9. Oktober 2025
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21:25
Antwort
vonRechtsanwalt Mohamed El-Zaatari
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Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ihre Ausgangsfrage betrifft die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Einkommen, das Sie als in Deutschland wohnhafter, freiwillig gesetzlich krankenversicherter Selbstständiger in der Schweiz erzielen. Dabei geht es im Kern darum, ob Ihre dortigen Einkünfte bei der Beitragsbemessung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen sind oder ob lediglich die deutsche Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen ist.
Die rechtliche Bewertung ist nicht eindeutig, da sich an der Schnittstelle zwischen nationalem Beitragsrecht und europäisch-schweizerischem Koordinierungsrecht zwei unterschiedliche Ansätze herausgebildet haben. Nach dem deutschen Sozialgesetzbuch (§ 240 SGB V) richtet sich der Beitrag freiwillig Versicherter grundsätzlich nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das bedeutet, dass alle Einnahmen, gleichgültig ob sie im In- oder Ausland erzielt wurden, beitragspflichtig sein können, soweit sie der Lebensführung dienen und nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Diese weite Auslegung wird auch von den meisten Krankenkassen und vom GKV-Spitzenverband vertreten. Sie stützen sich auf den Grundgedanken, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht nach der Herkunft des Einkommens unterscheidet, sondern danach, welche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versicherten besteht. Die Techniker Krankenkasse und andere Träger verweisen deshalb ausdrücklich darauf, dass ausländisches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen beitragspflichtig bleibt, auch wenn darauf im Ausland bereits Steuern entrichtet wurden. Diese Auffassung findet Rückhalt in Teilen der Rechtsprechung, die etwa Auslandszuschläge oder ausländische Renten dann als beitragspflichtig anerkennt, wenn sie wirtschaftlich mit inländischen Einkünften vergleichbar sind und der Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen.
Daneben steht jedoch eine restriktivere Ansicht, die sich aus dem europäischen Koordinierungsrecht, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz ergibt. Nach Art. 11 dieser Verordnung unterliegt eine Person stets nur den Rechtsvorschriften eines Staates. Dieses sogenannte „Ein-Staat-Prinzip" wird ergänzt durch das Territorialprinzip des § 3 SGB IV, wonach deutsches Sozialversicherungsrecht grundsätzlich nur für im Inland erzielte Arbeitseinkommen gilt. Vertreter dieser Auffassung argumentieren, dass Einkommen aus einer im Ausland ausgeübten selbstständigen Tätigkeit, die dort der Besteuerung unterliegt und nicht im deutschen Wirtschaftsraum erwirtschaftet wurde, nicht der deutschen Beitragspflicht unterfallen darf. Andernfalls würde das Koordinierungsrecht umgangen und eine doppelte Beitragspflicht riskiert. Nach dieser Sichtweise darf die Krankenkasse nur das inländische Arbeitseinkommen, gegebenenfalls die gesetzliche Mindestbemessungsgrundlage, heranziehen, solange Sie keine deutschen Mandate ausführen und Ihre Tätigkeit vollständig in der Schweiz entfalten.
In der Praxis versuchen Krankenkassen, beide Ebenen zu harmonisieren. Sie berücksichtigen grundsätzlich auch Auslandseinkommen, sofern keine ausländische Sozialversicherungspflicht besteht, zeigen sich aber bei nachweislich im Ausland versteuerten Gewinnen oft bereit, nur den Mindestbeitrag anzusetzen. Rechtlich gesichert ist diese Verwaltungspraxis allerdings nicht. Maßgeblich bleibt die Frage, ob Deutschland als zuständiger Staat die im Ausland erzielten Einkünfte im Rahmen der VO 883/2004 überhaupt verbeitragen darf.
Für Ihren konkreten Fall bedeutet das: Da Ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland liegt und Sie dort freiwillig krankenversichert bleiben, bleibt Deutschland grundsätzlich zuständiger Staat. Ob die Schweizer Einkünfte in die Beitragsbemessung einzubeziehen sind, hängt davon ab, ob sie trotz Auslandsbezug als Teil Ihrer inländischen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gelten. Die herrschende Verwaltungspraxis der Krankenkassen bejaht das, während ein Teil der juristischen Literatur und einige Sozialgerichte dies mit Hinweis auf das Territorialprinzip verneinen. Sicher ist daher nur, dass Sie während der ausschließlichen Schweizer Tätigkeit zumindest den Mindestbeitrag schulden; ob darüber hinaus die Schweizer Einkünfte beitragspflichtig wären, bleibt eine Auslegungsfrage, die letztlich von der Kassenpraxis und im Zweifel der sozialgerichtlichen Kontrolle abhängt. Höchstgerichtlich ist diese Rechtsfrage bislang nicht geklärt, sodass sich ein Widerspruch (im Falle einer Verbeitragung) häufig lohnt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
El-Zaatari
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari