Schadensersatz / entgangener Gewinn

8. Februar 2022 16:36 |
Preis: 45,00 € |

Schadensersatz


Beantwortet von


12:07
Hallo,

folgender, leicht abgewandelter Sachverhalt. Es geht hier um eine Zweitmeinung.

Wir betreiben verschiedene Webshops. Wir haben einen Dienstleister damit beauftragt, einen neuen Shop zu bauen für bestimmte Artikel, die in einem bereits existierenden Shop integriert waren.
Da die Integration im bestehenden Shop unharmonisch war und die Artikel nicht zum restlichen Sortiment gepasst haben, sollte eben der neue Shop erstellt werden. Der neue Shop sollte im Gegensatz zum existierenden Shop insbesondere auf das europäische Ausland ausgerichtet sein und nicht nur auf Deutschland. Über den existierenden Shop wurden mit diesen Artikeln relevante Umsätze im 4-5 stelligen Bereich am Tag in Deutschland generiert.

Wir hatten mit dem Dienstleister ein konkretes Datum zur Fertigstellung abgesprochen.
Nach mehrfachen Anmahnen wurde der Shop aber dennoch nicht fertig gestellt und konnte nicht online gehen.

Wir haben daraufhin Klage auf Schadensersatz eingereicht. Wir haben die Umsätze des deutschen Shops auf die geplanten europäischen Länder hochgerechnet und davon unsere Marge als Schaden berechnet.

Die Klage wurde abgewiesen, da der Schaden angeblich nicht substantiiert wäre. (man könne Umsätze von Shop A nicht auf Shop B übertragen und einfach hochrechnen.)

Inwiefern ist die Begründung des Richters zutreffend und was könnte möglicherweise in einer nächsten Instanz dagegen gehalten werden?
Inwiefern könnte z.b. nach §252 BGB ein abstrakter Gewinn als Schadensersatz angesetzt werden?






8. Februar 2022 | 17:45

Antwort

von


(550)
Wilhelmstrasse 16
52428 Jülich
Tel: 0246197420
Web: https://www.ratimrecht.de
E-Mail: thomasklein055@gmail.com
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ich gehe zunächst davon aus, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch dem Grund nach vorlagen, also eine Anspruchsgrundlage gegen den Dienstleister aufgrund des von Ihnen erwähnten Verzuges bestand.

Mir sind aus jüngerer Vergangenheit eine Reihe von Entscheidungen von Gerichten bekannt, die wegen angeblicher mangelnder Substanziierung eine Klage abgewiesen haben. Es ist natürlich ohne Kenntnis des von Ihnen erwähnten Urteils nicht möglich, abschließend zu beurteilen, ob Ihr Vortrag unsubstanziiert war.

Jedenfalls hat der BGH in mehreren Entscheidungen aus jüngster Vergangenheit recht deutlich zu der Auffassung von Landgerichten und Oberlandesgerichten Stellung genommen, die eine Klage mangels angeblicher Substanziierung abgewiesen haben und hier deutlich gemacht, dass dies nur in Betracht kommt, wenn ohne greifbare Anhaltspunkte, sozusagen "ins Blaue hinein" , vorgetragen wird. Diese Annahme soll nach der Rechtsprechung des BGH die Ausnahme sein und das Gericht grundsätzlich gehalten sein, Beweis zu erheben (unlängst etwa: BGH Az. VIII ZR 386/20).

Gerade weil beim entgangenen Gewinn dem Kläger die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zu Gute kommt (so etwa: BGH Az. IV ZR 224/13) halte ich die Abweisung der Klage allein mit dem Argument der mangelnden Substanziierung für fragwürdig.

Ich kenne zwar Ihren Vortrag bzw. den Vortrag Ihres Anwaltes in 1. Instanz nicht, aber die Rechtsprechung hält es im Rahmen des § 252 BGB und des hier anwendbaren § 287 ZPO durchaus für zulässig, aus bestehenden Geschäften und deren Umsätzen auf einen entgangenen Gewinn in einem anderen Betrieb zu schließen (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 24-10-1995 , Az. KZR 3/95 und OLG Hamm Az. 22 U 203/11).

Allerdings muss hier dennoch konkret dazu vorgetragen werden, warum Sie davon ausgehen, dass der Umsatz in den europäischen Geschäften sich so entwickelt hätte, wie auch in den deutschen zuvor. Insoweit nutzt Ihnen dann auch der Übergang auf einen abstrakten Schadensersatz nichts. Denn dieser ist ohne Darlegung zu dem zu erwartenden Umsatz des ausländischen Shops nicht zulässig geltend zu machen (vgl. etwa: BGH Az. VI ZR 81/87)

Der BGH fasst dies wie folgt zusammen:

"Sowohl § ZPO § 287 ZPO wie § BGB § 252 BGB verlangen für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen. Sie sind die Grundlage, auf der das Ermessen bei einer Beweiswürdigung nach § ZPO § 287 ZPO und die Wahrscheinlichkeitsprüfung nach § BGB § 252 S. 2 BGB gründen. Für die Schadensberechnung benötigt der Richter als Ausgangssituation greifbare Tatsachen, da sich nur anhand eines bestimmten Sachverhalts sagen läßt, wie die Dinge sich weiterentwickelt haben würden . Wie der Senat in der zitierten Entscheidung ausgeführt hat, muß der Kl. auch bei Anwendung des § BGB § 252 BGB die Tatsachen im einzelnen darlegen und beweisen, die seine Gewinnerwartung wahrscheinlich machen sollen."

D.h.:

Sie müssen nachweisen, wie sich die Vermögenslage bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages dargestellt hätte und welchen Gewinn Sie in diesem •Fall hätte erwarten können. Mit dieser Vermögenslage im Fall ordnungsgemäßer. Vertragserfüllung ist sodann die infolge der Nichterfüllung des Vertrages eingetretene Vermögenslage zu vergleichen. Zu diesem Zweck müssen Sie als der Geschädigte darlegen, welchen anderweitigen gegebenenfalls niedrigeren Gewinn Sie aus der Verwertung der infolge der Nichterfüllung des Vertrages frei gewordenen Mittel, etwa auch der eigene Arbeitskraft, erzielt haben.. Aus dem Vergleich beider Gewinnmöglichkeiten ist sodann der konkrete durch die Nichterfüllung bedingte Schaden zu errechnen.

In der Praxis bedeutet dies, dass etwa mit der Finanzbuchhaltung verzahnte Kostenrechnungen aus der Vergangenheit , Kostenkalkulation und die Buchführung vorgelegt werden müssen. Zumeist werden bei der Schaffung neuer Einnahmequellen, etwa durch neue Shops, auch von dritter Seite Businesspläne mit voraussichtlichen Umsatzzahlen erstellt, die ebenfalls hilfreich sind. Denn so kann geprüft werden, ob die unternehmerische Planung letztlich der Wirklichkeit entsprechen kann.

Ich hoffe, Ihnen hiermit vorab geholfen zu haben und stehe für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Klein


Rechtsanwalt Thomas Klein
Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Rückfrage vom Fragesteller 9. Februar 2022 | 11:07

Hallo,

danke für die ausführliche Antwort.
Ich würde Ihnen gerne die Klage per Mail zusenden, damit Sie prüfen können, inwiefern bzw welche Beweise wir konkret noch einwerfen sollten, um den Schaden zu konkretisieren.
Bitte teilen Sie mir hierfür die voraussichtlichen Kosten mit.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Februar 2022 | 12:07

Sehr geehrter Fragesteller,

Sie können mir gerne die Klage und das Urteil sowie die Klageerwiderung der Gegenseite direkt per Mail übersenden. Ich würde mir gerne zunächst einen Überblick verschaffen.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Klein

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