Besteht für die Lebensgefährtin Gewohnheitsrecht wenn der Eigentümer stirbt?

17. November 2009 12:43 |
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Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Mein Schwiegervater ist gestorben und hinterläßt ein Haus in dem er mit seiner Lebensgefährtin wohnte. In dem Haus sind auch noch vier weitere Wohnungen, die vermietet sind. Es ist kein Testament vorhanden und daher erbt mein Mann und die von ihm getrennt lebende Ehefrau.

Nun sind Schwierigkeiten mit der Lebensgefährtin eingetreten. Obwohl wir es schon juristisch geklärt haben sieht sie nicht ein das sie, nachdem sie 25 Jahre mit dem Mann zusammengelebt hat, leer ausgeht. Aus reiner Gehässigkeit bleibt sie einfach in dem Haus wohnen. Ein normales Gespräch ist kaum mehr möglich.

Wir hatten immer ein sehr gespanntes Verhältnis zu ihr und uns in all den Jahren nur tolerant gegenüber ihrer Person verhalten, weil wir keine Wahl hatten. Nun gibt es für uns keinen Grund mehr unser Leben mit ihr zu teilen und so wollen wir auch, dass sie auszieht.

Sie hat nie Miete gezahlt und sich auch nie an sonstigen Kosten des Hauses beteiligt. Es gibt keinen Mietvertrag oder irgendeine Schriftform, die ihr "Aufendhalt" in der Wohnung bisher irgendwie regelte. Sie ist damals eingezogen und das war's. Sie möchte jetzt einen Mietvertrag von uns und beruft sich auf das Gewohnheitsrecht.

Wir haben nicht vor sie von heut auf morgen auf die Straße zu setzen, aber möchten sie auch nicht ewig in dem Haus haben. Einen befristeten Mietvertrag darf man ja nicht mehr ausstellen und wenn wir ihr einen normalen geben, ist sie unkündbar da sie bereits 69 Jahre alt ist - oder?

Kann sie sich auf das Gewohnheitsrecht berufen? Hat sie überhaupt irgendwelche Rechte in Bezug auf das wohnen? Gibt es irgendeine Möglichkeit sie befristet wohnen zu lassen?

Vielen Dank für Ihre Mühe.

Gruss
17. November 2009 | 13:42

Antwort

von


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Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre gestellte Frage beantworte ich wie folgt:

Ein Besitzrecht der Lebensgefährtin an der Wohnung aus Gewohnheitsrecht gibt es nicht. Ein solches Besitzrecht kommt nur dann in Betracht, wenn es eine vertragliche Grundlage über die Nutzung der Wohnung zugunsten der Lebensgefährtin gibt.

Von einer vertraglichen Grundlage ist im Zweifel nicht auszugehen. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30. 4. 2008, Az.: XII ZR 110/06 zu dieser Thematik entschieden:
"Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehen nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund, dass sie auch das die Gemeinschaft betreffende vermögensmäßige Handeln der Partner bestimmen und daher nicht nur in persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rechtsgemeinschaft besteht. Wenn die Partner nicht etwas Besonderes unter sich geregelt haben, werden dementsprechend persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht auf Grund von wechselseitig abgeschlossenen Verträgen erbracht. Beiträge zur Lebensgemeinschaft werden geleistet, sofern Bedürfnisse entstehen, und wenn nicht von beiden, so von dem erbracht, der dazu in der Lage ist. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - ein Partner das in seinem Eigentum stehende Hausanwesen dem anderen Partner zur Mitnutzung überlässt. Die Einräumung der Mitnutzung ist in solchem Fall nur eine von vielfältigen Leistungen im Rahmen des wechselseitigen Gebens und Nehmens; sie dient - wie die anderen Beiträge auch - dem gemeinsamen Interesse der Partner und erfolgt im Zweifel auf tatsächlicher, nicht auf vertraglicher Grundlage."

Ausnahmsweise kann allerdings die Mitbenutzung der Wohnung auf Basis einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes oder auf Basis eines Leihvertrages vertraglich geregelt werden. Dazu der BGH:
"Zu seiner Annahme (eines Vertrages) bedarf es jedoch besonderer tatsächlicher Anhaltspunkte, die erkennbar werden lassen, dass die Partner gerade die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung aus dem wechselseitigen tatsächlichen Leistungsgefüge ausnehmen und einer besonderen und für beide Partner rechtlich bindenden Regelung zuführen wollten. Ein solcher Vertragsschluss liegt deshalb nicht schon konkludent in dem Umstand, dass zwei Partner sich zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenschließen und der eine Partner künftig das Hausanwesen des anderen mitbewohnt. Regeln sie ihre Beziehung nicht erkennbar besonders, handelt es sich bei der gemeinsamen Nutzung um einen rein tatsächlichen Vorgang, der keine rechtliche Bindung begründet." Die entsprechenden besonderen Umstände wären im Streitfall durch die Lebensgefährtin darzulegen und zu beweisen.

Es wäre theoretisch durchaus möglich, der Lebensgefährtin einen Mietvertrag auf Zeit einzuräumen. Zeitmietverträge sind unter den besonderen Voraussetzungen des § 575 BGB zulässig. Ob in Ihrem Fall ein Grund für die Befristung vorliegt, muss allerdings ergänzend geprüft werden; aus Ihrer bisherigen Schilderung ergibt sich ein Grund nicht. Ich empfehle Ihnen, sich bei der Abfassung eines Mietvertrages ergänzend durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen.

Ich hoffe, Ihnen einen ersten hilfreichen Überblick in der Sache verschafft zu haben. Ich weise darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen kann. Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Matthes
Rechtsanwalt


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