Sehr geehrter Ratsuchender,
auf der Grundlage des von Ihnen angegebenen Sachverhalts beantworte ich Ihre Fragen hiermit im Rahmen einer Erstberatung wie folgt:
Erst einmal ist zu beachten, dass zu unterscheiden ist zwischen der grundsätzlichen Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit zu abhängiger Beschäftigung nach § 7 SGB IV
einerseits und den speziellen Regelungen der einzelnen Sozialversicherungszweige (Recht der gesetzlichen Krankenversicherung = SGB V, Recht der gesetzlichen Rentenversicherung = SGB VI u.s.w.).
Wenn Sie von einer Befreiungsmöglichkeit von der Sozialversicherungspflicht bei Existenzgründern für 3 Jahre sprechen, so bezieht sich dies allein auf die Rentenversicherungspflicht.
Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
(renten-)versicherungspflichtig sind, werden von der (Renten-)Versicherungspflicht befreit für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, welche die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
erfüllt, § 6 Abs. 1a SGB VI
. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
lautet: Versicherungspflichtig sind selbständig tätige Personen, die
a)
im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b)
auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.
Das heißt, SELBSTÄNDIGE nach § 84 HGB
, welche normalerweise aufgrund der Selbständigkeit unterliegen, sind erst einmal trotz Selbständigkeit rentenversicherungspflichtig, können sich aber als Existenzgründer hiervon für die ersten drei Jahre befreien lassen. Beachten Sie bitte, dass eine Befreiung sich auch auf die Vorversicherungszeit für spätere etwaige Erwerbsminderungsrente auswirken könnte.
Ob Sie nun generell der Sozialversicherungspflicht (d.h. z.B. auch der Krankenversicherungspflicht bei der GKV) unterliegen oder nicht, richtig sich also erst einmal danach, ob Sie Selbständiger im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB
sind oder Angestellter im Sinne von § 84 Abs. 2 HGB
sind.
Der Handelsvertreter gilt als Angestellter, wenn er einen vorgegebenen Tätigkeitsbereich hat, sich seine Arbeitszeit frei einteilen kann und der Kontrolle des auftraggebenden Unternehmens unterliegt. Eine Selbständigkeit liegt hingegen vor, wenn sowohl Tätigkeit als auch Arbeitszeit frei gestaltet werden können und ein Unternehmerrisiko besteht.
Wenn Sie eine Provision fix erhalten, fehlt wohl ein unternehmerisches Risiko.
Wenn Sie aber als Angestellter nach § 84 Abs. 2 HGB
gelten würden, käme eine Befreiung von der (renten-) versicherungspflicht nicht in Betracht, sondern nur dann, wenn Sie als Selbständiger gelten (Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB
).
Ihre Frage macht daher nur Sinn, wenn Sie als Selbständiger eingestuft würden, der dennoch aufgrund der Ausnahmeregelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
dennoch rentenversicherungspflichtig wäre.
Warum nach dem Gründungszuschuss gefragt wird ist, dass dann ein anderer (speziellerer) Tatbestand der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung trotz Selbständigkeit bestehen würde, nämlich § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI
und somit dann auch keine Befreiung nach § 6 Abs. 1a SGB VI
in Betracht käme.
Zusammenfassend: Erst einmal ist zu erklären, ob Sie überhaupt als Selbständiger oder als Angestellter gelten (Statusverfahren nach § 7 SGB IV
, ebenfalls über den Rentenversicherungsträger). Wenn Sie als Selbständiger gelten, kommt eine Befreiung von der dann dennoch nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI
gegebenen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a SGB VI
in Betracht.
Die Beantwortung Ihrer eigentlichen Frage ergibt sich dann aus dem Wortlaut jener Bestimmung:
„Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Tritt nach Ende einer Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 10 Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 ein, wird die Zeit, in der die dort genannten Merkmale bereits vor dem Eintritt der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift vorgelegen haben, auf den in Satz 1 Nr. 1 genannten Zeitraum nicht angerechnet. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist."
Das bedeutet: Die Zeit des Bezuges des Gründungszuschusses wird grundsätzlich nicht angerechnet.
Bitte beachten Sie, dass die Erstberatung in diesem Untermenü der Plattform keiner ausführlichen Prüfung einer Sach- und Rechtslage entsprechen kann.
Ich hoffe, Ihnen Ihre Fragen im Rahmen einer ersten rechtlichen Einschätzung hinreichend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwältin Britta Möhlenbrock
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oben muss es heißen, dass ein Handelsvertreter Angestellter ist, wenn (...) seine Arbeitszeit NICHT frei einteilen kann...