21. September 2025
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16:55
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
E-Mail: info@jan-wilking.de
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Sachverhalt und rechtliche Einordnung
Sie schildern, dass Sie Opfer eines Phishing-Betrugs wurden: Über eine täuschend echt nachgebaute Website wurden Ihre Zahlungsdaten abgegriffen und sodann eine unautorisierte PayPal-Zahlung (Family & Friends) in Höhe von 962 Euro ausgelöst. Sie haben die Zahlung umgehend bei PayPal gemeldet, die Lastschrift bei Ihrer Bank widerrufen und PayPal über den Betrug informiert. PayPal hat die Zahlung nicht gestoppt, sondern nachträglich einen Konfliktfall eröffnet und diesen zu Ihren Ungunsten entschieden. Nun fordert PayPal (bzw. ein Inkasso-Anwalt) die Summe von Ihnen zurück.
2. Rechtliche Bewertung
a) Haftung für unautorisierte Zahlungen (§ 675u BGB)
Nach § 675u BGB haftet der Zahler grundsätzlich nicht für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge. Eine Zahlung ist nur dann autorisiert, wenn Sie dieser ausdrücklich zugestimmt haben. Im Fall eines Phishing-Angriffs fehlt es an einer solchen Zustimmung.
Wesentliche Voraussetzung:
Sie müssen PayPal unverzüglich nach Feststellung des unautorisierten Zahlungsvorgangs informieren (§ 675v Abs. 1 BGB). Dies haben Sie nach Ihrer Schilderung getan.
b) Haftungsausschluss und Eigenverschulden (§ 675v Abs. 3 BGB)
Eine Haftung des Zahlers kommt nur in Betracht, wenn dieser vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Sorgfaltspflichten verstoßen hat (z.B. Weitergabe von Zugangsdaten). Nach der aktuellen Rechtsprechung ist die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit hoch. Das bloße Opferwerden eines Phishing-Angriffs begründet in der Regel keine grobe Fahrlässigkeit, sofern Sie nicht leichtfertig Zugangsdaten preisgegeben haben.
Wichtig:
Die Nutzung von "Family & Friends" erschwert zwar die Rückbuchung, ändert aber nichts an der fehlenden Autorisierung.
c) Rückbuchung der Lastschrift
Durch den Widerruf der Lastschrift bei Ihrer Bank haben Sie die Zahlung rückgängig gemacht. PayPal kann grundsätzlich nur dann einen Anspruch gegen Sie geltend machen, wenn die Zahlung berechtigt war – was hier nicht der Fall ist.
d) Vertragliche Ansprüche von PayPal
PayPal könnte sich auf seine AGB berufen und argumentieren, dass Sie für die Zahlung haften, wenn Sie Ihre Zugangsdaten nicht ausreichend geschützt haben. Nach Ihrer Schilderung haben Sie jedoch keine Sorgfaltspflichten verletzt, sondern sind Opfer eines professionellen Betrugs geworden.
3. Fristen und formale Aspekte im Inkassoverfahren
Widerspruch: Sie haben der Forderung bereits widersprochen. Dies ist wichtig, um einen gerichtlichen Mahnbescheid oder ein Versäumnisurteil zu verhindern.
Schriftform: Führen Sie die Korrespondenz stets schriftlich und dokumentieren Sie alle Vorgänge.
Fristen: Prüfen Sie, ob Ihnen ein gerichtlicher Mahnbescheid zugestellt wird. In diesem Fall müssen Sie binnen 2 Wochen Widerspruch einlegen, um einen Vollstreckungsbescheid zu verhindern.
Verjährung: Zahlungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) verjähren grundsätzlich in 3 Jahren ab Jahresende.
4. Empfohlene Vorgehensweise
Erneute schriftliche Stellungnahme an PayPal und das Inkassobüro:
Schildern Sie nochmals den Sachverhalt.
Verweisen Sie auf § 675u BGB (keine Autorisierung, keine Haftung).
Fügen Sie Nachweise über die Meldung des Betrugs und den Widerruf der Lastschrift bei.
Fordern Sie die Einstellung der Forderung.
Dokumentation:
Bewahren Sie alle Belege, E-Mails und Schriftwechsel auf.
Reaktion auf gerichtliche Schreiben:
Bei Mahnbescheid: Unbedingt fristgerecht Widerspruch einlegen!
Anzeige bei der Polizei:
Falls noch nicht geschehen, erstatten Sie Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Betrugs. Dies kann Ihre Position gegenüber PayPal stärken.
5. Fazit
Nach aktueller Rechtslage und Ihrer Schilderung besteht keine Zahlungspflicht gegenüber PayPal, da Sie den Zahlungsvorgang nicht autorisiert haben und keine grobe Fahrlässigkeit erkennbar ist.
PayPal kann die Forderung nicht wirksam durchsetzen, solange Sie rechtzeitig widersprechen und keine gerichtliche Entscheidung gegen Sie ergeht.
Hinweis:
Sollte PayPal dennoch Klage erheben, ist eine ausführliche Klageerwiderung unter Bezugnahme auf die oben genannten Normen und den Sachverhalt erforderlich.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Jan Wilking