Handwerkerrecht, 128% Abweichung vom Kostenvoranschlag für Kanaluntersuchnung

| 15. Juli 2011 17:28 |
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Vertragsrecht


Beantwortet von


21:14
Per E-Mail habe ich die Rohrreinigungsfirma um ein Angebot zur sogenannten Kanalsichtprüfung gebeten. Es handelt sich um eine Dichtigkeitsprüfung der Abwasserkanäle, die in Nürnberg vorgeschrieben ist. Daraufhin teilte die Firma mit, dass zur Erstellung eines verbindlichen Angebotes ein Entwässerungsplan für das Haus eingereicht werden muss, aus dem Lage und Länge der zu untersuchenden Leitung hervorgeht. Ich stellte der Firma den Entwässerungsplan zur Verfügung sowie einen bemaßten Grundrissplan des Kellergeschosses, da der Entwässerungsplan keine Maßangaben erhält.
Ich erhielt anschließend ein Angebot für die Kanaluntersuchung über 345,94 Euro inkl. Steuer.
Das Unternehmen wurde beauftragt und führte die Untersuchung durch. Anschließend wurde eine Rechnung über 789,53 Euro gestellt. Der Grund für den höheren Betrag bildet die Länge des untersuchten Kanals. Im Angebot wurde der mit 25 m ermittelt, tatsächlich war der Kanal aber 54,10 m lang.
M.E. hätte der Handwerker des Rohrreinigungsunternehmens spätestens bei der Untersuchung erkennen müssen, dass die tatsächliche Kanallänge erheblich von der Berechnung des Unternehmens und dem Angebot abweicht und die daraus entstehende Kostenüberschreitung rechtzeitig, also während der Untersuchung, mir gegenüber anzeigen müssen. Das ist unterblieben.
Ich habe die Rechnung nach deren Erhalt nur in Höhe des Angebotspreises zzgl. 20 %, also mit 415,13 Euro beglichen.
Das Unternehmen fordert nun per Mahnung auch den Rest von 374,40 Euro.
Begründung: Im Angebot sei folgender Hinweis erfolgt:

„… Da die zu untersuchende Leitung im Voraus auf Grund der oft unterschiedlichen Leitungsführung (z.B. Abweichung von Plänen) und derer unterschiedliche Zugänglichkeit nicht 100% ig ermittelbar sind, haben wir die Arbeiten in Einzelpositionen aufgegliedert. Die aufgeführten Mengen sind anhand der uns vorgegebenen Daten ermittelt bzw. geschätzte Erfahrungswerte…" und weiter „… Die Rechnungsstellung erfolgt nach Abschluss der Arbeiten. Die evtl. aufgeführten Mengen sind anhand der uns vorgegebenen Daten ermittelt bzw. geschätzte Erfahrungswerte. Abrechnung erfolgt nach tatsächlichen Mengen:"

Mir scheint die Abweichung von über 100% der Kanallänge unseriös. Offenbar wurde bewusst mit nur 25 m gerechnet, um ein vergleichsweise günstiges Angebot zu machen. Das Unternehmen behauptet, der Plan sei ja schlecht leserlich gewesen und sei nur eine Plankopie. Das mag sein, aber dafür habe ich ja den Grundrissplan beigefügt, aus dem gehen Maße deutlich hervor.
Und von Erfahrungswerten zu sprechen und dann dermaßen falsch zu liegen scheint mir auch nicht zusammen zu passen. Es handelt sich um ein sehr grosses Unternehmen, dem man Erfahrung zutrauen dürfte.
Aber wie sieht der Fall juristisch aus? Muss ich nun den strittigen Mehrbetrag zahlen? Der § 650 BGB ist mir bekannt, mir geht`s darum, ob die o.g. Formulierung im KV diesen sozusagen aushebelt.
Vielen Dank!!
15. Juli 2011 | 17:41

Antwort

von


(2333)
Aachener Strasse 585
50226 Frechen-Königsdorf
Tel: 02234-63990
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E-Mail: mail@ra-raab.de
Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:


1.

Aufgrund der Sachverhaltsschilderung halte ich den Rechnungsbetrag für überhöht.

Sie haben ein Angebot erbeten und hierfür die geforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt. Anhand dieser Unterlagen konnte der Betrieb einen Kostenvoranschlag oder ein Angebot erstellen.


2.

Bei einem Kostenvoranschlag gesteht die Rechtsprechung einen "Aufschlag" von etwa 10 bis 20 % zu. Mehr als 100 % sind eindeutig zuviel.

Allerdings sollten Sie prüfen, ob ein Kostenvoranschlag oder ein Angebot vorliegt.

Handelt es sich um einen Kostenvoranschlag, kann die oben genannte Abweichung zulässig sein.

Anders verhält es sich dagegen bei einem Angebot. Bei einem Angebot ist der Betrieb an die Kostenaufstellung gebunden. Damit ein Vertrag zustande kommt, bedarf es nur noch der Annahme des Angebots durch den Vertragspartner.

Liegt also ein Angebot vor und haben Sie dieses angenommen, brauchen Sie nicht mehr zu zahlen, als im Angebot steht.


Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 15. Juli 2011 | 20:25

Sehr geehrter Herr Raab,

vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Es handelt sich in der Tat um ein Angebot.

Habe ich es richtig verstanden, dass unabhängig von der Formulierung "Abrechnung erfolgt nach tatsächlichen Mengen" nicht mehr als der Angebotspreis zu zahlen ist, auch wenn die Mengen mehr waren?

Besten Dank!!

Schönes Wochenende!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 15. Juli 2011 | 21:14

Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:

Sie haben die Ausführungen absolut richtig verstanden. Ein Kostenvoranschlag und in noch stärkerem Maße ein Angebot sollen dem Kunden eine Kalkulationsmöglichkeit an die Hand geben, um entscheiden zu können, ob er einen Auftrag erteilt oder nicht.

Wenn der Unternehmer einen Kostenvoranschlag erstellt oder gar ein Angebot unterbreitet, muß er sich daran festhalten lassen. Daran ändert auch eine (unseriöse) Klausel, die im Ergebnis auch ''es kann aber alles ganz anders sein'' lauten könnte, nichts.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 16. Juli 2011 | 12:36

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"Sehr schnelle Beantwortung, auch am späteren Freitagabend, klasse! Besten Dank!
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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 16. Juli 2011
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