Testament versus Erbvertrag

| 17. Januar 2010 18:25 |
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Erbrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,
vor wenigen Tagen wurde mir und meinem Bruder vom Nachlassgericht ein Erbvertrag aus dem Jahre 1971 zugestellt, der unseren Vater, Neffe der Vertragspartner, als Erben des Längstlebenden mit einigen Verpflichtungen zur Vermögensaufteilung einsetzt. 1977, nach dem Tode des ersten Erblassers, wurde unser Vater davon mit einem Auszug aus dem Erbvertrag in Kenntnis gesetzt. Vorher war er bereits mündlich informiert worden. Mit gleicher Post erhielten wir die Abschrift eines notariellen Testaments, das durch die länger lebende Ehefrau 1996 verfasst wurde und ihre Pflegerin und Haushälterin als alleinige Erbin einsetzte und alle vorherigen Verfügungen vorsorglich widerrief. Diese Erbin scheint laut Postanschrift das Erbe (Haus, Grundstück, Geldvermögen) bereits angetreten zu haben.
Ist damit der Erbvertrag aus dem Jahre 1971 hinfällig?
Sind wir als Abkömmlinge des im Erbvertrag eingesetzten und bereits verstorbenen Erben überhaupt in diesem Fall erbberechtigt?
Wenn ja, wie erhalten wir Auskunft über den Inhalt / Wert des Erbes?
Wenn das Grundstück/Haus bereits auf den durch das Testament Begünstigten in das Grundbuch eingetragen wurde, wären damit vollendete Tatsachen geschaffen?
Falls wir rechtmäßige Erben sind, welche Schritte sollten wir unternehmen?
Mit freundlichem Gruß
17. Januar 2010 | 20:19

Antwort

von


(1189)
Hauptstraße 16 a
25488 Holm
Tel: 04103/9236623
Web: https://www.kanzlei-roth.de
E-Mail: info@kanzlei-roth.de
Sehr geehrte Ratsuchende,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworte.
Durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben Ihrerseits kann die rechtliche Beurteilung anders ausfallen, so dass die Beratung innerhalb dieses Forums lediglich eine erste rechtliche Orientierung in der Sache darstellt und keinesfalls den Gang zu einem Kollegen vor Ort ersetzen kann.

Dies vorausgeschickt wird das Folgende ausgeführt:

Ist damit der Erbvertrag aus dem Jahre 1971 hinfällig?

Nein, der Erbvertrag unterliegt einer Bindungswirkung. Eine Lösung vom Erbvertrag ist im Hinblick auf diese Bindungswirkung nur eng begrenzten Fällen möglich.

Spätere letztwillige Verfügungen, die auf den Erbvertrag folgen sind nach § 2289 Absatz 1 Satz 2 BGB.
Solange ein Erbvertrag nicht rechtswirksam aufgehoben worden ist, ist die Errichtung eines neuen Testamentes nicht möglich.

Ein Aufhebungsvertrag nach § 2290 BGB kommt schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil hierzu die Personen, die den Erbvertrag geschlossen haben, eine solche Vereinbarung herbeiführen müssen. Dies ist aber nicht mehr möglich.

Ein Rücktritt von einem Erbvertrag kommt dann in Betracht, wenn der Vorbehalt eines Rücktritts im Erbvertrag selbst vereinbart worden ist. Hiervon haben Sie aber nichts berichtet.
Darüber hinaus gibt es gesetzliche Rücktrittsrechte (vgl. §§ 2294 f. BGB), dessen Voraussetzungen aber - unter Berücksichtigung Ihres Sachvortrags - nicht erfüllt sind.

Sind wir als Abkömmlinge des im Erbvertrag eingesetzten und bereits verstorbenen Erben überhaupt in diesem Fall erbberechtigt?

Erbberechtigt ist zunächst Ihr Vater. Dies müsste aber im Einzelnen noch durch Klärung der Sach- und Rechtslage eruiert werden.
Im Falle des Ablebens Ihres Vaters wären Sie und Ihr Bruder Erbeinsetzungsbegünstigte.

Wenn ja, wie erhalten wir Auskunft über den Inhalt / Wert des Erbes?

In diesem Fall müssten Sie gegenüber der Erbschaftsbesitzerin um Auskunft begehren.
Nach § 2027 Abs. 1 BGB ist der Erbschaftsbesitzer verpflichtet, dem Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu erteilen.

Wenn das Grundstück/Haus bereits auf den durch das Testament Begünstigten in das Grundbuch eingetragen wurde, wären damit vollendete Tatsachen geschaffen?

Nein, jedenfalls nicht abschließende. Wenn der Erbvertrag Rechtswirksamkeit entfaltet, wäre - vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung - das Grundbuch falsch und müsste berichtigt werden.

Falls wir rechtmäßige Erben sind, welche Schritte sollten wir unternehmen?

In einer solchen Erbrechtsangelegenheit ist es sinnvoll und notwendig, sich durch einen auf Erbrecht spezialisierten Kollegen vertreten zu lassen, um möglichen Rechtsverlusten vorzubeugen und um zu gewährleisten, dass auch sämtliche bestehende Ansprüche geltend gemacht werden.

Überlassen Sie mir doch bitte einmal den Erbvertrag und das streitgegenständliche notarielle Testament per E-Mail.
Ich werde diese Unterlagen in Augenschein nehmen und Ihnen eine Stellungnahme übermitteln, ohne dass Ihnen hierfür weitere Kosten entstünden.

Im Anschluss daran könnten Sie entscheiden, welche Schritte Sie weiter einzuleiten gedenken.

Ich hoffe, dass ich Ihnen in der Sache weiterhelfen konnte.
Für eine kostenlose Rückfrage stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Sollten Sie eine darüber hinausgehende Vertretung in Erwägung ziehen, empfehle ich Ihnen eine Kontaktaufnahme über die unten mitgeteilte E-Mail-Adresse. Die moderne Kommunikation ermöglicht insoweit auch die Überbrückung größerer Entfernungen.



Rechtsanwalt Karlheinz Roth

Bewertung des Fragestellers 19. Januar 2010 | 14:42

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ich danke Ihnen für die ausführliche und verständliche Antwort, die durch detaillierte Hinweise auf das BGB auch die Möglichkeit zum Nachlesen und Vertiefen gibt. Unsicherheiten wurden ausgeräumt, neue entstanden. Ihr Angebot, mir durch Einsichtnahme in meine Unterlagen eine individuellere Antwort zu geben, habe ich dankend angenommen."
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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 19. Januar 2010
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Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Roth,
ich danke Ihnen für die ausführliche und verständliche Antwort, die durch detaillierte Hinweise auf das BGB auch die Möglichkeit zum Nachlesen und Vertiefen gibt. Unsicherheiten wurden ausgeräumt, neue entstanden. Ihr Angebot, mir durch Einsichtnahme in meine Unterlagen eine individuellere Antwort zu geben, habe ich dankend angenommen.


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