Vorladung zum Landgericht, einfach nicht hingehen?

| 24. September 2025 15:19 |
Preis: 50,00 € |

Inkasso, Mahnungen


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Ein Ausländischer Dienstleister hat einen Betrag von etwa 6.000 EUR eingefordert über eine Anwaltskanzlei in Deutschland.
Beim Mahnbescheid hat diese Kanzlei schon eine völlig falsche Zinsrechnung vorgelegt (Anmerkung: ich bin selbst gelernter Bankkaufmann).
Dadurch haben wir dem Mahnbescheid - Zinsanteil widersprochen (nicht der Hauptforderung).
Es kam dann eine schriftliche Berichtigung der Zinsen. Daraufhin hat die Kanzlei einen Vollstreckungsbescheid beantragt mit wiederum abweichenden Zinsen.
Daraufhin haben wir dem VB widersprochen. Dieser ging zwar rechtzeitig raus, aber kam beim Landgericht wohl nicht mehr rechtzeitg rein.
Die eigentliche Forderung (inkl Zinsen etc.) will der Kläger bereits vollstrecken, jedoch hat das Landgericht aufgrund des verspätet eingegangenen Widerspruchs einen Termin festgelegt.

Ich frage mich, was dieser noch bringen soll und ob ich den einfach nicht wahrnehmen soll, oder den Widerspruch zurückziehen soll. Die mittlerweile etwa 4.000 EUR Anwaltskosten der Gegenpartei sind hauptächlich durch ihre eigenen Unfähigkeit entstanden. Natürlich habe ich keine Lust, für dieses Versagen zu zahlen. Aber hat mein Ansinnen (Reduktion der Anwaltskosten des Klägers) überhaupt irgend welche Chancen? wenn nicht, wäre wohl eine Rücknahme oder einfach nicht hingehen die bessere Wahl?
Eingrenzung vom Fragesteller
24. September 2025 | 15:30
24. September 2025 | 15:56

Antwort

von


(1245)
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

1. Verfahrensstand nach verspätetem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid

Ein Vollstreckungsbescheid steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich (§ 700 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid muss binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung bei Gericht eingehen (§ 339 Abs. 1 ZPO).

Da Ihr Einspruch nach Ihren Angaben verspätet beim Gericht eingegangen ist, ist der Vollstreckungsbescheid zunächst in formeller Rechtskraft erwachsen. Dies bedeutet, dass der Gläubiger (der Dienstleister) daraus die Zwangsvollstreckung betreiben kann, was er anscheinend auch bereits tut.

Der vom Landgericht anberaumte Termin dient nun aller Voraussicht nach der Verhandlung über Ihren Einspruch. Auch wenn der Einspruch verspätet war, wird das Gericht in diesem Termin zunächst die Zulässigkeit des Einspruchs prüfen. Sollte die Verspätung unstreitig sein und keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) vorliegen, wird das Gericht den Einspruch als unzulässig verwerfen. Eine Wiedereinsetzung wäre nur dann denkbar, wenn Sie die Fristversäumnis nicht zu vertreten hätten, was bei einem rechtzeitigen Absenden per Post und einem unerwartet langen Postlaufweg unter Umständen argumentierbar wäre, jedoch strengen Anforderungen unterliegt.

Sollte das Gericht den Einspruch als unzulässig verwerfen, wird der Vollstreckungsbescheid endgültig rechtskräftig. Das Verfahren wäre damit beendet.

2. Konsequenzen des Nichterscheinens zum Gerichtstermin

Ich rate Ihnen dringend und unmissverständlich davon ab, den Gerichtstermin einfach nicht wahrzunehmen.

Wenn Sie als Einspruchsführer im Termin nicht erscheinen, ergeht gegen Sie ein zweites Versäumnisurteil (§ 345 ZPO). Dieses Urteil verwirft Ihren Einspruch und bestätigt den Vollstreckungsbescheid. Gegen dieses zweite Versäumnisurteil gibt es, von sehr engen Ausnahmen abgesehen, kein Rechtsmittel mehr. Der Vollstreckungsbescheid würde damit ebenfalls endgültig rechtskräftig.

Die entscheidenden Nachteile des Nichterscheinens sind:

Kontrollverlust: Sie geben jegliche Möglichkeit aus der Hand, auf das Verfahren und insbesondere auf die Kostenentscheidung Einfluss zu nehmen.

Zusätzliche Kosten: Das zweite Versäumnisurteil verursacht weitere Gerichts- und Anwaltskosten, die Sie zu tragen hätten.

Verlust von Argumentationsmöglichkeiten: Sie können Ihre berechtigten Einwände bezüglich der fehlerhaften Zinsberechnungen und der dadurch verursachten Kosten nicht mehr vorbringen.

3. Erfolgsaussichten der Reduzierung der gegnerischen Anwaltskosten

Hier liegt der Kernpunkt Ihres Anliegens. Sie argumentieren zu Recht, dass ein erheblicher Teil der gegnerischen Anwaltskosten durch deren eigene Fehler verursacht wurde. Juristisch sprechen wir hier von der Kostentragungspflicht bei unnötigen Kosten (§ 91 ff. ZPO).

Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat grundsätzlich die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dies umfasst auch die gesetzlichen Anwaltsgebühren der Gegenseite. Jedoch gibt es Ausnahmen. Die Kosten, die durch ein Verschulden einer Partei oder durch Zufall, der einer Partei zuzurechnen ist, entstanden sind, können dieser Partei auferlegt werden, auch wenn sie den Prozess gewinnt.

Ihre Argumentation ist hier durchaus stichhaltig. Die wiederholt falsche Zinsberechnung durch die gegnerische Kanzlei hat den Widerspruch gegen den Mahnbescheid und letztlich auch den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid provoziert. Ohne diese Fehler hätten Sie der Hauptforderung möglicherweise nicht widersprochen und das Verfahren hätte sich nicht zu einem streitigen Gerichtsverfahren entwickelt.

Rechtsprechung und Praxis: Gerichte sind durchaus bereit, eine solche "Kostentrennung" vorzunehmen. Wenn eine Partei durch prozessuales Fehlverhalten (dazu zählt auch die fehlerhafte Geltendmachung von Forderungsbestandteilen) Mehrkosten verursacht, können ihr diese auferlegt werden.

Ihre Chance besteht darin, im Gerichtstermin – selbst wenn der Einspruch als solcher unzulässig sein sollte – auf eine für Sie günstige Kostenentscheidung hinzuwirken. Sie können dem Gericht dezidiert darlegen, dass der gesamte Rechtsstreit nur aufgrund der "Unfähigkeit" (juristisch: des Verschuldens) der gegnerischen Kanzlei eskaliert ist.

4. Strategische Optionen: Vergleich und Bewertung

Rücknahme des Einspruchs: Sie könnten den Einspruch vor dem Termin zurücknehmen.

Vorteil: Sie vermeiden weitere Kosten, die durch den Gerichtstermin selbst entstehen.

Nachteil: Die Kostenentscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht ohne Ihre persönliche Anhörung und Darlegung der Umstände eine für Sie günstige Kostenkorrektur vornimmt, ist deutlich geringer. Sie müssten die gesamten bisherigen Kosten des Verfahrens tragen.

Nichterscheinen zum Termin: (Siehe oben) Dies ist die schlechteste aller Optionen. Sie führt zu maximalen Kosten und dem vollständigen Verlust rechtlichen Gehörs.

Wahrnehmung des Gerichtstermins:

Vorteil: Dies ist Ihre einzige Chance, dem Gericht den Sachverhalt persönlich zu schildern und eine Korrektur der Kostenentscheidung zu erwirken. Sie können die fehlerhaften Berechnungen vorlegen und argumentieren, dass die Kosten des streitigen Verfahrens allein vom Kläger verursacht wurden. Selbst wenn Ihr Einspruch wegen Verspätung verworfen wird, kann das Gericht in der Kostenentscheidung nach § 96 ZPO oder aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB (Treu und Glauben) eine andere Quotelung vornehmen.

Nachteil: Es entstehen die Kosten für die Wahrnehmung des Termins (ggf. Reisekosten, Verdienstausfall). Die Erfolgsaussicht ist keine Garantie, aber sie ist gegeben.

Handlungsempfehlung

Nehmen Sie den Gerichtstermin unbedingt wahr. Bereiten Sie sich gut vor. Erstellen Sie eine chronologische Aufstellung der Ereignisse und nehmen Sie alle relevanten Unterlagen in Kopie für das Gericht mit: den Mahnbescheid, Ihren Widerspruch, die korrigierte Zinsberechnung, den Vollstreckungsbescheid und Ihren Einspruch. Heben Sie die fehlerhaften Zinsberechnungen deutlich hervor.

Stellen Sie im Termin einen Antrag zur Kostenentscheidung. Konzentrieren Sie Ihre Argumentation auf die Kosten. Erklären Sie dem Richter sachlich, dass Sie die Hauptforderung nie bestritten haben und der gesamte Rechtsstreit ausschließlich durch die wiederholten und erheblichen Fehler der gegnerischen Kanzlei verursacht wurde. Beantragen Sie, dass die Kosten des Rechtsstreits, insbesondere die durch die Einsprüche entstandenen Mehrkosten, der Klägerseite auferlegt werden.

Prüfen Sie einen Vergleich. Oftmals regen Gerichte in einer solchen Situation einen Vergleich an, um das Verfahren zu beenden. Ein möglicher Vergleich könnte lauten: Sie zahlen die unstreitige Hauptforderung nebst den (korrekten) Zinsen, und im Gegenzug wird eine für Sie günstige Kostenregelung getroffen (z.B. jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, oder die Klägerseite trägt einen Großteil der Kosten). Dies wäre für Sie wahrscheinlich das wirtschaftlich sinnvollste Ergebnis.

Das Fernbleiben oder die Rücknahme des Einspruchs würde Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Übernahme aller Kosten verpflichten, inklusive jener, die durch das Verschulden der Gegenseite entstanden sind. Nur durch Ihre Anwesenheit und Ihr aktives Vorbringen im Termin wahren Sie die Chance auf eine gerechte Kostenverteilung.


Zu beachten ist, dass am Landgericht Anwaltszwang besteht. Daher sollten Sie sich auch anwaltlich vertreten lassen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Steffan Schwerin

Bewertung des Fragestellers 24. September 2025 | 16:18

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