Bestandsimmobilie gekauft - Fertigstellungsanzeige fehlt

| 16. Juli 2023 13:39 |
Preis: 90,00 € |

Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von


16:01
Wir haben im Mai 2021 einen Dreiseithof in Hessen (Einzelkulturdenkmal) gekauft. Der Scheunenteil wurde vor ca. 20 Jahren vom Vorbesitzer zu Wohnzwecken ausgebaut.

Diese ehemalige Scheune besteht aus einem von uns bewohnten, fertig ausgebauten Abschnitt (225 qm) und einer Einliegerwohnung (70 qm) im Rohbauzustand mit separatem Eingang.

Wir haben eine Architektin beauftragt, um den Ausbau der Einliegerwohnung zu planen, die wir später vermieten wollen. Als die Architektin die Bauakte zur Bestandsaufnahme eingeholt hat, wurde festgestellt, dass zwar eine Baugenehmigung vom 1997 mit allen erforderlichen Unterlagen für den Scheunenausbau vorliegt, jedoch wurde nie eine Rohbaufertigstellungsanzeige bzw. eine Fertigstellungsanzeige vom Vorbesitzer gemacht.

Weitere Recherchen ergaben nur, dass der Vorbesitzer, der als Bauherr für den Ausbau agierte, sich mit dem damaligen Architekt während der Bauphase zerstritten hätte und den Ausbau selber "zu Ende" geführt hätte. Weiterhin konnte unsere Architektin nachweisen, dass der Vorbesitzer sich damals nicht an alle Baupläne in der ursprünglichen Baugenehmigung von 97 gehalten hatte (möglicherweise der Grund für den Streit).

Der von uns bewohnten Gebäudeanteil ist seit mind. 20 Jahren durchgehend bewohnt (erst vom Besitzer selber, später von Mietern) und weist keine offensichtlichen Mängel auf. Jedoch werden durch die fehlende Fertigstellungsanzeigen viele Fragen aufgeworfen:

- Ist die aktuelle Nutzung des Gebäudes durch unsere Familie zu Wohnzwecken "illegal"? Wenn ja, welche Konsequenzen drohen?
- Wie können wir die Situation möglichst schnell und einfach lösen? Gibt es die Möglichkeit eine solche Fertigstellungsanzeige im vereinfachten Verfahren nachzuholen? Mit welchem Aufwand wäre das verbunden?
- Der Kaufvertrag sieht natürlich vor, dass "alle Ansprüche und Rechte wegen Sachmängeln am Vertragsgegenstand werden hiermit vollumfänglich ausgeschlossen... Der Verkäufer haftet insbesondere nicht für ... die Verwendbarkeit des Grundstücks für Zwecke des Käufers." Hierbei handelt es sich aber mmN um Arglist, weil dem Vorbesitzer als Bauherr bekannt war, dass eine Fertigstellungsanzeige nötig ist, um das Gebäude zu Wohnzwecken benutzen zu dürfen. Wäre hier eine Klage wegen Entschädigung möglich oder eher aussichtslos?
16. Juli 2023 | 14:57

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworte wie folgt:

Bitte beachten Sie zunächst, dass die Beantwortung lediglich eine erste rechtliche Orientierung bietet und eine individuelle Beratung nicht ersetzen kann.

1. Ist die aktuelle Nutzung des Gebäudes durch unsere Familie zu Wohnzwecken "illegal"? Wenn ja, welche Konsequenzen drohen?

Grundsätzlich muss nach der Fertigstellung des Gebäudes eine Baufertigstellungsanzeige erfolgen. Erst nach Prüfung durch die Baugenehmigungsbehörde, ob die Vorschriften eingehalten wurden sind, gilt der Bau als genehmigt. Somit dürfte der Bau, ohne Baufertigstellungsanzeige illegal sein. Ein möglicher Bestandsschutz greift laut der Rechtsprechung nur, wenn die Baubehörde ausdrücklich erklärt hat, dass sie nicht gegen die Baurechtswidrigkeit vorgeht. Ein bloßes Dulden reicht grundsätzlich nicht aus.

Als Konsequenzen drohen Bußgelder, Nutzungsuntersagung und sogar die Verpflichtung zum Rückbau. Es ist aber immer darauf zu achten, dass die Behörde im Rahmen ihres Ermessens daran gehalten ist, zu überprüfen, ob der Bau nicht doch genehmigungsfähig ist und nicht lediglich ein Verstoß gegen formale Vorschriften vorliegt.

2. Wie können wir die Situation möglichst schnell und einfach lösen? Gibt es die Möglichkeit eine solche Fertigstellungsanzeige im vereinfachten Verfahren nachzuholen? Mit welchem Aufwand wäre das verbunden?

Es ist tatsächlich sinnvoll nunmehr offen zu kommunizieren. Es gibt grundsätzlich kein vereinfachtes Verfahren für die Fertigstellungsanzeige. Inwieweit Abweichungen von der Baugenehmigung vorliegen und ob diese genehmigungsfähig sind, sollte mit dem Architekten besprochen werden. Auch ist es sinnvoll den Verkäufer zur Auskunft aufzufordern. Je nach Ergebnis sollte über das weitere Vorgehen entschieden werden.

3. Der Kaufvertrag sieht natürlich vor, dass "alle Ansprüche und Rechte wegen Sachmängeln am Vertragsgegenstand werden hiermit vollumfänglich ausgeschlossen... Der Verkäufer haftet insbesondere nicht für ... die Verwendbarkeit des Grundstücks für Zwecke des Käufers." Hierbei handelt es sich aber mmN um Arglist, weil dem Vorbesitzer als Bauherr bekannt war, dass eine Fertigstellungsanzeige nötig ist, um das Gebäude zu Wohnzwecken benutzen zu dürfen. Wäre hier eine Klage wegen Entschädigung möglich oder eher aussichtslos?

Sind haben durchaus Recht, dass der Haftungsausschluss im Falle der Arglist nicht greift. Je gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass Arglist vorliegt. Allerdings muss dies dem Verkäufer auch nachgewiesen werden können. Dies ist stets eine Einzelfallfrage und hängt von der richterlicher Würdigung ab. Unter Umstände könnte sogar der ganze Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten werden. Dies würde aber die Rückabwicklung des Vertrages nach sich ziehen.

Insgesamt empfiehlt es sich, den Verkäufer zunächst zur Auskunft aufzufordern und anwaltliche Hilfe in diesem sensiblen Fall in Anspruch zu nehmen. Auch sollte eine enge Kooperation mit dem Architekten erfolgen. Schließlich sollte zunächst ein Weg beschritten werden, der eine einvernehmliche Lösung sucht, da Ihr Fall mit einigen Risiken verbunden ist.

Bei weiteren Fragen oder wenn Sie bei diesem Fall Hilfe brauchen, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung, da unsere Kanzlei auch auf bundesweite Mandate ausgerichtet ist, ohne dass Ihnen dadurch Mehrkosten entstehen. Falls Sie eine Rechtsschutzversicherung besitzen sollten, könnten wir eine kostenfrei Deckungsanfrage durchführen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Felix Hoffmeyer, LL.M.
Rechtsanwalt


Rückfrage vom Fragesteller 16. Juli 2023 | 15:57

Dank für Ihre ausführliche Antwort.

Zwei kurze Rückfragen:

1. Der Verkäufer wurde schon diesbezüglich angesprochen. Er behauptet, er weißt nicht mehr welche Unterlagen eingereicht wurden, und kann uns keine weiteren Informationen geben. Wäre in diesem Fall der nächste Schritt der Weg zum Anwalt?

2. Wenn Sie von Kooperation mit dem Architekten schreiben, meinen Sie den Architekten, der für die Planung der Scheunenausbau vor 20 Jahren zuständig war, oder die aktuelle von uns beauftragte Architektin?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 16. Juli 2023 | 16:01

Sehr geehrter Fragesteller,

ja es ist sinnvoll anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im besten Fall sollte mit beiden Architekten Kontakt aufgenommen werden.

Gerne stehe Ihnen für Nachfragen oder wenn Sie Hilfe benötigen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hoffmeyer, LL.M.

Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 18. Juli 2023 | 07:51

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