Phising-Abzocke über Fake-Internet-Shop, PayPal leitet Inkasso-Verfahren ein

21. September 2025 16:21 |
Preis: 50,00 € |

Internetrecht, Computerrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich wollte am 22.07.25 von unterwegs aus eine Vignette für die Autobahnen in Österreich kaufen. Dafür habe ich in Google nach "Pickerl online kaufen" gesucht. Der erste Eintrag in der Google-Suche war"european-toll.org" (oder so ähnlich, möglicherweise ohneBindestrich), diesem Link bin ich gefolgt und habe eine völlig normal aussehende Internetseite vorgefunden (quasi identisch zuder richtigen! Später habe ich tatsächlich eine Vignette gekauft,dabei aber sehr auf die Internet-Adresse geachtet, es musste die"Asfinag" sein. Die Internetseiten der Betrüger waren sehr gutnachgebaut, mir ist kein Unterschied aufgefallen! Des weiteren habe ich später nochmal die geliche Google-Suche getätigt, bei den ersten 6 Google-Treffern waren 3 (!) solche Abzocke-Adressen dabei, erkennbar an leichten Abwandlungen der Asfinag-Internetseite, z.B. asfinac.at)

Auf dieser Internetseite (european-toll.org) habe ich das Kennzeichen usw. eingebeben, alles ganz normal. Als Zahlbetrag wurde mir 12,40 Euro angezeigt.
Als einziges ist mir aufgefallen, dass der Bezahlvorgang relativ lange gedauert hat. Anscheinend haben die Betrüger diese paar Sekunden (ca. 30 sec) genutzt um meine Zahlungsdaten abzugreifen und auf PayPal eine Überweisung (for family and friends) über 962 Euro zu tätigen an das PayPal-Konto von Sophie Meier mit der Adresse sabinesblumen@t-online.de.
Ich wurde nur auf die falsche Zahlung aufmerksam, weil ich sämtliche Kontobewegungen auf meinem Handy gemeldet bekomme.
Ich habe danach umgehend den Betrug bei PayPal gemeldet und auch bei der Asfinag. PayPal hat die Zahlung nicht aufgehalten, sondern sie haben mich erst eine Woche später dazu aufgefordert mein Passwort zu ändern. (hatte ich natürlich schon getan) Das war die einzige Reaktion seitens PayPal. Keinerlei Versuche die unrechtmäßige Zahlung zeitnah zu stoppen!
Die Lastschrift von PayPal habe ich widerrufen bei meiner Bank.

Später hat PayPal einen Konfliktfall eröffnet wegen der widerrufenen Lastschrift. Darauf konnte ich nicht eingehen, da ich die folgenden Tage in den Bergen unterwegs war und keinen stabilen Internet-Empfang hatte. Gleichzeitig mit der Schließung des Konfliktfalles mit einer Entscheidung seitens PayPal gegen mich, hat PayPal auch gleichzeitig - ohne mein Zutun oder Kenntnis - ein Widerspruchsverfahren eröffnet und sofort wieder negativ abgeschlossen
Meine späteren Versuche die Sache am Telefon aufzuklären wurden von PayPal sehr unfreundlich abgelehnt, obwohl bei PayPal sicherlich eine ganze Menge ähnlicher Vorgänge aufgelaufen sind und sie über diese Betrugsmache Bescheid wissen.
Jetzt verlangt PayPal die Summe direkt von mir und hat einen Inkasso-Rechtsawalt eingeschaltet. Deren Forderung habe ich mit den oben genannten Gründen widersprochen.

Ich bitte nun um anwaltliche Einschätzung:

Muss ich die Summe von mittlerweile 1021,14 Euro bezahlen?
Gibt es Fristen oder formale Aspekte die ich in der Korrespondenz mit dem Inkasso-Anwalt beachten muss?

Vielen Dank für Ihre Unterstützung und Einschätzung zum besten Vorgehen!

Mit freundlichen Grüßen,
21. September 2025 | 16:55

Antwort

von


(2757)
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
E-Mail: info@jan-wilking.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

1. Sachverhalt und rechtliche Einordnung

Sie schildern, dass Sie Opfer eines Phishing-Betrugs wurden: Über eine täuschend echt nachgebaute Website wurden Ihre Zahlungsdaten abgegriffen und sodann eine unautorisierte PayPal-Zahlung (Family & Friends) in Höhe von 962 Euro ausgelöst. Sie haben die Zahlung umgehend bei PayPal gemeldet, die Lastschrift bei Ihrer Bank widerrufen und PayPal über den Betrug informiert. PayPal hat die Zahlung nicht gestoppt, sondern nachträglich einen Konfliktfall eröffnet und diesen zu Ihren Ungunsten entschieden. Nun fordert PayPal (bzw. ein Inkasso-Anwalt) die Summe von Ihnen zurück.

2. Rechtliche Bewertung

a) Haftung für unautorisierte Zahlungen (§ 675u BGB)
Nach § 675u BGB haftet der Zahler grundsätzlich nicht für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge. Eine Zahlung ist nur dann autorisiert, wenn Sie dieser ausdrücklich zugestimmt haben. Im Fall eines Phishing-Angriffs fehlt es an einer solchen Zustimmung.
Wesentliche Voraussetzung:
Sie müssen PayPal unverzüglich nach Feststellung des unautorisierten Zahlungsvorgangs informieren (§ 675v Abs. 1 BGB). Dies haben Sie nach Ihrer Schilderung getan.

b) Haftungsausschluss und Eigenverschulden (§ 675v Abs. 3 BGB)
Eine Haftung des Zahlers kommt nur in Betracht, wenn dieser vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Sorgfaltspflichten verstoßen hat (z.B. Weitergabe von Zugangsdaten). Nach der aktuellen Rechtsprechung ist die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit hoch. Das bloße Opferwerden eines Phishing-Angriffs begründet in der Regel keine grobe Fahrlässigkeit, sofern Sie nicht leichtfertig Zugangsdaten preisgegeben haben.
Wichtig:
Die Nutzung von "Family & Friends" erschwert zwar die Rückbuchung, ändert aber nichts an der fehlenden Autorisierung.

c) Rückbuchung der Lastschrift
Durch den Widerruf der Lastschrift bei Ihrer Bank haben Sie die Zahlung rückgängig gemacht. PayPal kann grundsätzlich nur dann einen Anspruch gegen Sie geltend machen, wenn die Zahlung berechtigt war – was hier nicht der Fall ist.

d) Vertragliche Ansprüche von PayPal
PayPal könnte sich auf seine AGB berufen und argumentieren, dass Sie für die Zahlung haften, wenn Sie Ihre Zugangsdaten nicht ausreichend geschützt haben. Nach Ihrer Schilderung haben Sie jedoch keine Sorgfaltspflichten verletzt, sondern sind Opfer eines professionellen Betrugs geworden.

3. Fristen und formale Aspekte im Inkassoverfahren

Widerspruch: Sie haben der Forderung bereits widersprochen. Dies ist wichtig, um einen gerichtlichen Mahnbescheid oder ein Versäumnisurteil zu verhindern.
Schriftform: Führen Sie die Korrespondenz stets schriftlich und dokumentieren Sie alle Vorgänge.
Fristen: Prüfen Sie, ob Ihnen ein gerichtlicher Mahnbescheid zugestellt wird. In diesem Fall müssen Sie binnen 2 Wochen Widerspruch einlegen, um einen Vollstreckungsbescheid zu verhindern.
Verjährung: Zahlungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) verjähren grundsätzlich in 3 Jahren ab Jahresende.

4. Empfohlene Vorgehensweise

Erneute schriftliche Stellungnahme an PayPal und das Inkassobüro:

Schildern Sie nochmals den Sachverhalt.
Verweisen Sie auf § 675u BGB (keine Autorisierung, keine Haftung).
Fügen Sie Nachweise über die Meldung des Betrugs und den Widerruf der Lastschrift bei.
Fordern Sie die Einstellung der Forderung.


Dokumentation:

Bewahren Sie alle Belege, E-Mails und Schriftwechsel auf.


Reaktion auf gerichtliche Schreiben:

Bei Mahnbescheid: Unbedingt fristgerecht Widerspruch einlegen!


Anzeige bei der Polizei:

Falls noch nicht geschehen, erstatten Sie Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Betrugs. Dies kann Ihre Position gegenüber PayPal stärken.



5. Fazit
Nach aktueller Rechtslage und Ihrer Schilderung besteht keine Zahlungspflicht gegenüber PayPal, da Sie den Zahlungsvorgang nicht autorisiert haben und keine grobe Fahrlässigkeit erkennbar ist.
PayPal kann die Forderung nicht wirksam durchsetzen, solange Sie rechtzeitig widersprechen und keine gerichtliche Entscheidung gegen Sie ergeht.

Hinweis:
Sollte PayPal dennoch Klage erheben, ist eine ausführliche Klageerwiderung unter Bezugnahme auf die oben genannten Normen und den Sachverhalt erforderlich.



Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Jan Wilking

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