Beeinträchtigung eines Grundstücks durch Pestizide benachbarter Landwirtschaft

15. September 2019 10:16 |
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Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden
Ein zugezogener Landwirt sprüht „bei Wind und Wetter" Pflanzenschutzmittel auf seinen angepachteten und eigenen Ackerflächen. Mehrere Anwohner eines von den Flächen eingeschlossenen Dorfes in M-V beschweren sich regelmässig über Kopfschmerzen (auch der Kinder) morgens nach dem „Spritzen" oder erheblicher Geruchsbelästigung (keine Gülle, sondern lt Angabe eines Mitarbeiters des Bauern ein spezielles synthetisches Spritzmittel, vom Geruch her wie das frühere Hylotox oder PTB-haltige Substanzen) den ganzen Tag über. Auf einigen Grundstücke befinden sich Ferienobjekte, deren Vermietung durch die Geruchsbelästigung eingeschränkt ist (Gäste sagen, sie kommen deshalb nicht mehr wieder). Es wurde mehrfach versucht, mit dem Landwirt zu sprechen, um ihn zu bitten, wenigstens vorher Bescheid zu sagen, damit Fenster und Türen geschlossen werden können und Kinder und Tiere vom eigenen Grundstück geholt werden können. Er verweigert das. Außerdem gibt er keine Auskunft über die eingesetzten Substanzen.
Auf dem Feld kann ein Bauer in D anscheinend ja machen, was er will, aber wenn die Substanzen durch Wind oder zu grosse Nähe auf unsere Grundstücke abdriften, ist das auf Dauer inakzeptabel.

Fragen, bitte an einen Anwalt, der sich mit solchen Fällen möglicherweise schon auskennt:
- kann eine auf Unterlassung (Beeinträchtigung der Grundstücke) abzielende Rechtsform erfolgreich eingesetzt werden?
- Schadenersatz bei Vermietungsausfall?
- Unterlassungsforderung und Rechtsmittel wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in unmittelbarer Folge des Einsatzes des Spritzmittel (insbesondere bei Kindern)?

Polizei oder das zuständige Biosphärenreservat und das Pflanzenschutzamt des Kreises reagieren im Prinzip gar nicht (Arbeitsüberlastung und wenig Interesse an einer Konfrontation mit einem „Grossgrundbesitzer", dessen Goodwill man offenbar woanders noch braucht), der Landwirt sitzt im Umweltausschuss der Gemeinde und blockiert jede Verständigung über diesen Weg.
15. September 2019 | 10:49

Antwort

von


(2022)
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Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Daniel-Saeger-__l108235.html
E-Mail: danielsaeger@t-online.de
Sehr geehrter Fragesteller,

unstreitig können Herbizide / Pflanzenschutzmittel Beeinträchtigungen nach § 906 BGB darstellen, für die man sich auch schadensersatzpflichtig machen kann / die im Vorfeld durch Unterlassungsansprüche abgewehrt werden können. Siehe z.B. BGH, Urteil vom 02-03-1984 - V ZR 54/83 (Zweibrücken). Siehe auch OLG Rostock, Urteil vom 20. 7. 2006 - 7 U 117/04:

" Die festgestellten Verfärbungen der Indikatorpflanzen und damit die Eigentumsverletzung i.S. des § 823 I BGB sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darauf zurückzuführen, dass die Bekl. am 25./26. 8. 2001 den zur Bekämpfung von Ungräsern und Unkräutern in Winterraps zugelassenen Wirkstoff Clomazone mit 33,3 g/l bzw. 40 g/l der Herbizide Nimbus bzw. Brasan, wie vom Sachverständigen angegeben, auf ihren Rapsschlägen ausgebracht hat.

...

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beruhten die schädlichen Immissionen zwar auf einer ortsüblichen Spritzung der konventionell bestellten Rapsfelder mit den genannten Herbiziden, jedoch stellt sich die clomazonebedingte Beeinträchtigung der Bio-Flächen der Kl. hier nicht als unvermeidbar dar. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) spezielle Anwendungshinweise im Umgang mit dem in den Herbiziden Nimbus und Brasan enthaltenen zugelassenen Wirkstoff Clomazone festgesetzt, weil bei höheren Luft- und Bodentemperaturen und geringer Bodenfeuchtigkeit mit einer höheren Verflüchtigung des unter Berücksichtigung eines Dampfdrucks von 1,92 x 10-2 als halbflüchtig eingestuften Wirkstoffes zu rechnen sei und die Bedingungen für das Auftreten derartiger Verflüchtigungen oftmals vorhanden seien, weil die Anwendung häufig in einem sehr engen Zeitfenster mit eben solchen Witterungsbedingungen durchgeführt werde. Um „Bleaching Effecte" sowohl für „Nichtzielpflanzen" als auch für Kulturpflanzen soweit möglich zu reduzieren, ist danach die Anwendung des Mittels bei zu erwartenden Tageshöchsttemperaturen von mehr als 25° C auf einen Zeitraum vor einer längeren abendlichen Abkühlungsperiode mit Temperaturen unter 25° C am Anwendungsort zu verlegen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Bekl. gegen diese Anwendungsbestimmungen verstoßen. (Wird ausgeführt.)
d) Ist es damit der Bekl. grundsätzlich nicht gelungen, darzulegen und nachzuweisen, dass sie ihr zumutbare Vorkehrungen getroffen hatte, um eine Schädigung der Bioanbauflächen der Kl. zu verhindern, kommt es auf die Frage an, ob die Bekl. die Beeinträchtigung der Pflanzen und Produkte der Kl. verschuldet hat i.S. des § 823 I BGB. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vermag der Senat auf Grund der im Jahr 2001 bekannten Herstellerhinweise auszuschließen, eine leichte Fahrlässigkeit ist indes anzurechnen."

Wenigstens wird man also selbst bei "erlaubten Mitteln" wohl erwarten und auch gerichtlich durchsetzen könne, dass nur an Tagen mit "günstigem Wind" gespritzt wird. Außer anderes wäre zwingend nötig, was aber kaum vorstellbar ist.

Sollte die Gemeinde auf schriftliche Anträge in der Hinsicht nicht reagieren, kann der Gang zum Zivilgericht und / oder die Einschaltung der Rechtsaufsicht der Gemeinde ( Bezirksregierung ) ratsam sein. Normalerweise greift die lokale Presse solche Fälle auch sehr gerne auf.

In einem ersten Schritt sollte man meines Erachtens unter Fristsetzung per Einwurfeinschreiben Auskunft über die konkret verwandten Mittel verlangen.

Über Ihre etwaige Nachfrage wie auch eine Bewertung mit 5,0 freue ich mich.

MfG RA Saeger


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