Nachholen des Visumsverfahrens § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG

16. Juli 2023 18:32 |
Preis: 63,00 € |

Ausländerrecht


Beantwortet von


14:35
allo liebe Mitglieder,

ich beschäftige mich in einem aktuellen Fall
mit dem Thema „Nachholen des Visumverfahrens".

Einreise in das Bundesgebiet einer russischen Staatsangehörigen mit Schengen Visum. Ablauf des Schengen Visa Ende Mai. ABH gewährt der russischen Staatsangehörigen eine Duldung nach Ablauf des Schengen Visa weil die Anmeldung zur Eheschließung beim Standesamt vorliegt. Spezifische und anerkannte Gründe: Zukünftige deutsche Schwiegereltern schwerst onkologisch erkrankt mit Pflegegrad 4) russische Staatsangehörige unterstützt zukünftigen Ehemann bei der Pflege.

Duldung bis Eheschließung. Danach verlangt die ABH die Ausreise nach Russland um das Visumverfahren durchzuführen. Vorabzustimmung würde die ABH durchführen. Die meisten Konsulate in Russland wurden geschlossen. Die Deutsche Botschaft Moskau bearbeitet nun russlandweit alle nationalen Visaanträge. Hohes Antragsvolumen.

Es stellt sich mir die Frage, welches Kriterium nach § 5 Abs. 2 Satz 2
als Unzumutbar angesehen wird um vom Nachholen des Visumverfahrens abzusehen?

Hier stellt sich die besondere Frage da der Bundestag und Bundesrat gerade eine Änderung des §5 Abs.2 Satz 2 beschlossen haben. Hier der entsprechende Auszug aus dem neu verabschiedeten Gesetz:
.........
3. § 5 Absatz 2 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Von den Voraussetzungen nach Satz 1 kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind; von den Voraussetzungen nach Satz 1 ist abzusehen, wenn es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen."


§ 5 Absatz 2 Satz 2, der Ausnahmen von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum vorsieht, enthält zwei Halbsätze. Nach dem neuen Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 1 bleibt es unverändert dabei, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf
Erteilung eines Aufenthaltstitels von den in Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann. In Fällen der Unzumutbarkeit der Nachholung
des Visumverfahrens auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls ist künftig von der Nachholung des Visumverfahrens nach dem neuen Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 2 zwingend abzusehen.
Die in Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 2 genannten Voraussetzungen müssen nach wie vor kumulativ erfüllt sein; künftig ist in diesen Fällen jedoch kein Ermessen der Ausländerbehörde mehr auf der Rechtsfolgenseite eröffnet. Damit wird auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen, dass § 5 Absatz 2 Satz 2 unions-rechtskonform dahingehend auszulegen ist, dass bei bestehender Unzumutbarkeit, das Visumverfahren im Herkunftsland nachzuholen, das der Behörde eingeräumte Ermessen auf Null reduziert sei (vgl. Urteil vom 25. Juni 2019, BVerwGE 166, 77). Vorrangig ist jedoch nach wie vor zu prüfen, ob eine Konstellation vorliegt, die bereits unter die Befreiungsregelungen nach §§ 39 bis 41 AufenthV fällt. Nach der Neuregelung ist künftig beispielsweise von den Voraussetzungen in § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 abzusehen, wenn zwar die Einreise mit einem gültigen Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1) erfolgt, dem Inhaber des Visums jedoch mangels regulärer Reiseverbindungen das Nachholen eines nationalen Visums (§ 6 Absatz 3) im Herkunftsland nicht zumutbar ist.

Was bedeutet die Gesetzesänderung im genauen? Die ABH hat keinen Ermessenspielraum mehr bei der Unzumutbarkeitsdefinition und Auslegung? Und was wäre in diesem Fall reguläre Reiseverbindungen? Nach Russland gibt es derzeit auch keine regulären Reiseverbindungen mehr.

Auf eine Antwort und Auslegung der Gesetzesänderung auf meinen aktuellen Fall wäre ich sehr dankbar.
16. Juli 2023 | 19:08

Antwort

von


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E-Mail: hesterberg@hsv-rechtsanwaelte.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ich habe mir das ebenfalls im Internet angesehen, was Sie zitiert haben und danach bin ich der Meinung, dass durchaus noch geprüft werden muss, ob eine Unzumutbarkeit vorliegt bzw. reguläre oder eben irreguläre Reiseverbindungen ins Heimatland. Ist das aber geprüft, besteht kein Ermessen der Behörde mehr sondern die Ausnahme ist zu gewähren. Da wird man gegebenenfalls leider noch abwarten müssen, aus zweierlei Gründen:

Hier muss sich dann später zeigen, wie es in Russland aussieht und da habe ich auch die Information in einem ähnlichen Fall vor kurzem gehabt, dass Anträge nur sehr schleppend in Moskau bearbeitet werden.
Nach meiner Information ist es jedoch für russische Staatsbürger nach wie vor möglich, z. B. über Polen nach Russland zu reisen.
Dann stellt sich hier noch die Frage, ob es zumutbar ist, nach Moskau zu reisen und dort den Visumsantrag zu stellen. Das Problem ist, dass man mindestens drei Monate braucht, um eine Untätigkeitsklage zu erheben. Gegebenenfalls muss sich auch die Rechtsprechung noch zeigen, basierend jedenfalls auf der vom Bundesverwaltungsgericht, die aber nach meinem Dafürhalten nicht alles abdeckt.

So oder so würde ich auf jeden Fall mich dahingehend gegenüber der Ausländerbehörde im Vorgriff auf die kommende Gesetzeslage und die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht äußern, dass schon jetzt eine Unzumutbarkeit vorliegt und auch weiterhin in Zukunft vorliegen würde. Die Situation wird sich nämlich kaum in nächster Zeit verbessern. Ob man dann noch Rechtsmittel benötigt, wird sich dann erst leider zeigen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Daniel Hesterberg

Rückfrage vom Fragesteller 9. August 2023 | 11:32

Vielen Dank für die Rückmeldung.

Was ich im Momemt noch nicht verstehe ist der §39 Satz 1. Nr.5 AufenthV. Besteht hier kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 AufenthG im Bundesgebiet? §39 Satz 1 Nr.5 AufenthV hebelt doch gewisser Maßen § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aus oder?
Ich habe ein interessantes Urteil des VG Achen gefunden (Aktenzeichen ( 8 K 1425/19) dabei geht es um die Ausnahme vom Visumverfahren nach § 39 Satz 1 Nr.5 AufenthV

Danke für die nochmalige Rückmeldung.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. August 2023 | 14:35

Sehr geehrter Fragesteller,

ich antworte Ihnen gerne wie folgt:

Ja, dabei kommt es häufiger zu Missverständnissen:

Beim VG Aachen geht es um eine Duldung, die nur unter den strengen Voraussetzungen des § 60a AufenthG erteilt wird.

Nr. 5 des S. 1 des § 39 AufenthV besagt, dass über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen kann, [u]wenn[/u] seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist [u]und[/u] er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes [u]während seines Aufenthalts[/u] im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat;

Die Duldung ist aber selbst befristet und nach Ablauf von drei bis sechs Monaten läuft sie aus und muss stets NEU geprüft werden, sodass es auch weniger als drei Monate sein kann, wenn das absehbar ist, dass die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, vgl. § 60a AufenthG.

Ich hoffe, Ihnen trotzdem geholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

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