Dachsanierung - erhebliche Abweichung der Fläche ggü. Angebot

28. Juni 2025 09:33 |
Preis: 49,00 € |

Vertragsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Wir lassen eine Aufsparrendämmung von einem Dachdeckerbetrieb auf unser Dach aufbringen.
Hierzu haben wir ein Angebot nach VOB bekommen. In dem Angebot geht der Dachdecker von ca. 70qm Dachfläche aus. Die Arbeiten laufen seit Anfang Juni. Beide Dachseiten sind mittlerweile mit Dämmung versehen, die eine Seite auch bereits mit Dachsteinen gedeckt.

Jetzt haben wir eine WhatsApp Nachricht vom Dachdecker bekommen mit dem Text "Nur zur Info, ist mehr Dachfläche als ich gedacht bzw. gemessen habe, schönen Wochenende" bekommen. Anbei war eine Skizze, wo er knapp 110qm ausgerechnet hat.
Dies entspricht einer Abweichung von >50% der im Angebot aufgeführten Fläche. Der Dachdecker war mehrfach vor Ort zur Angebotslegung und hat für uns auch schon vorher andere Gewerke ausgeführt.

Wir befürchten nun aufgrund der Mengen im Angebot Mehrkosten bis zu 10.000€. Kann er uns diese Mehrkosten Rechnung stellen? Zumal wir auch jetzt keine Möglichkeit mehr haben, uns anders zu entscheiden, da auf dem Dach ja bereits Tatsachen geschaffen wurden.

Mit was müssen wir hier rechnen und wie müssen wir uns verhalten?

Mit freundlichen Grüßen
Die Ausgangslage ist klar: Es liegt ein Angebot nach VOB/B vor, in dem eine Dachfläche von ca. 70 qm als Grundlage angegeben ist. Während der Bauausführung stellt der Dachdecker fest, dass die Fläche tatsächlich ca. 110 qm beträgt – also mehr als 50 % Abweichung. Er hat diese Abweichung erst nach Beginn und schon nach der Ausführung eines Großteils der Arbeiten mitgeteilt.

Rechtlich ist das entscheidend: Bei einem Werkvertrag nach VOB/B gilt die vereinbarte Menge im Angebot grundsätzlich als Vertragsgrundlage. § 2 Abs. 3 VOB/B regelt, dass sich bei erheblichen Mengenänderungen der Preis grundsätzlich nach der tatsächlich ausgeführten Menge richtet. Die VOB/B sieht also vor, dass bei einer Überschreitung oder Unterschreitung der Mengenvorgabe um mehr als 10 % ein Anspruch auf Anpassung des Einheitspreises besteht. Diese Regel soll einerseits den Unternehmer vor erheblichen Nachteilen schützen, aber auch verhindern, dass der Auftraggeber unangemessen belastet wird.

Im konkreten Fall müssen zwei Dinge besonders beachtet werden:

Erstens liegt die Verantwortung für ein korrektes Aufmaß und die Angebotsgrundlage bei Arbeiten am Bestandsgebäude regelmäßig beim ausführenden Unternehmen. Das gilt vor allem, wenn der Dachdecker mehrfach vor Ort war, wie in Ihrem Fall, und damit ausreichend Gelegenheit zur genauen Vermessung hatte. Die von ihm angebotene Menge ist in aller Regel verbindlich, es sei denn, es handelt sich um nicht erkennbare Besonderheiten oder Planungsänderungen, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen. Die Rechtsprechung sieht es kritisch, wenn der Unternehmer erst während oder nach Beginn der Arbeiten feststellt, dass die Mengenangabe erheblich falsch war, sofern er die tatsächlichen Verhältnisse selbst hätte prüfen können.

Zweitens kommt es auf den Inhalt des Angebots und die Kommunikation an. Die Formulierung "ca. 70 qm" im Angebot kann im Ausnahmefall eine gewisse Toleranz zulassen, aber niemals eine derart massive Abweichung von über 50 %. Der Unternehmer kann sich nicht einfach darauf zurückziehen, dass es "nur eine Schätzung" war, wenn er selbst messen konnte und Messungen offenbar vorgenommen hat. Die Mitteilung per WhatsApp ohne weitere Begründung reicht keinesfalls aus, um eine Nachforderung schlüssig zu begründen.

Im Ergebnis spricht die überwiegende Meinung in der Rechtsprechung klar dafür, dass der Dachdecker die Folgen einer gravierenden Fehleinschätzung des Aufmaßes zu tragen hat, wenn er die Voraussetzungen vor Ort selbständig prüfen konnte und auch geprüft hat. Das Risiko der Mengenabweichung bleibt dann bei ihm. Eine Nachforderung ist in einem solchen Fall regelmäßig ausgeschlossen. Nur in seltenen Ausnahmefällen – z. B. bei unvorhersehbaren, verdeckten Mängeln am Gebäude oder neuen Planungen – kann sich daran etwas ändern. Das ist hier nach Ihrer Schilderung aber nicht ersichtlich.

Für die Praxis: Widersprechen Sie der Ankündigung von Mehrkosten klar und schriftlich, verlangen Sie eine detaillierte, prüfbare und schlüssige Begründung, wie es zu dieser extremen Abweichung kam, und weisen Sie auf die Pflicht zur Sorgfalt bei der Erstellung des Angebots hin. Bis dahin keine Anerkennung oder Zahlung zusätzlicher Beträge. Sie haben gute Aussichten, dass Sie keine oder nur einen minimalen Mehrbetrag schulden, wenn der Dachdecker die Abweichung nicht plausibel und rechtlich belastbar belegen kann.

Ich hoffe das hilft für die erste Einschätzung, viele Grüße und einen tollen Tag!


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