Höhe von Anpflanzungen auf Grundstücksgrenzen

| 12. August 2015 12:46 |
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Nachbarschaftsrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,

vor 10 Jahren haben wir ein Grundstück erworben und ein Eigenheim gebaut.
Die Trennung zum Nachbargrundstück war eine Liguster-Hecke, die der Vorbesitzer unseres Grundstücks vor vielen Jahren geplanzt hatte. Während der Bauarbeiten wurden unsere Bauarbeiter von unserem Gartennachbarn gebeten, diese Hecke mit ihren Baugeräten zu entfernen, was sie (für einen Kasten Bier) auch getan haben. Wir wussten davon nichts und wurden vor vollendete Tatsachen gesetzt, abgesehen davon, dass wir die Arbeitszeit dafür auf unserer Rechnung für Bauarbeiten gehabt haben. Um gleich Streit zu vermeiden, haben wir es geschluckt und nun - gemeinsam mit dem Nachbarn - abgesprochen, die Grundstücksgrenze mit Lebensbäumen (Truja smaragd) zu bepflanzen. Wir haben die Kosten wieder einmal übernommen, allerdings hat der Nachbar selbst beim pflanzen der Bäume mit viel Rat und etwas Tat geholfen.

Die Lebensbäume wuchsen gut an und entwickelten sich prächtig und wir beobachten gern von unserem Frühstückstisch das Treiben der vielen Vögel, die in dieser mittlerweile ca. 3.50 m hohen grünen Abgrenzung ausreichend Nistplätze gefunden haben.
Der Komposthaufen und die unverputzte, unschön aussehende Laube unseres Nachbarn stört uns nun nicht mehr, da die Bäume diese überragen.

Nun verlangt unser Nachbar, dass die Bäume gekürzt werden sollen, weil sich auf seinem dahinter liegenden Rasen Moos bildet.

Bisher sind wir jedem Streit aus dem Weg gegangen und haben - wie oben beschrieben - vieles geschluckt, aber diesem Wunsch möchten wir keinesfalls nachkommen.

Das Grundstück ist in Sachsen und die Anlage ist eine Mischung aus von der Stadt verpachteten Grundstücken, die nur im Sommer zur Erholung oder auch Garten genutzt werden (so auch unser Nachbar) und - wie wir - Eigentumsgrundstücken, die mit Einfamilienhäusern zu Wohnzwecken genutzt werden.

Meine Fragen: Sind wir verpflichtet, die Bäume zu stutzen, obwohl jeder weiss, dass Bäume wachsen und größer werden. Wir haben uns alle gemeinsam ausdrücklich für diese Art Pflanzen entschieden, weil sie schnell in die Höhe wächst, aber in der Breite nicht viel Platz benötigt.
Welche Argumente können wir geben, um das Stutzen der Bäume zu verhindern?

Mit unserem kleinen Teich daneben ist es ein richtiges Biotop, an dem wir uns sehr erfreuen. Es wäre schade, wenn dieses zerstört wird.

Vielen Dank für Ihre Mühe bei der Beantwortung.
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Maßgeblich sind zum einen die Vorschriften des Sächsischen Nachbarrechtsgesetzes (SächsNRG), zum anderen die allgemeinen Vorschriften aus dem BGB.

Das SächsNRG regelt in § 9, dass Bäume und Sträucher, die über 2 m hoch sind, mindestens 2 m Abstand zur Grundstücksgrenze haben müssen. Bei bis zu 2 m genügt ein Grenzabstand von 0,5 m. Da die Lebensbäume bereits 3,50 m hoch sind, wäre also ein Grenzabstand von 2 m erforderlich. Dieser ist nicht eingehalten, wenn die Bäume auf der Grundstücksgrenze stehen. Das wäre daher auch dann der Fall, wenn die Bäume noch unter 2 m wären, da dann ebenfalls ein Abstand von 0,5 m erforderlich wäre. Weitere Regelungen zu Maximalhöhen enthält das SächsNRG nicht. Würden die Bäume also 2 m von der Grenze wegstehen, gäbe es keine Begrenzung in der Höhe nach oben.

Der Nachbar kann daher also erstmal grundsätzlich das Zurückschneiden oder sogar die Beseitigung der Bäume verlangen, § 14 SächsNRG. Dieser Anspruch verjährt allerdings nach § 31 SächsNRG innerhalb von 3 Jahren seit Kenntnis der Störung. Es besteht dann ein gewisser Bestandsschutz.

Allerdings kann Ihr Nachbar den Anspruch nach § 14 SächsNRG nur dann geltend machen, wenn das SächsNRG für ihn überhaupt gilt. Und das ist dann nicht der Fall, wenn er lediglich Pächter des Grundstücks ist. Denn nach § 1 SächsNRG gilt das Gesetz nur für Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigte und Nutzer nach dem Sachenrechtsänderungsgesetz, nicht aber für Mieter oder Pächter. Diese sind lediglich dazu verpflichtet, sich ihrerseits so zu verhalten, dass nicht ihr Vermieter oder Verpächter von einem beeinträchtigten Nachbarn in einen Rechtsstreit verwickelt werden kann. Der Pächter selbst kann aber keinen Anspruch gegen Sie aus dem Nachbarrechtsgesetz geltend machen. Dieser Anspruch steht dem Eigentümer, also dem Verpächter des Grundstücks gegen Sie zu. Der Pächter muss sich also insoweit an seinen Verpächter wenden.

In Betracht kommt aber ein Anspruch Ihres Nachbarn nach den allgemeinen Bestimmungen des BGB. Möglich ist ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Dieser so genannte quasi-negatorische Anspruch schützt analog auch die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter, wozu auch der Besitz gehört. Erforderlich für diesen Anspruch ist eine fortdauernde gegenwärtige Beeinträchtigung des Besitzes durch Sie. Eine solche Beeinträchtigung kann auch die Vermoosung des Grundstücks darstellen, wobei es hierbei darauf ankommen dürfte, wie weit diese fortgeschritten ist, welche Ausmaße hat sie hat und welche Folgen sich daraus ergeben (können). Im Urteil 3 O 140/10 vom 10.09.2010 hat das LG Dortmund jedenfalls schon einmal einer Beseitigungsklage aufgrund Vermoosung stattgegeben.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.


Mit freundlichen Grüßen
A. Krüger-Fehlau
Rechtsanwältin
Rückfrage vom Fragesteller 12. August 2015 | 16:04

Liebe Frau Krüger-Fehlau,

vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort. Ich habe das so verstanden, dass das Zurückschneiden nicht verlangt werden kann, da die Bäume vor 10 Jahren gemeinsam (also in Kenntnis) auf die Grundstücksgrenze gepflanzt wurden und der Nachbar nicht der Eigentümer des Grundstücks ist. Der Eigentümer hat in Bezug auf die Baumhöhe keine Einwände.
Eine Beeinträchtigung durch Vermoosung kann auch deshalb nicht dargestellt werden, weil auch bei angenommen 2m Höhe der Bäume der Schatten, der dadurch entsteht, nicht weniger wäre, weil sich gleich daran das Gebäude anschließt und darauf ja kein Moos wächst (oder stört).

Herzliche Grüße und nochmals Danke.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 12. August 2015 | 19:34

Gerne beantworte ich Ihre Nachfrage:

Die Verjährungsfrist beginnt nicht mit dem Zeitpunkt der Anpflanzung, sondern dann, wenn Kenntnis von der Störung erlangt wird. Störung ist in diesem Fall das Überschreiten der Höchstgrenzen des § 9 SächsNRG. Nur wenn diese Höchstgrenzen überschritten werden, besteht ein Anspruch auf Zurückschneiden oder Beseitigung nach § 14 SächsNRG. Dieser Anspruch wiederum verjährt in 3 Jahren. Es kommt also darauf an, seit wann das Überschreiten der Höchstgrenzen bekannt ist.

Da Ihr Nachbar nicht Eigentümer, sondern nur Pächter ist, kann er keinen Anspruch aus dem SächsNRG geltend machen. Denn das Gesetz gilt nur zwischen den Eigentümern bzw. den anderen dort genannten Personen. Der Verpächter ist der Eigentümer und dieser müsste den Anspruch geltend machen. Es sei denn, er hat dem Pächter die Befugnis erteilt, diese Ansprüche in seinem Namen geltend zu machen. Wenn er aber nichts dagegen hat, ist das eher unwahrscheinlich.

Ob die Vermoosung tatsächlich eine konkrete Beeiträchtigung darstellt, muss im Streifall ein Sachverständiger beurteilen.


Mit freundlichem Gruß
A. Krüger-Fehlau
Rechtsanwältin

Bewertung des Fragestellers 13. August 2015 | 11:21

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