Gemeinde-Grundstücksverkauf - Veruntreuung?

10. April 2025 18:37 |
Preis: 60,00 € |

Verwaltungsrecht


Beantwortet von


12:39

Zusammenfassung

Es geht um die Anforderungen an eine ggf. bestehende Ausschreibungspflicht beim Verkauf kommunalen Vermögens.

Die Gemeindeführung meines bayerischen Wohnortes hat vor 2 Jahren in nichtöffentlichen Sitzungen beschlossen, ein freies Grundstück von ca. 16.000 qm zum Gewerbegebiet zu machen. Es war vorher nicht im Flächennutzungsplan erfasst, hätte aber auch als Wohngebiet erschlossen werden können, da es an ein solches angrenzt.
Dieses Gewerbegebiet wurde einzig und allein geschaffen, um einem örtlich ansässigen Unternehmen einen Baugrund für ein dringend benötigtes größeres Büro zu geben. Der Verkaufspreis wurde nicht über eine Ausschreibung oder ein Gutachten ermittelt, sondern in einer nichtöffentlichen Sitzung vorgeschlagen und verabschiedet.
Dazu sei gesagt, dass der so vereinbarte Quadratmeterpreis ca. 1/4 des örtlichen Bodenrichtwertes für Bauland beträgt. Ein Bodenrichtwert für Gewerbegrund existiert zwar nicht, aber eine freie Ermittlung im Hinterzimmer erscheint weder marktgerecht noch rechtmäßig.

Eine Beschwerde bei der Rechtshilfe im LRA hat nach 1.5 Jahren nicht viel bewirkt. Zwar wurde der Bauplanungsprozess durch meine Beschwerde ausgesetzt, aber mehr ist nicht passiert. Es gab keine Klärung zum Zustandekommen des Kaufpreises - aber es wurde mir zugetragen, dass ein nachträgliches Gutachten den damaligen Verkaufspreis rechtfertigen soll. Das ist bis heute nicht geschehen - aber unabhängig von meinem mangelnden Vertrauen in ein derartig zielgerichtetes nachträgliches Gutachten heilt es auch das vorherige Fehlverhalten nicht.

In meinen Augen hätte die Gemeindeführung schon begründen müssen, warum sie auf den möglichen höheren Ertrag für Wohnbauland verzichtet hat - der dem 40 fachen Gewerbesteuerbeitrag des betroffenen Unternehmens entspricht. Aber selbst wenn diese Verschwendung durch die Planungshoheit abgedeckt ist, dann ist es wahrscheinlich, dass die Gemeinde durch die Art der Preisfestsetzung zusätzlich finanziell benachteiligt wurde oder potenziell Geld veruntreut wurde. Das wäre ein substantielles Fehlverhalten der Verwaltung unter der Führung des Bürgermeisters und ein Kontrollversagen des Gemeinderates. Nicht die erste Gefälligkeitsplanung des Gremiums.

Nun meine Frage: Handelt es sich in Ihren Augen, anhand der Schilderungen, hier um ein Verhalten, dass man zur Anzeige bringen kann? Wenn ja, was wäre der anzuzeigende Tatverdacht oder Tatbestand?
10. April 2025 | 20:02

Antwort

von


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Gerne zu Ihren Fragen:

Die Anforderungen beim Verkauf kommunalen Vermögens (insbesondere von Grundstücken) sind spezifisch geregelt, vor allem im Kommunal- und Haushaltsrecht sowie durch einschlägige Verwaltungsvorschriften und Richtlinien.

Konkret:

[b]1. Rechtsgrundlagen für Ausschreibungen beim Verkauf kommunaler Grundstücke in Bayern[/b]

a) Art. 61 ff. BayGO
„Die Gemeinde hat ihr Vermögen so zu verwalten, dass die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde gesichert ist."

Das bedeutet auch: Verkäufe müssen den Marktwert berücksichtigen, und es darf kein kommunales Vermögen leichtfertig verschleudert werden.

[quote]b) Art. 75 ff. BayGO

Veräußerung von Vermögen
(1) 1Die Gemeinde darf Vermögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht braucht, veräußern. 2Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden.
(2) 1Für die Überlassung der Nutzung eines Vermögensgegenstands gilt Absatz 1 entsprechend. 2Ausnahmen sind insbesondere zulässig bei der Vermietung kommunaler Gebäude zur Sicherung preiswerten Wohnens und zur Sicherung der Existenz kleiner und ertragsschwacher Gewerbebetriebe.
(3) 1Die Verschenkung und die unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen sind unzulässig (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung). 2Die Veräußerung oder Überlassung von Gemeindevermögen in Erfüllung von Gemeindeaufgaben oder herkömmlicher Anstandspflichten fällt nicht unter dieses Verbot.
(4) Gemeindevermögen darf nur im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Gemeinde und nur dann in Stiftungsvermögen eingebracht werden, wenn der mit der Stiftung verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann.
[/quote]

...um nur einige zu nennen.

Damit ist gesetzlich und verwaltungspraktisch festgelegt:

Es besteht eine Regelverpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung,
und zur Einholung eines Wertermittlungsgutachtens, wenn keine Ausschreibung erfolgt.

Nur in begründeten Ausnahmen darf von einer Ausschreibung abgesehen werden, z. B. bei

kleinteiligen Grundstücksverkäufen an Nachbarn,

Verkäufen an gemeinnützige Organisationen oder

Sonderfällen mit übergeordnetem öffentlichem Interesse.

d) Der Gemeinderat überwacht grds. die Ausführung derr Beschlüsse und ist über die Ausführung der gefassten Beschlüsse zu unterrichten.

Auch dies stellt klar: Das Gremium trägt eine Mitverantwortung und ist bei Pflichtverletzungen nicht aus der Verantwortung entlassen.

[b]2. Relevanz im strafrechtlichen Kontext (Untreue)[/b]
Die Nichtausschreibung stellt für sich genommen noch keinen Straftatbestand dar.

[b]Aber:[/b]

Wenn ein Grundstück bewusst nicht ausgeschrieben wurde,
obwohl keine Ausnahme vorlag,

- kein Gutachten vorlag,

- und der Preis signifikant unter dem Bodenrichtwert lag,
dann verdichtet sich der Verdacht, dass die Entscheidung zum Nachteil der Gemeinde erfolgte – ein zentrales Kriterium für Untreue (§ 266 StGB).

Die unterlassene Ausschreibung in Verbindung mit einem nicht marktgerechten Preis könnte mithin ein Beweisanzeichen für pflichtwidriges Handeln sein. Und damit in den Augen der Staatsanwaltschaft ggf. einen [b][i]"zureichenden Anfangsverdacht" [/i][/b]begründen.

Dies jedenfalls vorbehaltlich einer Ferndiagnose ohne Akten- und Ortskenntnisse.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Rückfrage vom Fragesteller 11. April 2025 | 11:13

Sehr geehrter Herr Burgmer,

Ich danke für Ihre Ausführungen die sich weitestgehend mit dem decken, was ich im Internet habe finden können - und vor allem meinem Rechtsverständnis entsprechen. Erlauben Sie bitte zwei Nachfragen:
1. Sonderfälle: Sie weisen in Ihrer Antwort darauf hin, dass bei "Sonderfällen von übergeordneten öffentlichem Interesse" von Ausschreibungen abgesehen werden kann. Sind derartige Sonderfälle objektiv zu beurteilen bzw. gibt es dafür einzuordnende Beispiele. Unsere Gemeindeführung wird vermutlich geneigt sein, den Ortsverbleib des Unternehmens als "übergeordnetes Interesse" einzuordnen - auch wenn die Abwanderung in eine nahegelegene Gemeinde im Vergleich zum entgangenen Grundstückspreis eine eher geringe Gewerbesteuereinbuße bedeute hätte. Eine derart subjektive Einordnung möchte ich gern vor einem weiteren Vorgehen ausschließen.
2. Weiteres Vorgehen: Zurückkommend auf meine in der ursprünglichen Anfrage gestellten Schlußfrage - welche Möglichkeit habe ich, diesen Fall der rechtlichen Beurteilung zu überführen. Eine Anzeige bei der Polizei gegen die Gemeinde wegen des Anfangsverdachtes der Veruntreuung?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 11. April 2025 | 12:39

Gerne zu Ihrer Nachfrage:

[b]1. Sonderfälle „übergeordneten öffentlichen Interesses" – objektiv oder subjektiv?[/b]
a) Allgemeine Ausnahmeregelung – kein Freifahrtschein
Es ist korrekt, dass in der kommunalrechtlichen Praxis die Pflicht zur Ausschreibung nicht absolut gilt, sondern Ausnahmen möglich sind – aber nur unter strengen Voraussetzungen.

Die Veräußerung von Grundstücken ist „in der Regel" öffentlich auszuschreiben. Das erlaubt grundsätzlich Ausnahmen – aber:

Ein Ausnahmefall muss objektiv begründbar, dokumentiert und am Maßstab des Gemeinwohls nachvollziehbar sein.

b) „Übergeordnetes öffentliches Interesse" – was ist das?
Ein „übergeordnetes öffentliches Interesse" ist kein subjektiv politischer Wunsch, sondern [b]ein juristisch definierter unbestimmter Rechtsbegriff,[/b] der der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Er wird von der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung eingegrenzt.

Beispiele für anerkannte Ausnahmefälle (aus Praxis und Rechtsprechung):

- Veräußerung an gemeinnützige Organisationen, z. B. für Kitas, Schulen, Pflegeeinrichtungen,

- Veräußerung im Rahmen von sozialen Wohnbauprogrammen,

-unverzichtbare Gewerbeansiedlung, [b]die nachweislich Arbeitsplätze schafft oder erhält, [/b]und bei der eine sonst drohende substanzielle Abwanderung wirtschaftlich erheblich wäre,

- innerörtliche Entwicklung zur Behebung struktureller Defizite (z. B. bei Leerstand, struktureller Schwäche),

konkrete Projekte, die ohne das Grundstück scheitern würden und in einem formellen öffentlichen Interesse liegen.

c) Ihr Fall – kritisch zu beurteilen
Der bloße Wunsch, ein Unternehmen im Ort zu halten, ist nicht automatisch ein übergeordnetes öffentliches Interesse. Dazu müsste das Unternehmen z. B.:

- wirtschaftlich relevant für den Ort sein (z. B. wesentlicher Arbeitgeber),

- keine alternativen Flächen zur Verfügung haben,

- bei Abwanderung drohende Verluste (z. B. Arbeitsplatzverluste, Steuerverluste, sozioökonomische Effekte) konkret und quantitativ nachweisbar machen,

und es müsste objektiv keine vergleichbaren Kaufinteressenten gegeben haben.

Eine wirtschaftlich nachgeordnete Abwanderung in eine Nachbargemeinde, bei der nur ein marginaler Gewerbesteuereffekt eintritt, erfüllt diese Kriterien nicht ohne Weiteres.

Insbesondere wenn die Fläche auch als Wohnbaufläche hätte entwickelt werden können, ist der wirtschaftliche Wertverlust nicht durch vage wirtschaftsfördernde Erwägungen zu rechtfertigen.

Fazit zu Punkt 1:
Die Beurteilung, ob ein „übergeordnetes öffentliches Interesse" vorliegt, ist objektiv vorzunehmen, gerichtlich überprüfbar und nicht durch rein politische Zweckmäßigkeit zu ersetzen. Eine bloße politische Bewertung durch die Gemeindeführung reicht also nicht aus, um auf Ausschreibung und Wertermittlung zu verzichten.

[b]2. Möglichkeiten zur rechtlichen Prüfung – wie weiter vorgehen?[/b]
Die richtige rechtliche Einordnung hängt von Ihrem Ziel ab: aufsichtsrechtliche Korrektur oder strafrechtliche Prüfung eines Anfangsverdachts.

a) Strafrechtliche Option: Strafanzeige
Tatverdacht: Untreue gem. § 266 StGB
Strafanzeige möglichst bei der Staatsanwaltschaft oder eher suboptimnal bei jeder Polizeidienststelle.

Anzeige gegen Unbekannt oder gegen den Bürgermeister und beteiligte Gemeinderatsmitglieder, je nach Kenntnisstand.

Anzeige ist zwar formlos, kann aber auch schriftlich unter Darlegung des Sachverhalts mit Bezug auf:

unterbliebene Ausschreibung,
Fehlen eines Wertermittlungsgutachtens,
bewusste Preisfestsetzung unterhalb des Bodenrichtwerts,
fehlende objektive Begründung für Gemeinwohlinteresse,
mutmaßliche Bevorteilung eines bestimmten Unternehmens,
etwaige Missachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips und Haushaltsrechts, erstattet werden.

Die Staatsanwaltschaft muss bei einem [b]"zureichenden" [/b]Anfangsverdacht Ermittlungen einleiten. Das Verfahren kann zunächst eingestellt werden, sollte aber im besten Fall zu einer externen Prüfung des Verwaltungshandelns führen.

b) Alternativ oder ergänzend:[b] Kommunalaufsicht[/b] / Rechnungsprüfung
Beschwerde bei der Kommunalaufsicht im Landratsamt mit explizitem Verweis auf

Art. 75 ff. BayGO,

und die unterlassene Ausschreibung und fehlende Wertermittlung.

Verlangen Sie eine überörtliche Prüfung durch den BKPV (Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband), soweit die Gemeinde Mitglied ist.

Sie können auch eine Petition an den Bayerischen Landtag richten – der Petitionsausschuss kann politische und strukturelle Missstände in Gemeinden aufgreifen und öffentlich machen.

Wobei Sie zunächst einmal eine Strafanzeige noch zurückstellen sollten - aber durchaus dies in Aussicht stellen dürfen. Oder zumindest anwaltlich vorprüfen lassen, um Risiken einer Gegenreaktion auszuschließen. Denn unerlässlich wäre auch zuvor ein Antrag auf Akteneinsicht, der möglichst anwaltlich gestellt und begründet werden sollte. Denn eine Ferndiagnose kann vorliegend nur der erste Schritt sein.

Ihnen gutes Gelingen wünscht,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt

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