Neffe der Verstorbenen hat Erbe ( Hälfte einer Doppelhaushälfte nicht ausgeschlagen

16. November 2021 15:28 |
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Erbrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Als 50% Besitzer einer Doppelhaushälfte bin ich durch den Todesfall der anderen 50%-Besitzerin vor ca. 30 Monaten betroffen. Erst wurde mir eine Nachlassverwalterin vor die Nase gesetzt, die mir verbat, mein Eigentum zu betreten. Dann erklärt sie schriftlich das Ende der Nachlassverwaltung. Nach meiner Kenntnis haben (scheinbar) alle in Frage kommenden Erben den Nachlass wegen Überschuldung (Sicherungshypotheken ohne Ende) ausgeschlagen. Da ich davon ausging, dass das ausgeschlagene Erbe an die Gemeinde bzw. den Fiskus fällt, frage ich bei der Gemeinde nach. Die verneint die Erbschaft und rät mir, das Nachlaßgericht zu einem Beschluss zu motivieren, das Finanzamt zum Erben zu erklären. Nun erhalte ich eine schriftliche Erklärung, dass ein Neffe der Verstorbenen "mangels vorliegender form-und fristgerechter Erbausschlagung als Erbe in Betracht kommt". Weitere Aktivitäten seien seitens des Nachlassgerichtes entbehrlich, ggf. soll ich mir anwaltlichen Rat holen.
Also: ich habe Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Bundeswehr-Adresse des fraglichen Neffen. Dazu Kontakt mit allen Gläubigern der Verstorbenen. Hat der Neffe eine Frist zur Erbausschlagung versäumt? Ist die Angelegenheit für ihn noch "heilbar" - also Sonderfälle wie Koma, Auslandseinsatz ohne Postnachsendung mal außen vorgelassen? Zitat Nachlassgericht: "Ein Erbschaftsscheinantrag wurde bisher nicht gestellt."
16. November 2021 | 15:58

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,


Lassen Sie mich Ihre Anfrage wie folgt beantworten:

Ob der Neffe die Frist zur Ausschlagung des Erbes versäumt hat lässt sich aus Ihren Angaben nicht ableiten. Diese Frist beträgt nach § 1944 BGB sechs Wochen und beginnt mit Kenntnis des Neffen davon, dass er Erbe geworden ist. Sofern hier andere Verwandte vor dem betreffenden Neffen gesetzliche Erben waren und dieser durch deren Ausschlagung an die Reihe kam, kann natürlich seit dem Tod der Miteigentümerin trotzdem geraume Zeit vergangen sein ehe die Frist für den Neffen zu laufen begann. Angesichts des Zeitablaufs ist es hier sehr gut möglich, dass die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist; sicher ist es aber nicht.

Grundsätzlich ist die Annahme der Erbschaft, die ohne aktive Handlung durch Versäumung der Ausschlagungsfrist zustande kommt, nicht widerruflich. Der Neffe kann es sich also nach Fristablauf nicht einfach anders überlegen. Möglich ist allerdings in gewissen Fällen die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Irrtums. Relevant ist in der Praxis dabei vor allem die Anfechtung wegen Irrtums über eine vorliegende Überschuldung des Nachlasses. Wenn sich der Neffe im Irrtum darüber befunden haben sollte, dass der Nachlass per Saldo im Minus ist, dann ist eine solche Anfechtung zumindest prinzipiell denkbar. Diese Anfechtung müsste gemäß § 121 BGB unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Grund zur Anfechtung Kenntnis erlangt hat.

Die Tatsache, dass bisher kein Erbschein beantragt wurde, sagt für sich genommen nichts aus. Es gibt keine allgemeine Pflicht für Erben, einen Erbschein zu beantragen. Relevant wäre es hingegen, wenn der Erbschein beantragt worden wäre. Spätestens ab Beantragung eines Erbscheines kann man nämlich die Erbschaft nicht mehr wirksam ausschlagen, weil man durch den Antrag nach außen zu erkennen gegeben hat, dass man das Erbe antreten will. Daran müsste sich der Betreffende dann auch festhalten lassen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Lars Winkler

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