Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte diese anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen dieser Erstberatung wie folgt beantworten:
Zu 1. Was kann mir nun strafrechtlich blühen, bzw. was ist wahrscheinlich?
Das Strafmaß für einen gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr gemäß § 315 StGB
beträgt Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu zehn Jahren. Sofern keine Vorstrafen bestehen, dürfte bei einer Verurteilung zunächst die Umwandlung in eine Geldstrafe in Betracht zu ziehen sein. Je nachdem wie schwerwiegend der Verstoß durch ein Gericht gewertet werden würde, wird die Geldstrafe bemessen. Bei relativ geringerer Schuld werden meist nur bis zu 90 Tagessätze festgesetzt, so dass auch eine Eintragung im Führungszeugnis noch nicht erfolgt.
In Ihrem Fall dürfte aber überhaupt eine Verurteilung wegen eines solchen Delikts bzw. schon die Einleitung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens allerdings eher unwahrscheinlich sein. Denn nach Ihrer Schilderung käme hier zunächst allenfalls die Tatbestandsalternative des Bereitens von Hindernissen gemäß § 315 Abs.1 Nr. 2 StGB
in Betracht. Die Voraussetzung eines Bereiten von Hindernissen setzt aber nach der Rechtsprechung das Herbeiführen eines Vorgangs voraus, der geeignet ist, durch körperliche Einwirkung den regelmäßigen Verkehr zu hemmen oder zu verzögern (BGH 6, 224
; 13, 69).
Darunter fallen im Grunde nur aktive Vorgänge, wie z.B. das Legen von Gleissperren auf den Schienen. Das bloße Betreten und unverzügliche Wiederverlassen der Schienen wie in Ihrem Fall dürfte die erforderliche Schwelle eines solch sanktionierten Verhaltens bzw. der körperlichen Einwirkung noch nicht erreichen, zumal Sie geschildert haben, dass der Zug noch weit entfernt gewesen ist, so dass im Ergebnis kein Grund dafür zu erkennen ist, warum dieser überhaupt noch angehalten hat. Dieser Umstand wird auch durch vergleichbare Rechtsprechung in Einzelfällen belegt. So wurde höchstrichterlich vergleichbar entschieden, dass z.B. ein bloßes Heranfahren über einen Bahnübergang selbst dann noch kein Hindernissbereiten darstellt, wenn es dadurch zu einer Notbremsung des Zuges kommt (BGH 13,66). Vor diesem Hintergrund ist kein vernünftiger Grund zu erkennen, warum im Vergleich zu Ihrem noch weitaus ungefährlicher einzustufendem und eher passiv abgelaufenem Vorgang eine Tathandlung in Form des Hindernissbereitens gegeben sein soll. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass ein Gericht dies entsprechend in Betracht ziehen würde. Ansonsten dürfte Ihr Verhalten meines Erachtens auch nicht in den Auffangtatbestand des ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriffs gemäß § 315 Abs. Nr. 4 StGB
einzuordnen sein, da das Bloße Betreten der Schienen wie aufgezeigt schon nicht die Schwelle der erforderlichen abstrakten Gefährdung erreicht und nach Ihrer Schilderung dieser Vorgang kein maßgebliches Gewicht besitzt. Denn im Ergebnis erreichen derartige Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung kaum den für eine Tatbestandsverwirklichung erforderlichen abstrakten Gefährdungscharakter und scheiden wegen ihres geringen Gewichts aus (BGH 4 StR 349/70
). Insoweit wird im Ergebnis der Schutzzweck von § 315 StGB
in Ihrem Fall schon kaum berührt, da eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs offenbar nicht eingetreten ist. Anderenfalls hätte der Zug wohl kaum noch genügend Zeit gehabt, überhaupt noch anzuhalten.
Selbst wenn aber dennoch der aufgrund meiner vorstehenden Ausführungen unwahrscheinliche Fall eintreten würde, dass Ihr Verhalten als entsprechende Tathandlung eingestuft werden sollte, liegen die weiteren notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen von § 315 StGB
ersichtlich nicht vor. Denn dazu müsste es außerdem zu einer konkreten, nachweisbaren Gefahr für Leib und Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert gekommen sein. Eine solche Gefahrenlage ist in Ihrem Fall jedenfalls nicht zu ersehen, denn einfach ausgedrückt ist schließlich letztlich in dieser Richtung nichts weiter passiert.
Zu 2. Kann ich darauf hoffen, das meine Privatrechtschutzversicherung in einem derartigen Fall hilft?
Solle es wider Erwarten dennoch zur Einleitung von Ermittlungen kommen, können die Kosten eines von Ihnen gewählten anwaltlichen Verteidigers bei bestehendem Versicherungsschutz von der Rechtschutzversicherung getragen werden. Hierbei kommt es zunächst auf den Inhalt des mit der Versicherung geschlossenen Vertrages an, da dabei in der Regel verschiedene Risiken individuell bezogen versichert werden. Soweit Strafrechtschutz besteht, würden die Kosten der Verteidigung in der Regel zunächst von der Versicherung unter der Bedingung übernommen werden, dass allenfalls ein fahrlässiger Verstoss in Betracht kommt. Im Rahmen des Strafrechtsschutzes ist dann meistens vertraglich geregelt, dass die Rechtschutzdeckung nachträglich erst dann wieder entfällt, sofern es zu einer Verurteilung wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit kommt. Dies ist nach Ihrer Schilderung jedenfalls nicht der Fall, so dass eine entsprechende Kostenübernahme durch die Versicherung bis dahin jedenfalls erfolgen müsste.
Zu 3. Wie sollte ich mich nach Erhalt des Anhörungsbogens verhalten?
Wie aufgezeigt ist es meines Erachtens aus den genannten Gründen sehr unwahrscheinlich, dass gegen Sie überhaupt entsprechende Ermittlungen eingeleitet werden. Sollte es hierzu dennoch kommen und Sie einen Anhörungsbogen erhalten, bewahren Sie bitte zunächst Ruhe und machen Sie keinerlei Angaben. Dies ist Ihr gutes Recht als etwaiger Beschuldigter. Sie sollten dann einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl mit der Verteidigung beauftragen und über diesen zunächst Akteneinsicht beantragen. Gern stehe auch ich Ihnen auf Wunsch hierfür zur Verfügung. Erst und frühestens nach Auswertung dieser Akteneinsicht kann und wird der Verteidiger mit Ihnen dann das weitere Vorgehen besprechen, die Verteidigungsstrategie erörtern und eine Einschätzung der Rechts- und Beweislage vornehmen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen ersten Überblick verschaffen und meine Ausführungen helfen Ihnen weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Joschko
Rechtsanwalt
Hallo Herr Joschko,
vielen Dank für Ihre sehr hilfreichen Ausführungen, sie haben mir eine große Sorge gemildert !
Eine kurze Frage hätte ich jedoch noch; davon ausgehend das § 315 wohl nicht zum Tragen kommt, kann mir der Staatsanwalt in diesem Fall z.B. alternativ wegen fahrlässigen Handelns ein Bußgeld aufbrummen? (evtl.Größenordnung?)
Hintergrund ist der, daß ich mich zwischenzeitlich mit dem Betreiber auf einen Klageverzicht einigen konnte, jedoch die Polizei den Fall wohl schon zu Protokoll genommen hat.
Hat der Staatsanwalt dann noch ein Interesse den Fall zu verfolgen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
gern beantworte ich Ihre Nachfrage noch wie folgt:
§ 315 StGB
stellt ein sogenanntes Offizialdelikt dar. Der Staatsanwalt ermittelt also von Amts wegen und nicht erst auf Strafantrag eines Geschädigten hin. Ob dieser ein öffentliches Interesse an einer Anklageerhebung sehen wird, wage ich zu bezweifeln. Denn aus den bereits aufgezeigten Gründen werden meines Erachtens schon wesentliche Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben sein, so dass eine Strafverfolgung eher unwahrscheinlich ist. Sofern Sie sich mit dem Betreiber außerdem geeinigt haben, wird dies auch der Staatsanwalt dahingehend honorieren, als das er bei einer etwaigen Prüfung des öffentlichen Interesses dieses wenn überhaupt eher als gering einstufen wird, zudem ja im Grunde nichts passiert ist (kein Schaden, keine Verletzten). Es wird daher aller Voraussicht nach das schon eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt werden, sobald die Polizei dieses an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat.
Mit freundlichen Grüßen
RA Thomas Joschko