten Software ausgestattet wurde notwendig die Zulassung Ihrer Software erfordert.
Hierzu zur Ergänzung : § 3 des Medizinproduktegesetzes
"Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke
a)der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten ..."
Ich hoffe ich konnte mit diesen Ausführungen ein wenig Klarheit in die Komplexität des Zulassungsverfahrens von Medizinprodukten bringen.
Ich wünsche Ihnen ein schönen Wochenende und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Marksen Ouahes
(Rechtsanwalt)